Mit
guten Inszenierungen neueren Datums ist die Hamburgische Staatsoper im
italienischen Repertoire wahrlich nicht gesegnet. Auch die "Aida"-Produktion
aus dem Jahr 2010 gehört eher zum "Augen zu und durch"-Repertoire. Womit
in Hamburg derzeit allerdings durchaus gepunktet wird, sind interessante
Besetzungen.
Carl
TANNER sang einen ausgesprochen italienisch klingenden Radames. Man hört
nur noch selten Tenöre, die sowohl über die Kraft, als auch die Technik
verfügen, diese Partie ohne konditionelle Schwierigkeiten durchzusingen
und zugleich soviel Wert auf die musikalische wie darstellerische Gestaltung
der Rolle legen. Exponierte Spitzentöne sind mir eigentlich egal, aber
dieses "Sacerdote, io resto a te" war - eben gerade durch die Einbettung
in eine durchweg virtuose Leistung - überaus beeindruckend. Obwohl zu
Beginn des Abends wegen einer Erkältung angesagt, gab es kein Ausruhen
in den Ensembles, kein Zaudern vor den Spitzentönen - ehrlich gesagt,
wünsche ich mir, einige Fachkollegen würden im gesunden Zustand so klingen
wie der amerikanische Tenor an diesem Abend.
Vom
Fluch der unvorteilhaften Kostüme, der meines Wissens kein altägyptischer
ist, war Marianne CORNETTI betroffen. Nichtsdestotrotz gelang es dem Mezzosopran
ohne Schwierigkeiten, alles aus ihrer Partie herauszuholen und ein rundum
passendes Bild von Amneris als liebende, herrschsüchtige und schließlich
verzweifelnde Pharaonentochter zu zeichnen. Sämtliche Regieeinfälle baute
sie dabei wie selbstverständlich ein, ohne daß es auch nur für einen Moment
übertrieben wirkte. Ihre Stimme besitzt den perfekten Verdi-Klang: warm,
rund und ausgesprochen flexibel.
Das
Amneris-Radames-Duett im 4. Akt klang in dieser Besetzung schlicht phänomenal
und war sicherlich ein Höhepunkt des Abends.
Das
Hamburger Ensemble wurde speziell von der Baßfront wieder hervorragend
vertreten. Tigran MARTIROSSIAN sang einen eindrucksvollen Ramphis, der
sowohl Verschlagenheit, als auch Grandezza ausstrahlte. Der Oberpriester
als Strippenzieher, der genau beobachtet, um es später nutzen zu können,
die Macht hinter dem Thron - all dies war in den Auftritten wiederzufinden.
Der
König von Jongmin PARK konnte dem trotzdem einiges entgegen setzen. Selbstbewußt
gespielt und akzentuiert gesungen brachte er seine Rolle dar. Es widerspricht
zwar jeder Stimmtheorie, daß jemand mit Mitte zwanzig bereits über einen
derart vollklingenden dunklen Baß sein eigen nennt, macht den Zuhörer
aber bestimmt auch nicht traurig.
Paulo
PAOLILLO machte die kurze Szene des Boten ganz selbstverständlich zu der
seinen. Er überzeugte wieder mit seiner schönen Stimme und seinem Hang
zur ausgewogenen Charakterisierung selbst kleinster Rollen. Juhee MIN
sang eine ansprechend klingende Priesterin.
Die
äthiopische Seite machte an diesem Abend leider keine besonders gute Figur.
Indra
THOMAS in der Titelpartie klang über weite Teile zu gaumig und in den
Höhen zu dünn, als daß sie eine musikalisch ausgewogene Interpretation
hätte bieten können. Hinzu kam eine überaus schlechte Sprachbehandlung.
Hin und wieder war man gezwungen, auf die Übertitel zu schauen, um so
erkennen, an welcher Stelle z.B. der Arie sie gerade war. Über Aida selbst
erfuhr man recht wenig.
Mit
Franz GRUNDHEBERs Auftritten werde ich wohl nie warm werden. Das gilt
für diverse Partien, doch insbesondere im italienischen Fach stören mich
sein zum Teil abgehackt klingender Gesang, seine Artikulation und die
fehlende Darstellung der jeweiligen Rolle. Bei seinem Amonasro vermißte
ich die so wichtige Eleganz in der Stimme und den musikalischen Farbenreichtum,
den Verdi dem Kriegerkönig eigentlich gegeben hatte. So blieb das Aufregendste
an seinem Auftritt das Kind irgendwo im Rang, das im Triumphakt just zu
Amonasros Erscheinen anfing zu schluchzen und sich bis zur Pause kaum
zu beruhigen schien.
Der
CHOR DER STAATSOPER (Leitung: Florian CZISMADIA schlug sich wacker und
klang recht homogen. Auch die PHILHARMONIKER HAMBURG hatten einen an sich
guten Abend. Allein am Anfang gab es kleinere Verspieler, und die Aida-Trompeten
klangen wieder einmal eher zum Fürchten. Daß das Dirigat von Stefan SOLTESZ
irgendwann einmal irgendwie inspiriert klingt, wird wohl ein frommer Wunsch
bleiben.
Die
Ägypter gewannen diesen Abend definitiv, und man möchte davon auch nicht
eine Sekunde verpaßt haben. Der Rest? Man kann nicht alles haben. AHS
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