Den
endgültigen Abschluß der Saison brachte ein Galaabend mit Violetta URMANA
und Johan BOTHA, der unter dem irreführenden Titel "Verdi und Verismo"
angekündigt wurde. Während ersterer reichlich vertreten war, dürften zu
letzterem nur die drei Ausschnitte aus "Manon Lescaut" und "La Fanciulla
del West" zu zählen sein. Die "Turandot" gehört nicht mehr dazu - und
"Mefistofele" und die mit mehreren Szenen vertretene "Gioconda" haben
es eh nie getan; ein bißchen musikhistorisches Kuddelmuddel in der Dramaturgie
also.
Das
tat dem Niveau des Konzerts allerdings keinen Abbruch. Die hochglanzpolierten
PHILHARMONIKER begannen unter Simone YOUNG mit einer präzis klangvollen,
spannungsreichen Ouvertüre zu "La Forza del Destino", der Violetta Urmana
ein mit schlanken, kraftvollen Höhen und schönen lyrischen Bögen gesungenes
"Pace, pace" aus derselben Oper folgen ließ.
Geradezu
sensationell gelang Johan Botha das "Celeste Aida", mit raffinierter Voix
mixte auf der zweiten, tonhöheren Silbe des Namens, schier endlosen Atemphrasen
und raumsprengenden Spitzentönen - und am Ende einem Piano bis hinauf
zum hohen B, so, wie es Verdi komponiert hat. Und auch das nachfolgende
"Ritornar vincitor" von Frau Urmana demonstrierte noch einmal nachdrücklich
den himmelweiten Unterschied in Stil und Technik zur Premierenbesetzung
des Hauses.
Was
dann die Orchestereinleitung zum Prolog des "Mefistofele" im Verdi-Teil
verloren hatte, blieb unklar, vielleicht wollte Simone Young die Qualität
der im Saal verteilten Trompeten vorführen, oder aber schlicht zeigen,
daß dieses Orchester auch im Fortissimo diszipliniert klingen kann, was
ihr Beides zweifellos gelang.
Nachdem
Johan Botha mit Otellos "Dio, mi potevi scagliar" einmal mehr bewies,
daß ihm die musikalische Gestaltung über die Ausstellung seiner enormen
vokalen Mittel geht und auch überraschend gebrochene Töne fand, endete
der erste Teil nach dem dazwischengeschobenen Gefangenenchor aus "Nabucco"
(den ich mir SO sogar anhören kann, der von Florian CSIZMADIA einstudierte
CHOR war wirklich ausgezeichnet) mit dem Duett Otello-Desdemona aus dem
1. Akt; sehr differenziert an Verdis dynamischen Vorschriften ausgerichtet
und nicht nur überlegt gestaltet sondern auch - wie den ganzen Abend über
- sehr textdeutlich gesungen. Ein wirkliches Duett somit, kein Duell,
wobei der Tenor aufgrund der Rollenerfahrung (Frau Urmana hatte die Noten
dabei) geringfügig die Nase vorn hatte.
Inwieweit
die Bühnenerfahrung mit einer Partie die stimmlichen Möglichkeiten prägt
und fördert, hörte man im zweiten Teil nach dem wunderbar ruhig ausmusizierten
Intermezzo aus "Manon Lescaut" an der Arie der Manon aus dem 4. Akt und
der Arie des Dick Johnson aus "La Fanciulla del West". Beide Stücke blieben
trotz problemloser technischer Bewältigung eher blaß, als ob die Identifikation
mit der Figur fehle, Konzertstücke halt ohne dramatischen Gehalt.
Eine
Chorszene aus dem 1. Akt "Turandot" ließ erneut aufhorchen, denn wieder
gab es differenziertes, klangschönes Singen ohne die in den Aufführungen
der letzten Jahre immer wieder zu hörenden überzogenen Forte-Attacken
oder herausfallenden Einzelstimmen.
Am
Ende dann Ponchiellis "La Gioconda", die nach dem Krieg meines Wissens
nur bei einem einzigen Gastspiel der Deutschen Oper Berlin 1978 in Hamburg
zu hören war. Die Reihenfolge der Szenen war dabei aus praktischen Gründen
etwas durcheinander gekommen; zuerst ein recht fader "Tanz der Stunden"
aus dem 3. Akt, dem etwas mehr Tempo und reichlich mehr Pfeffer gut angestanden
hätten, danach "Cielo e mar" aus dem 2.Akt, bei dem Botha am Ende ein
kräftiger Frosch in die Kehle geriet, über den er sich aber souverän hinweghalf;
nachfolgend ein von Violetta Urmana virtuos in der Schwebe zwischen Emotionalität
und gebändigter Linie bewältigtes "Suicidio" aus dem 4. Akt und am Ende
das Finale des 2. Aktes, bei dem es die Kollektive zum Schluß noch einmal
ordentlich krachen lassen konnten.
Als
Zugaben folgten mit "Vissi d'arte" und "Nessun dorma" zwei Arien, bei
denen die Künstler erfreulicherweise nicht auf die "Selbstgänger"-Qualitäten
vertrauten, auch hier war musikalische Feinarbeit angesagt.
Der
Applaus war entsprechend - und die Botschaft war wohl auch eindeutig:
bitte mehr auf diesem Niveau - denn leider hat die Bilanz von Simone Young
zur Halbzeit gerade in dieser Beziehung nicht den in sie bei Amtsübernahme
gesetzten Erwartungen vieler Gesangsfans entsprochen. HK
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