Ein
zwiegespaltener Abend, nicht allein aufgrund der Tatsache, daß (wenig
überraschend, versteht sich) zwei Stücke auf dem Spielplan standen, sondern
insbesondere weil die Qualität der beiden Teile so merklich unterschiedlich
war.
Eine
"Cavalleria" steht und fällt mit der Santuzza. Um sie und ihr Leid dreht
sich das Werk. Sie befindet sich die meiste Zeit auf der Bühne. Um dies
bewältigen zu können, braucht es Kondition und Präsenz. Mit der Interpretation
von Waltraud MEIER konnte ich weder in der Darstellung, noch gesanglich
etwas anfangen. Die nötige Kondition bringt sie mit. Präsenz vermißte
man jedoch schmerzlich. Daß Mamma Lucia, von Renate SPINGLER mit fast
greifbarer Würde und stimmlichem Variantenreichtum grandios in Szene gesetzt,
und Lola (herrlich keck und stimmstark: Maria MARKINA) ihr derart mühelos
den Rang ablaufen, war dann doch ein wenig überraschend. Die angereisten
Fans störten dann allerdings weder dies, noch die sporadisch auftretenden
Intonationsprobleme oder das streckenweise recht merkwürdig klingende
Italienisch. Sie bejubelten ihren Star und waren glücklich.
Auch
die Herren konnten den ersten Teil des Abends nicht retten. Andrzej DOBBER
machte hier zwar definitiv die bessere Figur, zu seinen Lieblingspartien
dürfte Alfio allerdings nicht zählen, und so zog er sich mit Anstand sowie
dem einen oder anderen (schön gesungenen) Puccini-Anklang aus der Affäre.
Andrew RICHARDS verlegt sich an diesem Abend primär aufs Posen, konnte
damit allerdings nicht verbergen, daß seine Stimme der Partie über weite
Strecken nicht gewachsen ist. Irgendwann verließ ihn auch schlicht die
Kondition.
Merkwürdiges
konnte man auch dem Graben hören. Noch nie haben die PHILHARMONIKER an
einem Abend, der von Simone YOUNG geleitet wurde, derart fahrig und wuselig
geklungen. Die Idee, die wohl hinter der orchestralen Interpretation stand,
schien interessant zu sein, doch es haperte an der Umsetzung. Diese Nervosität
übertrug sich auch auf CHOR und EXTRACHOR, die teilweise Mühe hatten,
der Musik einig zu folgen.
Der
zweite Teil des Abends begann wesentlich besser und blieb es auch bis
zum dramatischen Ende.
Hier
konnte Andrzej DOBBER sein Können perfekt zur Geltung bringen. Die klare
Trennung zwischen Prolog und seinem Auftritt als Tonio wurde nicht allein
durch die Kleidung, sondern durch Körperhaltung und Stimme so konsequent
wie professionell manifestiert. Und jedes Mal, wenn man ob der Schönheit
von Musik und deren Interpretation durch den Bariton geneigt war, Tonios
eigentlichen Charakter zu verdrängen, brachte der Sänger genau diesen
wieder zum Vorschein.
Das
Zusammenspiel der Nedda von Mirjam TOLA, mit ihrer ruhigen, beinahe zurückhaltenden
Art zu spielen und präzise zu singen, die erst ausbricht als Silvio die
Szene betritt, und des beinahe lethargisch zu nennenden Canio von Carl
TANNER, der nur aus sich herauskommt, wenn Publikum anwesend ist, oder
es um seine Frau geht, machte die Entwicklung hin zum unweigerlich anstehenden
Konflikt spannend. Leider besitzt Carl Tanner ein Manko, das den positiven
Eindruck seines kraftvollen, solide geführten Tenors und der durchdachten
Charakterisierung stört. Er neigt zu Vokalverfärbungen Hieran müßte dringend
gearbeitet werden.
In
den kleineren Rollen ergänzten der eingesprungene Jun-Sang HAN als sympathischer
Beppe mit hübsch klingender Stimme, Viktor RUD als wenig inspirierender
Silvio sowie Thomas BRIESEMEISTER und Mariusz KOLER als Contadini.
Dem
Chor (Leitung: Florian CSIZMADIA) lag Leoncavallo diesmal mehr als Mascagni,
und auch die Philharmoniker mit Simone Young an der Spitze konnten hier
punkten. Das "Pagliacci"-Zwischenspiel habe ich wohl noch nie schöner
interpretiert gehört, und ganz generell war dieser Teil des Abends Verismo
auf einem sehr hohen Niveau. AHS
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