GALAABEND VIOLETTA URMANA/JOHAN BOTHA - 11. Juli 2010

Den endgültigen Abschluß der Saison brachte ein Galaabend mit Violetta URMANA und Johan BOTHA, der unter dem irreführenden Titel "Verdi und Verismo" angekündigt wurde. Während ersterer reichlich vertreten war, dürften zu letzterem nur die drei Ausschnitte aus "Manon Lescaut" und "La Fanciulla del West" zu zählen sein. Die "Turandot" gehört nicht mehr dazu - und "Mefistofele" und die mit mehreren Szenen vertretene "Gioconda" haben es eh nie getan; ein bißchen musikhistorisches Kuddelmuddel in der Dramaturgie also.

Das tat dem Niveau des Konzerts allerdings keinen Abbruch. Die hochglanzpolierten PHILHARMONIKER begannen unter Simone YOUNG mit einer präzis klangvollen, spannungsreichen Ouvertüre zu "La Forza del Destino", der Violetta Urmana ein mit schlanken, kraftvollen Höhen und schönen lyrischen Bögen gesungenes "Pace, pace" aus derselben Oper folgen ließ.

Geradezu sensationell gelang Johan Botha das "Celeste Aida", mit raffinierter Voix mixte auf der zweiten, tonhöheren Silbe des Namens, schier endlosen Atemphrasen und raumsprengenden Spitzentönen - und am Ende einem Piano bis hinauf zum hohen B, so, wie es Verdi komponiert hat. Und auch das nachfolgende "Ritornar vincitor" von Frau Urmana demonstrierte noch einmal nachdrücklich den himmelweiten Unterschied in Stil und Technik zur Premierenbesetzung des Hauses.

Was dann die Orchestereinleitung zum Prolog des "Mefistofele" im Verdi-Teil verloren hatte, blieb unklar, vielleicht wollte Simone Young die Qualität der im Saal verteilten Trompeten vorführen, oder aber schlicht zeigen, daß dieses Orchester auch im Fortissimo diszipliniert klingen kann, was ihr Beides zweifellos gelang.

Nachdem Johan Botha mit Otellos "Dio, mi potevi scagliar" einmal mehr bewies, daß ihm die musikalische Gestaltung über die Ausstellung seiner enormen vokalen Mittel geht und auch überraschend gebrochene Töne fand, endete der erste Teil nach dem dazwischengeschobenen Gefangenenchor aus "Nabucco" (den ich mir SO sogar anhören kann, der von Florian CSIZMADIA einstudierte CHOR war wirklich ausgezeichnet) mit dem Duett Otello-Desdemona aus dem 1. Akt; sehr differenziert an Verdis dynamischen Vorschriften ausgerichtet und nicht nur überlegt gestaltet sondern auch - wie den ganzen Abend über - sehr textdeutlich gesungen. Ein wirkliches Duett somit, kein Duell, wobei der Tenor aufgrund der Rollenerfahrung (Frau Urmana hatte die Noten dabei) geringfügig die Nase vorn hatte.

Inwieweit die Bühnenerfahrung mit einer Partie die stimmlichen Möglichkeiten prägt und fördert, hörte man im zweiten Teil nach dem wunderbar ruhig ausmusizierten Intermezzo aus "Manon Lescaut" an der Arie der Manon aus dem 4. Akt und der Arie des Dick Johnson aus "La Fanciulla del West". Beide Stücke blieben trotz problemloser technischer Bewältigung eher blaß, als ob die Identifikation mit der Figur fehle, Konzertstücke halt ohne dramatischen Gehalt.

Eine Chorszene aus dem 1. Akt "Turandot" ließ erneut aufhorchen, denn wieder gab es differenziertes, klangschönes Singen ohne die in den Aufführungen der letzten Jahre immer wieder zu hörenden überzogenen Forte-Attacken oder herausfallenden Einzelstimmen.

Am Ende dann Ponchiellis "La Gioconda", die nach dem Krieg meines Wissens nur bei einem einzigen Gastspiel der Deutschen Oper Berlin 1978 in Hamburg zu hören war. Die Reihenfolge der Szenen war dabei aus praktischen Gründen etwas durcheinander gekommen; zuerst ein recht fader "Tanz der Stunden" aus dem 3. Akt, dem etwas mehr Tempo und reichlich mehr Pfeffer gut angestanden hätten, danach "Cielo e mar" aus dem 2.Akt, bei dem Botha am Ende ein kräftiger Frosch in die Kehle geriet, über den er sich aber souverän hinweghalf; nachfolgend ein von Violetta Urmana virtuos in der Schwebe zwischen Emotionalität und gebändigter Linie bewältigtes "Suicidio" aus dem 4. Akt und am Ende das Finale des 2. Aktes, bei dem es die Kollektive zum Schluß noch einmal ordentlich krachen lassen konnten.

Als Zugaben folgten mit "Vissi d'arte" und "Nessun dorma" zwei Arien, bei denen die Künstler erfreulicherweise nicht auf die "Selbstgänger"-Qualitäten vertrauten, auch hier war musikalische Feinarbeit angesagt.

Der Applaus war entsprechend - und die Botschaft war wohl auch eindeutig: bitte mehr auf diesem Niveau - denn leider hat die Bilanz von Simone Young zur Halbzeit gerade in dieser Beziehung nicht den in sie bei Amtsübernahme gesetzten Erwartungen vieler Gesangsfans entsprochen. HK