"Pädophilie
ist irgendwie falsch" Das zumindest scheint die einzige Aussage zu sein,
die Andreas HOMOKIs Inszenierung von Gounods Oper treffen möchte. Ansonsten
ist die Produktion nämlich an Fadheit kaum zu übertreffen. Wann werden
Ausstatter wie Wolfgang GUSSMANN nur begreifen, daß es ausgesprochen ermüdend
ist, wenn das Publikum drei Stunden lang auf graue Kulissen starrt, in
denen sich grau kostümierte Personen bewegen, und die einzigen drei Farbflecken
die roten Hörnchen von Mephisto, Marguerites rosafarbenes Kleid sowie
ein bißchen Blut auf Marguerites Nachthemd im letzten Bild sind? Wenn
die spannendste Frage der Inszenierung ist, wann und in welche Richtung
sich die Drehbühne das nächste Mal bewegen wird, spricht das nicht für
eine interessante Personenregie.
Sämtliche
Figuren, abgesehen von Faust, laufen irgendwann einmal mit einer häßlichen
Puppenmaske herum und sind als Schüler kostümiert. Das Bühnenbild wird
abgesehen von den grauen sich ständig bewegenden Wänden von einem Riesenstuhl,
auf dem entweder eine überdimensionierte Puppe oder aber Marguerite sitzt.
Das alles soll uns offenbar zeigen, daß Faust sich zu sehr für ein Kind
interessiert. Das wäre eine mögliche Deutungsweise, wenn sie nicht so
fürchterlich fad umgesetzt worden wäre. Die Kirchenszene findet eigentlich
szenisch gar nicht statt, bei Faust fragt man sich insbesondere im zweiten
Bild, ob der Sänger wohl pro Umrundung der Bühne bezahlt werden wird,
und warum der Chor mit Mephisto im Bunde zu sein scheint, erschließt sich
auch nicht.
Dieses
szenische Nichts wird leider auch musikalisch nicht wirklich aufgewogen.
Der CHOR DER STAATSOPER HAMBURG (Leitung: Christian GÜNTHER) und die PHILHARMONIKER
HAMBURG leisten sich diverse Fehler. Ob man in absehbarer Zeit einmal
wieder mit fehlerfreien Bläsern rechnen kann? Hilfreich war hier mit Sicherheit
nicht das Dirigat von Cornelius MEISTER, welches zwischen langweilig zerdehnt
und übertrieben zackig (Valentins Rückkehr) pendelte, und zudem leider
jegliche Rücksicht auf die Sänger vermissen ließ. Mehr als einmal hatten
die Sänger hier mit Lautstärke, merkwürdigen Tempi und verwirrenden Wechseln
bei Dynamik und Tempi zu kämpfen.
Alexia
VOULGARIDOU könnte als Marguerite punkten, wenn sie ihre Stimme mehr strömen
ließe. Stattdessen setzt sie an einigen Stellen auf Effekt und bleibt
ansonsten vollkommen unauffällig. Es gelingt ihr zu keinem Zeitpunkt irgendein
Interesse an dieser Figur zu wecken, sie bleibt kalt und emotionslos.
Ob sie nun das offenbar von der Inszenierung gedachte kleine Mädchen oder
eine erwachsene Frau spielen will, bleibt auch unklar. Auch nicht besser
bestellt ist es um den Valentin von George PETEAN. Wirkliche Begeisterung
konnte ich für diesen Sänger nie empfinden, er konnte mich zu keinem Zeitpunkt
und in keiner Rolle packen, doch jetzt kratzt es zudem auch noch heftig
in den Höhen. Szenisch ist Valentins Charakter sowieso durch das Kostüm
der Lächerlichkeit preisgegeben.
Ein
überaus sonderbarer Fall ist der Faust von Giuseppe FILIANOTI. Ich war
begeistert von seinem Idomeneo und seinem Hoffmann vor einigen Spielzeiten,
mit seinem Faust werde ich jedoch nicht glücklich. Das kostbare Timbre
ist stellenweise verschwunden und nur noch in der mittleren Lage vorhanden,
die Spitzentöne sind sauber und sicher, aber in der Lage dazwischen verliert
die Stimme deutlich an Qualität. Außerdem wirkt er mit der Regie vollkommen
alleingelassen, scheint nicht wirklich etwas mit der Rolle anfangen zu
können.
Tigran
MARTIROSSIAN wird einmal ein großer Mephisto werden, wenn ein guter Regisseur
und ein weitaus besserer Dirigent die Rolle mit ihm erarbeiten. So war
er immer noch von den Hauptrollen der am besten Singende und Spielende
mit klugen Phrasierungen und erheblicher Eleganz, aber man merkt, daß
hier noch mehr möglich wäre, daß die Partie noch nicht ganz die seine
ist.
Immerhin
waren die kleineren Rollen auf allerhöchstem Niveau besetzt. Maria MARKINA
bot einen (wenn auch stark gekürzten) Siebel mit schönem Mezzo und viel
Persönlichkeit, Renate SPINGLER dürfte in ihrer dezenten, aber trotzdem
köstlichen Komik als Marthe kaum überbietbar sein, und Alexander TSYMBALYUK
stellt als Wagner natürlich den puren Luxus dar, selbst mit der albernen
Maske noch szenenbeherrschend. MK
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