Es
gibt Inszenierungen, die einfach nur schön. Der Hamburger "Onegin" gehört
sicherlich dazu. Keine Ahnung, wie viel vom ursprünglichen Konzept des
Regisseurs Adolf DRESEN und seines Bühnenbildners Karl-Ernst HERRMANN
übriggeblieben ist (beide Punkte sind im Programm mittlerweile mit einem
"nach" versehen), doch hier wird die Geschichte, und zwar die von Puschkin
geschaffene und von Tschaikowski vertonte, erzählt, was das Zuhören und
-schauen zum Vergnügen macht.
Gesungen
wurde zudem auf Russisch, was aufgrund der vielen Muttersprachler sowie
der gut trainierten Nicht-Muttersprachler ein Hörvergnügen war. In der
ersten Serie griff man bei den Besetzungen auf das hauseigene Ensemble
zurück. Allein die Sängerin der Tatjana war ein Gast.
Lauri
VASAR hat sich augenscheinlich intensiv mit der Figur des Onegin beschäftigt.
Herausgekommen ist dankenswerterweise kein arroganter Schnösel, der am
Ende, wenn Tatjana ihn zurückweist, aus heiterem Himmel zusammenbricht,
sondern ein junger Mann mit ebenjenen Schwächen und genau jener Entwicklung,
die man im Poem findet und die, wenn man nur zuhört, auch 1:1 in der Musik
zu findet ist.
Hinzu
kommt, daß Vasar die Rolle präzise sang, den emotionalen Aspekt dabei
aber für keinen Moment aus den Augen verlor und so mit einem in allen
Facetten vollendeten Vortrag überzeugte. Die Rückgabe des Briefes und
der kurze Augenblick nach der erneuten Begegnung mit Tatjana wurden so
zu Schlüsselmomenten. In der letzten Szene berührte die hör- wie sichtbare
Verzweiflung zutiefst. Eine rundum gelungene Leistung.
Tatjana
in der Interpretation vom Tamar IVERI geriet hier ein wenig ins Hintertreffen.
An ihrer gesanglichen Leistung war nichts auszusetzen. Ihre Stimme allein
solide zu nennen, würde ihr nicht gerecht werden. Ihr Sopran klingt in
allen Lagen sauber, warm und schön. Doch ihr fehlte in so manchem Augenblick
die schwärmerische Komponente des Charakters. Zu Beginn der Briefszene,
die sie zweifelsohne tadellos und ohne Zeichen von Mühe oder Überforderung
sang, blitzte etwas davon auf.
Die
Olga wurde von Cristina DAMIAN angemessen frech gespielt und sehr gut
gesungen. Der Kontrast zwischen ihrer doch sehr dunklen Stimme und der
von Tamar Iveri schuf in der ersten Szene interessante Effekte.
Für
Dovlet NURGELDIYEV ist Lenski eine ideale Rolle. Sie liegt ihm nicht nur
perfekt in der Kehle, sondern bietet dem Tenor viel Raum, im Rahmen seiner
vielschichtigen stimmlichen Möglichkeiten Tschaikowskis Musik virtuos
zu interpretieren. Welcher junge Sänger vermag es derzeit zudem, für diesen
Dichter in seiner Emotionalität so hochmusikalisch einzunehmen?
Die
Stimme von Alexander TSYMBALYUK vollzieht derzeit eine Entwicklung hin
zu einem sehr dunklen Klang. Halb bewältigt schien der Weg an diesem Abend
bereits, auch wenn nicht jeder Ton der zum Teil bereits sehr schwarz klingenden
Tiefe saß, konnte man bereits erahnen, wo hin diese Entwicklung führen
mag. Trotz seines Alters gelang es dem Baß, Gremin eine gewisse Gesetztheit
und Autorität ausstrahlen zu lassen. Tatjanas Zerrissenheit wurde so verständlicher.
Katja
PIEWECK gab mit beeindruckender Stimme eine aufgeräumte, volksnahe Larina.
Das Duett mit der ebenfalls gut disponierten Susanne SOMMER war ein echtes
Vergnügen für die Zuschauer. Wenn man noch kein Fan des aktuellen Opernstudios
wäre, hätte man es an jenem Abend werden können, denn Dong-Hwan LEE als
Hauptmann und Levente PÁLL als Saretzki präsentierten sich mit makelloser
Leistung. Kurzweilig wie immer gab Jürgen SACHER den Triquet.
Wenig
erfreulich war das Dirigat von Karen KAMENSEK. Weniger sängerbezogen zu
dirigieren, ist kaum möglich. Dieser Interpretation fehlte es zudem an
Gespür für Tschaikowskis Musik. Hinzu kam eine beinahe schon gruselige
Verfassung der PHILHARMONIKER. Die Blechbläser patzten an jedem Abend
dieser Serie an den gleichen Stellen, und ganz allgemein klang das Orchester
wenig präzise und farblos.
Der
CHOR litt hörbar unter dem Dirigat, und so kam es auch an diesem Abend
zu einigen Unstimmigkeiten in Tempiwahl und Einsätzen.
Den
Solisten ist ein ausgesprochen schöner Opernabend zu danken. Es bleibt
die Hoffnung auf mehr russische Oper in den nächsten Spielzeiten. AHS
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