Die
Hamburgische Staatsoper eröffnete die neue Saison am 5. September mit
einer zweiten Serie der bei der Premiere im Januar heftig umstrittenen
"Lucia-di-Lammermoor"-Produktion von Sandra LEUPOLD. Alle drei Hauptpartien
waren neu besetzt, was szenisch zu einigen kleineren Änderungen führte
(am meisten in der Szene Edgardo-Enrico, die nun nicht mehr auf halber
Höhe im Turm zu Ravenswood sondern irgendwo im lokalen Nirwana an der
Rampe stattfand). Erhalten geblieben war die musikalische Seite, d.h.
sowohl die komplett aufgemachten Striche als auch die Originaltonarten
blieben unangetastet.
Mit
dem Polen Artur RUCINSKI als Enrico stellte sich ein neuer, junger Bariton
aus Osteuropa vor, zunächst einmal einer mehr in der Reihe der Herren,
die kamen und meist schnell wieder verschwanden; in diesem Fall aber einer,
bei dem ich hoffe, daß er wiederkommt! Eine frische, gut durchgebildete
Stimme mit angenehmem Timbre, einer formidablen Höhe und gutem Stilgefühl,
mitunter noch ein bißchen knapp im Volumen, aber so, wie er singt, wird
sich das von allein ändern.
Sein
Landsmann Piotr BECZALA gehört inzwischen zu den internationalen Stars
der Tenorszene, weswegen er den Weg nach Hamburg nur mehr selten findet
(über die Versäumnisse in der Besetzungspolitik der letzten fünfzehn Jahre
ließe sich langsam ein Buch schreiben). Umso erfreulicherweise sein Auftritt,
ist doch gerade der Edgardo eine Partie, in der er aufgrund der Leichtigkeit
und atemtechnischen Perfektion der Stimmführung, die ihm ausgesprochen
lange Bögen und eine höchst geschmackvolle und differenzierte Phrasierung
erlaubt, momentan kaum Konkurrenz zu fürchten hat. Obendrein warf er sich
voller Schwung in die Inszenierung, wobei die Langhaarperücke und das
leicht wilde Kostüm dem früher manchmal optisch recht bieder wirkenden
Sänger zusätzlich ausgesprochen gut taten.
Nicht
wirklich glücklich war ich dagegen mit Elena MOSUC, die im ersten Bild
des öfteren mit Intonationsproblemen zu kämpfen hatte und sich in den
unteren Lagen und in den langsamen Passagen schwer tat. Natürlich, das
Koloraturfeuerwerk, das sie in der Wahnsinnsszene abbrennt, ist untadelig,
da sitzt jeder Ton gestochen genau und ohne Schärfe, aber die Lucia ist
- zumindest nach neuerem Verständnis - eben nicht nur eine rein virtuose
Partie, sondern sie hat auch eine musikdramatische Seite. Und in dem Punkt
erschien sie mir doch blaß beziehungsweise in Teilen schlicht altmodisch,
weil dem Organ (jedenfalls an diesem Abend) die breiter ausschwingende
Lyrik in der Mittellage und vor allem die Farben fehlten.
Alexander
TSYMBALYUK wiederholte seinen balsamischen Raimondo und Dovlet NURGELDIYEV
profilierte sich als der Premierenbesetzung weit überlegener, in der undankbaren
Rolle des Arturo bemerkenswert positiv auffallender Sänger.
Komplettiert
wurde das Ganze durch das neue Opernstudiomitglied Paulo PAOLLILO als
ebenfalls exzellentem Normmano und der eingesprungenen Maria MARKOVA als
Alisa.
Am
Pult stand wieder Simone YOUNG, die zunächst einmal alle Hände voll zu
tun hatte, die irgendwie mit dem Kopf noch im Urlaub befindlichen Kollektiven
zusammenzubringen. Da klapperte und kleckerte es doch einige Zeit gewaltig,
besonders die Holzbläser schienen sich während der Vorstellung einspielen
zu müssen. Am Ende hatte man sich doch gefunden, aber die musikalische
Spannung litt darunter, so daß ich Frau Youngs Art, langsame Tempi noch
langsamer zu nehmen mitunter als störend empfand; der musikalische Bogen
drohte zu hängen, was er für meine Ohren in der Premierenserie nicht getan
hatte. HK
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