Weshalb
findet Jean-Pierre Ponelles "Elisir d'Amore"-Produktion nach so vielen
Jahren immer noch ihr Publikum? Liegt es am naturalistischen Bühnenbild?
All den netten Kleinigkeiten wie z.B. Nemorinos Schaf? Oder ist der Grund
dafür, daß diese Interpretation der Donizetti-Oper ganz und gar auf jegliche
Neu- oder Andersdeutung verzichtet, schlicht die Liebesgeschichte von
Adina und Nemorino erzählt?
Neudeutungen
sind nicht per se schlecht, nur eben teils schlecht gemacht. Dies ist
eine Produktion zum Immerwiedergehen, für Opernnovizen, für Gelegenheitsbesucher
- und in dieser Besetzung anscheinend auch etwas für Teenager.
Wäre
der Begriff nicht bereits so überstrapaziert, könnte man Katerina Tretyakova
und Dovlet Nurgeldijev durchaus als ein Traumpaar bezeichnen. Die beiden
jungen Sänger harmonieren stimmlich wie darstellerisch perfekt. Hört man
ihnen zu, ist einem um die Zukunft der Oper nicht bange.
Katerina
TRETYAKOVA liegen die Koloraturen perfekt in Kehle. Stimmschön, ohne sich
allein auf ihre schöne Stimme zu verlassen, zeichnet sie gekonnt Adinas
Charakter und Entwicklung, macht deren Lebensfreude fast greifbar. Die
Freude, die sie beim Singen ausstrahlt, ist überaus mitreißend, und so
freute man sich auf jede einzelne ihrer Szenen. Alles wirkt natürlich,
nichts ist irgendwie gekünstelt. Dieser jungen Frau liegt ihr Beruf definitiv
im Blut.
Als
Dovlet NURGELDIYEV am Ende dieses Abends vor den Vorhang trat, kreischten
die weiblichen Teenager im Parkett ihre Begeisterung laut heraus. Dieser
Überschwang war nur zu berechtigt. Der turkmenische Tenor hat Nemorino
perfekt einstudiert. Seine präzise Beobachtungsgabe gipfelte auch diesmal
in einem gelungenen Rollenporträt. Nemorino war hier nicht der plumpe
Tor, sondern eher übermäßig schüchtern, bis die zweite Portion "Liebestrank"
ihm diese Zurückhaltung nimmt. (Für die exzellente Schafbehandlung gibt
natürlich Extra-Punkte.)
Musikalisch
war dies nicht, wie bei anderen häufig gehört, das reine Hinarbeiten auf
die Arie. Jede Phrase saß, jeder Note wurde die gebührende Aufmerksamkeit
gewidmet. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis andere Häuser
ihre Finger nach diesem Tenor ausstrecken.
Renato
GIROLAMIs Dulcamara wirkte streckenweise recht jugendlich und strahlte
doch die Erfahrung eines langen Lebens als Schlitzohr und fahrender Händler
aus. Der Bariton verfügt über eine elegant klingende, gut trainierte Stimme
mit ausgesprochen schönen Klangfarben. Sein recht natürlicher, beinahe
bodenständiger Charme fesselte die Landbevölkerung auf der Bühne wie auch
das Publikum.
Katherina
BERGRATH und Viktor RUD ergänzten dieses Ensemble - die eine mehr, nutzte
sie insbesondere doch Giannettas Szene im 2. Akt, um sich und ihre Stimme
gut zu präsentieren, und der andere weniger, denn es fehlte ihm an Stimmkraft
und Präsenz. So war es schlicht nicht nachvollziehbar, weshalb Adina Belcore
auch nur für einen Moment als Heiratskandidaten in Erwägung ziehen sollte.
Der
CHOR (Leitung: Christian GÜNTHER) klang gut disponiert und gab sich ausgesprochen
spielfreudig. Einige der Herren in Uniform versuchten sich sogar erfolgreich
an Variationen des aus der "Ballo"-Produktion bekannten "Verschwörer Dance".
Anstelle
der Philharmoniker hörte man an diesem Abend die HAMBURGER SYMPHONIKER.
Es war eine recht angenehme Wiederbegegnung, zu der das Dirigat von Alexander
SODDY allerdings leider wenig beitrug. Etwas flottere Tempi sowie hin
und wieder weniger Lautstärke hätten dem Abend nicht geschadet.
Das
Treiben auf der Bühne indes bereitete dem Publikum viel Vergnügen und
dementsprechend begeistert war am Ende auch der Applaus. AHS
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