"CAVALLERIA RUSTICANA"/"I PAGLIACCI" - 9. Juli 2010

Einen versöhnlichen Abschluß unter eine aus meiner Sicht nur noch selten zum Besuch einladende Saison setzten im Juli drei Aufführungen von "Cavalleria rusticana" und "I Pagliacci".

An der "Cavalleria" hätte wohl selbst Monsieur Croche seine Freude gehabt. Unter diesem Pseudonym verfasste Claude Debussy seine Kritiken, und als überzeugtem Vertreter einer völlig anderen Ästhetik waren ihm die Veristen in ihrer "Brutalität" ein Gräuel.

Simone YOUNG schien diesmal beweisen zu wollen, daß Realismus und Klangschönheit kein Widerspruch sein muß, sie lotete die Orchesterfarben in Vorspiel und Intermezzo differenziert aus und gab auch der Ostermesse Valeurs, die man so nicht unbedingt immer hört, wobei CHOR und ORCHESTER das ihrige dazu beitrugen, so gut in Form sind die Kollektive auch nicht alle Tage. Unterstützt wurde diese Auffassung noch durch zumindest sehr langsam wirkende Tempi (die Gesamtlänge der Aufführung hielt sich absolut im üblichen Rahmen), denen es denn doch mitunter an dramatischer Zuspitzung fehlte, zumal ein wirkliches Drama AUF der Bühne auch nur begrenzt stattfand.

Weder Violetta URMANA noch Johan BOTHA sind großartige Schauspieler, beide gestalten vor allem über ihre stimmlichen Mittel, wobei bei beiden die Gesangslinie und eine ausgesprochen variable Dynamik Vorrang vor vordergründigen Effekten hat. Sie demonstrierten am 9. Juli (Botha hatte aufgrund von Proben in Bayreuth die mittlere Vorstellung abgesagt), wie sehr es dem Haus besonders in diesem Fach an wirklich erstklassigen Sängern mangelt (die "Aida" ist noch in unguter Erinnerung). Bothas voluminöser, dabei immer wieder erstaunlich lyrisch eingesetzter Tenor scheint rein technisch kaum Probleme zu kennen, er kann sich also voll aufs Musikalische konzentrieren. Und da ist es schon faszinierend, zu welchen Piani seine inzwischen beim Tannhäuser angekommene Stimme noch fähig ist. Überraschend auch, wie viel Eleganz er dem Beginn des Trinkliedes verleihen kann. Daß die Fortehöhen ab und an den Rahmen des beim Turiddu üblichen sprengen, tut der Sache keinen Abbruch, zumal er sehr textbezogen phrasiert und auch ausgesprochen gut zu verstehen ist. Da der Fall bei Violetta Urmana sehr ähnlich gelagert ist, ergänzten sie sich ideal, zwei Künstler, die auch im Verismo nicht auf Gesangskultur verzichten wollen.

Insofern wirkte der Alfio von Marco VRATOGNA (der alle drei Abende für Thomas J. Mayer übernommen hatte) mit seiner kaum vorhandenen Legatofähigkeit, dem rauhen Timbre und der optischen Attitüde des Brunnenvergifters wie ein Fremdkörper, obwohl er vermutlich eher der landläufigen Vorstellung von "Verismo" entsprach. Cristina DAMIAN war eine ausgesprochen schönstimmige Lola, und Renate SPINGLER ergänzte solide als Mamma Lucia, wobei ich die Absage von Olive Fredricks hier wirklich bedauert habe, da ich ihr als einzig Verbliebener von der Premiere 1988 den nochmaligen Auftritt in diesem Rahmen wirklich gegönnt hätte.

Nach der Pause ging es dann "normaler", sprich musikalisch deutlich handfester zu, ohne daß es dabei zu überzogenen Drückern oder dramatischem "Getue" gekommen wäre. Botha gestaltete den Canio mit seinem inzwischen dort deutlich besser aufgehobenen Organ als hilflosen Teddy, dem die Imagination der eigenen Welt abhanden kommt; eine wirklich tragische Figur, der er anrührende - wieder ganz aus der Linie kommende - Töne verlieh, und die auch seinen Möglichkeiten als Darsteller mehr zu liegen scheint.

Alexia VOULGARIDOU sang eine ungewöhnlich kraftvolle, gleichwohl in den Koloraturen des Vogelliedes blitzsaubere Nedda mit guter Phrasierung und leichten Höhenschärfen; eine Frau, die weiß, was sie will - und vor allem nicht will... Der ob mangelnden Volumens hart an der Grenze zur Nichtexistenz agierende Victor RUD hätte im Falle der geglückten Flucht vermutlich kräftig unter dem Pantoffel gestanden.

Marco VRATOGNA schlug sich im Prolog nach einem kräftigen Schmiß gleich zu Beginn ausgesprochen achtbar und prunkte mit nach dem Alfio so nicht vermuteten Top-Höhen. Und als "Schurke vom Dienst" ist er beim Tonio auch richtig besetzt, ein Fiesling, der Neddas Ablehnung verstehen läßt. Als sympathischen Gegenpart der Schauspiel-Truppe gab Jun-Sang HAN den Beppe, dem er obendrein eine mit schöner Tongebung aufgewertete Harlekin-Serenade angedeihen ließ. HK