Eigentlich
sollte es nicht so schwer sein. Drei Rätsel lösen und man wird nicht nur
Kaiser von China, sondern gewinnt auch noch die Hand einer ausgesprochen
schönen Prinzessin. Nein, schwer sollte es nicht sein, wurde aber zahllosen
Männern bereits vor Beginn der eigentlichen Handlung doch zum Verhängnis.
Die
Musik, die Puccini dafür geschrieben hat, ist so schön wie besagte Prinzessin
selbst, so emotional mitreißend, daß kaum jemand ungerührt aus dem Theater
geht und streckenweise so mörderisch zu singen, daß es nicht jedem Künstler
gegeben ist.
Mit
der Turandot des Abends konnte ich nicht wirklich etwas anfangen. Catherine
FOSTER ließ sowohl stimmlich, als auch in der Darstellung gerade jene
Kälte und Distanziertheit vermissen, die Liu später besingt. Ihre Prinzessin
gemahnte eher an einen grummligen Teenager, was sicher auch eine mögliche
Interpretation wäre, wenn dem Ganzen nicht die notwendige Grandezza gefehlt
hätte. Hinzu kommt, daß mir ihre Stimme, insbesondere in den etwas schrillen
Höhen gar nicht liegt.
Carl
TANNER gab den Calaf mit sehr viel Sendungsbewußtsein, aber das ist auch
das Einzige, das zu bekritteln war. Es dürfte derzeit wenige Fachkollegen
geben, die diese Partie stimmlich ebenso gut gestalten können und dabei
derart entspannt wirken. Anstatt sich auf den stets gutsitzenden Spitzentönen
auszuruhen und einfach ein gut gesungenes "Nessun dorma" abzuliefern,
womit er vermutlich den begeisterte Applaus eines Großteils des Publikums
hätte einfahren können, legte der Tenor viel Wert auf vokale Gestaltung.
Der stets präzise, aber gefühlvolle Gesang und hier und da ein wirklich
schöner Schwellton machten dieses Rollenporträt musikalisch so interessant.
"Non piangere Liù" wurde da wirklich sanft gesungen (ja, das geht). [Einen
Extrapunkt gibt es zudem für malerisches Herumliegen auf der Treppe im
3. Akt.]
Mit
der Liù konnte Mirjam TOLA ein weiteres Mal überzeugen. Weit vom üblichen
Händeringen und Säuseln zeigte sie eine selbstbewußte junge Frau, der
man ohne weiteres abnahm, daß sie den weiten Weg hinter sich gebracht
hatte, um Calaf zu finden, und dies nicht nur aus Loyalität einer Dienerin.
Als dies brachte sie in ihren viel zu wenigen Momenten dem Zuhörer nahe
und ließ dabei einen ausgewogenen musikalischen Vortrag hören.
Alexander
TSYMBALYUK gab Timur glaubwürdig als alten Mann. Er zeichnete dies nicht
allein in der Körperhaltung, sondern auch mit der Stimme, die streckenweise
ganz ungewohnt klang. Natürlich läßt sich ein solch riesiges Organ nicht
beständig bezähmen, und so wurde jeder Ausbruch zu einem musikalischen
Feuerwerk. Diese Aufführungsserie bedeutete den Abschied von Alexander
Tsymbalyuk als Ensemblemitglied, und auch wenn es nicht fair wäre, ihn
für dieses Haus ganz allein behalten zu wollen, macht dieser Abschied
schon irgendwie traurig. Laut aktuellem Plan wird er in der kommenden
Spielzeit gar nicht in Hamburg zu hören sein, und so hofft man ein Wiederhören
in der weiteren Zukunft.
Tenoral
wirklich großartig besetzt waren die Minister. Paulo PAOLILLO (Pang) und
Dovlet NURGELDIYEV (Pong) harmonierten ausgesprochen gut miteinander.
Jeder exponiertere Ton wurde da genutzt, um die Stimme gekonnt zur Geltung
zu bringen. Moritz GOGG als Ping gelang da nicht ganz musikalisch mitzuhalten.
Spielfreudig und mit viel Witz waren aber alle drei. Peter MAUS sang einen
schönstimmigen Altoum, und Jan BUCHWALD wußte als Mandarin durchaus beeindrucken.
Carlo
MONTANARO ließ die PHILHARMONIKER HAMBURG eine teils wirklich überflüssige
Klangwucht erzeugen. Puccinis Musik klingt bereits machtvoll und zudem
emotionaler, wenn man das Orchester etwas zurücknimmt. Alle Sänger und
den Chor zuzudecken, sollte kein unbedingt erstrebenswertes Ziel sein,
es gelang meistens ohnehin nicht.
Der
CHOR (Leitung: Florian CSIZMADIA) hatte eigentlich einen sehr guten Abend,
kämpfte aber mit dem Dirigat. Anscheinend war die Zeichengebung nicht
präzise genug oder aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht überall
gleich gut zu erkennen. Trotzdem gelangen die meisten der kollektiven
Klangmomente ausgesprochen gut.
Gespielt
wird die Inszenierung "nach" Gian-Carlo DEL MONACO, von der wohl nur noch
Rudimente übrig sind. Intimität gibt es hier nicht. Liù und Timur liegen
bis zum Ende auf der Bühne. Calaf und Turandot wird kein Moment des Alleinseins
gegönnt. Ihr Kuß findet vor aller Augen statt.
Das
Bühnenbild und die Kostüme von Peter SYKORA erinnern irgendwie an SF-Serien
der späten 60er bzw. frühen 70er Jahre. Gespielt wird in einem Einheitsraum.
Nur für die Ministerszene gibt es ein separates Bühnenbild, das aus strahlendweißen
Wänden und ein paar Requisiten besteht. Der Chor verbringt die meiste
Zeit auf Metallgestellen, die den Hof vor dem Palast umrahmen. Zum jenem
Palast führt eine rotbraun (wohl vom Blut) gefärbte Treppe. Die darüberliegende
Plattform und damit den Auftrittsraum des Altoum kann man bereits im 2.
Rang nicht mehr richtig sehen, die Plattform am Ende der Treppe ab dem
3. Rang.
Eine
Anmerkung sei noch gestattet. Es ist sicherlich verständlich, daß an den
Kostümen nach der langen Zeit nicht mehr viel geändert wird, aber etwas
weniger Schulterpolster für Calaf und etwas mehr davon für Turandot, wären
diesmal nicht schlecht gewesen… AHS
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