Es
hätte ein großer Abend werden können, doch vier Dinge hinderten dieses.
Da ist zum einen die eigentlich jede Form von emotionaler Beteiligung
des Publikums in lähmender Langeweile erstickende Inszenierung von Andreas
HOMOKI, die auch nach über sechzehn Jahren sich nicht abgeschliffen hat.
Die stimmungstötende Ausstattung von Wolfgang GUSSMANN verbessert dies
auch nicht. Da freut man sich über jeden Moment, in dem Verdi dann doch
dank der Sänger über die szenische Tristesse siegt.
Zum
zweiten waren die PHILHARMONIKER HAMBURG ein weiteres Mal in geradezu
gruselig schlechter Verfassung angetreten. Was ist nur derzeit mit ihnen
los? Soviele Verspieler wie in den letzten Wochen bin ich schlichtweg
nicht gewöhnt. Es wäre zu hoffen, daß hier endlich wieder Besserung eintritt.
Zum dritten war hier die musikalische Leitung von Alexander SODDY, die
einfach nur indiskutabel war. Zeitweilig schien nicht nur ich mich zu
fragen, wo in der Partitur er eigentlich gerade war, auch dem einen oder
anderen Sänger schien sich dies nicht zu offenbaren. Dazu kam noch der
Umstand, daß es eines der spannungslosesten Dirigate gewesen ist, das
ich in meinem Leben gehört habe.
Zum
vierten war da Ismael JORDI als Duca. Er mag zwar einigermaßen rollendeckend
ausschauen, aber das reicht nun wirklich nicht. Die Stimme klang kehlig,
wird oben dünn und irgendwie kratzig. Man wird auch nicht durch eine schöne
Mittellage entschädigt, denn das Timbre ist alles andere als angenehm,
oder durch intelligente Phrasierungen, denn alles klingt sehr gleichförmig
unangenehm.
Der
Rest der Sängerbesetzung konnte allerdings entschädigen. Katerina TRETYAKOVA
machte die mißglückte "Fledermaus"-Adele vom Dezember vollkommen vergessen.
Sie hat alles, was eine Gilda benötigt, sichere Koloraturen, die kein
Selbstzweck oder gar seelenlose Zurschaustellung von Technik sind, sondern
mit Leben gefüllt werden, mädchenhafte Ausstrahlung und ein angenehm warmes
Timbre. Hier ist sie definitiv auch im richtigen Fach eingesetzt.
Lucio
GALLO in der Titelrolle, von der Maske her ein wenig wie eine Mischung
aus Quasimodo und Jean Valjean ausstaffiert, gelingt es immer wieder über
die szenischen Zumutungen zu siegen, wenn er beispielsweise "Quel vecchio
maledivami" im gerade noch hörbaren Piano ausklingen läßt oder im Finalduett
mit Gilda. Er durchmißt die Partie mit warmem Bariton ohne Probleme und
ist dabei auch in schnellen Passagen außergewöhnlich wortdeutlich.
Als
Sparafucile war Jongmin PARK eingesprungen und stellte einen bedrohlichen,
mit tiefen Baßtönen und erstklassiger Phrasierung gesegneten Mörder auf
die Bühne, bei dem auch plötzlich einmal die im Kostüm offenbar angelegte
Idee deutlich wurde, daß es sich hier quasi um das Negativ zu Rigolettos
Positiv handeln soll. Cristina DAMIAN war eine fesche Maddalena, die den
Herzog im Quartett locker an die Wand spielte und sang mit ihrem dunkel
timbrierten, trotzdem aber jung klingenden Mezzo.
Für
die kleineren Rollen bot die Staatsoper das Beste auf, was Ensemble und
Opernstudio aufzuweisen hat. Jan BUCHWALD, der als Monterone rhythmisch
am meisten unter dem unzulänglichen Dirigat zu leiden hatte, schaffte
es jedoch trotzdem, seine Flüche so zu gestalten, daß sie in Erinnerung
blieben. Juhee MIN als eine sehr präsente Giovanna, sowohl stimmlich,
als auch in dem wunderschön ausgespielten Moment, in dem sie Bestechungsgeld
vom Herzog fordert.
Borsa
Paulo PAOLILLO stahl in der Anfangsszene stimmlich den Herzog glatt die
Show (wo kommt nur diese Legion guter, junger Tenöre auf einmal her?),
Dong-Hwan LEE (Marullo) und Levente PÁLL (Ceprano und Usciere) schafften
es trotz ihrer Kostümierung (wie auch der CHOR schauen sie aus wie gelb-schwarze
Pinguine) immer als Individuen erkennbar zu sein. Mélissa PETIT war auffällig
gut als Gräfin Ceprano, ebenso ließ Katharina BERGRATH als Page aufhorchen.
Der
CHOR der Pinguine, Verzeihung, der Höflinge (Leitung: Christian GÜNTHER)
war angemessen homogen. Wenn sie allerdings zwischen Arie und Cabaletta
des Herzoges alle gleichzeitig sich springend herumdrehen, um von Gildas
Entführung zu berichten, hat das eher Ähnlichkeit mit "Happy Feet" als
mit "Rigoletto". MK
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