Die
Hamburger Kammeroper bringt immer wieder das Kunststück fertig, teilweise
unbekannte Stücke oder eben wie hier Klassiker in neuem Gewand zu präsentieren,
allerdings ohne die offenbar psychologisch sehr begabten Musikwissenschaftler
zu verschrecken, die ganz genau zu wissen meinen, wie denn der Komponist
das Werk in der heutigen Zeit auf der Bühne sehen möchte.
So
spielt die Handlung nicht in Montalto, sondern in Civitavecchia, wo Nedda
gleich zu Beginn von Canio mit dem Messer bedroht wird und sich dem Kommissar
Montalto anvertraut, da sie Angst hat, von jemandem aus ihrem näheren
Umfeld getötet zu werden. Nach anfänglicher Skepsis erklärt er sich bereit,
ihr zu helfen, was ihm jedoch nicht gelingt. Diese Rahmenhandlung ist
durchaus clever eingebaut und rückt Nedda mehr in den Fokus als sonst
üblich. Sie hat auch mehr zu singen, da der Prolog nicht von Tonio, sondern
von ihr und Montalto als Duett gesungen wird, dessen Text mit dem Ursprünglichen
nichts mehr zu tun hat. Ich bin nun wahrlich kein Fan davon, in die Musik
einzugreifen, aber das war wirklich interessant! Und auch sonst bietet
diese Produktion von Andreas FRANZ (Regie) und Kathrin KEGLER (Bühne)
eine sehr gute Personenführung und vermag voll und ganz davon zu überzeugen,
sich öfters einen solchen Abend zu gönnen. Die geringe Auslastung in der
besuchten Vorstellung war hoffentlich eine Ausnahme...
Es
mag sein, daß Lukas NOERBEL (Canio) möglicherweise im lyrischen Fach (Mozart,
Rossini) passable Leistungen bringen könnte, aber im Spintofach hat er
m. E. nach nichts verloren. Er hat zwar, abgesehen von zwei Kieksern im
Finale, alle Töne, bleibt aber eigentlich den ganzen Abend leidlich blaß,
auch von der Darstellung her. Ich vermute allerdings, daß er eingesprungen
ist, da er im Programmheft nicht auftaucht, und seine Homepage lediglich
Termine für diese eine Woche aufführte.
Von
ganz anderem Kaliber war seine Nedda, welche die junge Theresa SOMMER
mit jugendlich-dramatischer Attacke sang. Sie machte den Zwiespalt zwischen
der Angst vor, sowie der Dankbarkeit und Loyalität für Canio jederzeit
greifbar und erwies sich als sehr präsente Darstellerin. Es bleibt zu
wünschen, von ihr in Zukunft noch mehr zu hören.
Marius
ADAM wußte sich als Tonio zu profilieren. Er sang mit gut sitzendem Material
einen verzweifelt verliebten Mann, dem man eigentlich wirklich eine liebe
Frau gönnen würde, wenn er nur nicht so obsessiv wäre...
Als
leicht tuckiger Peppe machte Enrique ANDRADOS nachhaltig auf sich aufmerksam.
Er ist ein wahrer Szenendieb, der seine Arie zu einem kleinen Highlight
machte. Ich hätte ihn viel lieber als Canio gehört. Frank Dolphin WONG
als Kommissar Montalo absolvierte seinen Part im Prolog ausgezeichnet
und war ein sich der Rolle entsprechend angemessen im Hintergrund haltender
Darsteller.
Am
Pult des ALLEE THEATER ENSEMBLES waltete Fabian DOBLER sehr kompetent
seines Amtes. Er erstellte auch die interessante Kammermusikfassung dieses
Verismo-Schinkens für Violine, Cello, Kontrabaß, Klavier und Bandoneon.
Die dichten Klänge der Streicher eines ausgewachsenen Orchesters fehlten
so gut wie gar nicht. WFS
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