"Die
Zeit, die ist ein sonderbar Ding"; das Zitat stammt zwar nicht aus dem
"Parsifal", aber es paßt wunderbar auf die Inszenierung von Robert WILSON,
dessen erste Operninszenierung 1991 mit höchst gemischten Reaktionen aufgenommen
worden war. Heute gilt die Produktion fast schon als Klassiker, der sich
in seiner extrem reduzierten Statuarik (selbst der Speer wird nur durch
Handbewegungen angedeutet, ohne existent zu sein) und der ganz aus den
Farben und einer mehr vom Bild als von der Personenführung her entwickelten
Szene nahtlos an Wieland Wagner anschließt. Wilsons Bewegungskanon war
damals ungewohnt und neu - und erstaunlicherweise wirkt er auch nach zwanzig
Jahren noch, während sehr viel neuere Arbeiten des Amerikaners inzwischen
reichlich verstaubt und nurmehr als Wiederholung des Gewesenen erscheinen.
Und
musikalisch lief diesmal (wenn man einmal von den arg asketisch klingenden
Knappen und Rittern absieht) wirklich alles zusammen, weil Simone YOUNG
das mit einem schön warmen Mischklang und fast impressionistischer Farbgebung
aufwartende ORCHESTER immer wieder stark zurücknahm und damit einer Solistenschar,
die nicht aus Stimmriesen bestand, Gelegenheit gab, ihrerseits noch zurückzunehmen,
und Wagner nicht als vokalen Kraftakt, sondern ganz auf Linie, mit enormer
Wortdeutlichkeit und differenziert phrasiert zu präsentieren. Das war
auf den ersten Blick zwar nicht immer vordergründig effektvoll, sorgte
innerhalb der häufig sehr ruhig wirkenden Tempi aber für den ganz großen
Bogen und zusätzliche Ruhe; das Bühnenweihfestspiel in aller Ernsthaftigkeit
und ohne falsches Pathos.
Peter
ROSE glänzte in dieser Konstellation als lyrischer Gurnemanz mit phänomenaler
Diktion und dem Wissen um den Textsinn, gepaart mit der Fähigkeit eines
in allen Lagen ausgeglichenen Legatos. Sicher, man kann das voluminöser
singen, ganz bestimmt auch mit einem interessanteren Timbre - musikalischer
kann man es kaum singen. Mit Klaus-Florian VOGT hatte er den idealen Partner
für den Karfreitagszauber; auch der kein "Haudrauf" sondern ein kluger
Sänger, der seine Mittel so einzusetzen weiß, daß die Akzente kraftvoll
klingen, weil er die Dynamik schön variiert und die sehr obertonreiche
Stimme technisch perfekt und ohne Druck einsetzt, so daß die Linie nie
abreißt. Mit der Höhe hat er ja eh keine Probleme, in der Tiefe gibt es
allerdings trotz insgesamt gewachsenen Volumens immer noch ein paar Defizite.
Als
dramatische Gestalter wurden beide freilich von Angela DENOKE überboten,
die Wilsons Gestik mit einer ungeheuren Körperspannung darbot, mit der
sie die Blicke auf sich zog, selbst wenn sie nicht sang. Und die Farben,
die sie ihrem hellen, schlanken, eigentlich nicht zwingend für die Kundry
prädestinierten Sopran abtrotzt, lassen sie als Verführerin zur wirklichen
Gefahr werden, weil sie mit traumhaften Pianissimi zu schmeicheln weiß,
um dann von einem Takt auf den anderen fordernd oder wild aufbegehrend
klingen zu können. Es ist schon erstaunlich, welche Wirkung selbst ein
relatives Fortissimo haben kann, wenn es nur wenige Male und ganz gezielt
eingesetzt wird.
Auch
mit dem relativen Fortissimo hatte der inzwischen siebzigjährige Wolfgang
SCHÖNE, der für Wolfgang Koch als Amfortas eingesprungen war, inzwischen
naturgemäß Probleme, obendrein hat die Stimme das schön warme Timbre fast
vollständig verloren. Doch die Technik sitzt, selbst das relativ weit
hinten auf der Bühne positionierte "Wehvolle Erbe" kommt ohne größere
Anstrengung über die Rampe. Hier hat einer eigentlich nie über sein Fach
gesungen - und das zahlt sich aus, wenn die Kräfte zum Haushalten zwingen.
Antonio
YANG sang einen in der Gesamtanlage des Abends passend schönstimmigen
Klingsor, bei dem mir dann doch die nötige Gefährlichkeit fehlte, und
Wilhelm SCHWINGHAMMER komplettierte als leider allzu weit hinten postierter
Titurel, von dem man ob des Hörbaren gern mehr vernommen hätte.
Einen
ganz großen Abend hatte der von Florian CSIZMADIA einstudierte CHOR, so
klangschön wie im 1. Akt habe ich gerade die Herren schon lange nicht
mehr singen hören - und die Balance zwischen den ersten Logen des 1. Ranges
und dem hinter bzw. seitlich der Bühne postierten Rest (kein Chorist ist
im 1. Akt AUF der Bühne) war schlicht perfekt und von wundervoll Abstufung
in der Lautstärke. HK
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