Einen
versöhnlichen Abschluß unter eine aus meiner Sicht nur noch selten zum
Besuch einladende Saison setzten im Juli drei Aufführungen von "Cavalleria
rusticana" und "I Pagliacci".
An
der "Cavalleria" hätte wohl selbst Monsieur Croche seine Freude gehabt.
Unter diesem Pseudonym verfasste Claude Debussy seine Kritiken, und als
überzeugtem Vertreter einer völlig anderen Ästhetik waren ihm die Veristen
in ihrer "Brutalität" ein Gräuel.
Simone
YOUNG schien diesmal beweisen zu wollen, daß Realismus und Klangschönheit
kein Widerspruch sein muß, sie lotete die Orchesterfarben in Vorspiel
und Intermezzo differenziert aus und gab auch der Ostermesse Valeurs,
die man so nicht unbedingt immer hört, wobei CHOR und ORCHESTER das ihrige
dazu beitrugen, so gut in Form sind die Kollektive auch nicht alle Tage.
Unterstützt wurde diese Auffassung noch durch zumindest sehr langsam wirkende
Tempi (die Gesamtlänge der Aufführung hielt sich absolut im üblichen Rahmen),
denen es denn doch mitunter an dramatischer Zuspitzung fehlte, zumal ein
wirkliches Drama AUF der Bühne auch nur begrenzt stattfand.
Weder
Violetta URMANA noch Johan BOTHA sind großartige Schauspieler, beide gestalten
vor allem über ihre stimmlichen Mittel, wobei bei beiden die Gesangslinie
und eine ausgesprochen variable Dynamik Vorrang vor vordergründigen Effekten
hat. Sie demonstrierten am 9. Juli (Botha hatte aufgrund von Proben in
Bayreuth die mittlere Vorstellung abgesagt), wie sehr es dem Haus besonders
in diesem Fach an wirklich erstklassigen Sängern mangelt (die "Aida" ist
noch in unguter Erinnerung). Bothas voluminöser, dabei immer wieder erstaunlich
lyrisch eingesetzter Tenor scheint rein technisch kaum Probleme zu kennen,
er kann sich also voll aufs Musikalische konzentrieren. Und da ist es
schon faszinierend, zu welchen Piani seine inzwischen beim Tannhäuser
angekommene Stimme noch fähig ist. Überraschend auch, wie viel Eleganz
er dem Beginn des Trinkliedes verleihen kann. Daß die Fortehöhen ab und
an den Rahmen des beim Turiddu üblichen sprengen, tut der Sache keinen
Abbruch, zumal er sehr textbezogen phrasiert und auch ausgesprochen gut
zu verstehen ist. Da der Fall bei Violetta Urmana sehr ähnlich gelagert
ist, ergänzten sie sich ideal, zwei Künstler, die auch im Verismo nicht
auf Gesangskultur verzichten wollen.
Insofern
wirkte der Alfio von Marco VRATOGNA (der alle drei Abende für Thomas J.
Mayer übernommen hatte) mit seiner kaum vorhandenen Legatofähigkeit, dem
rauhen Timbre und der optischen Attitüde des Brunnenvergifters wie ein
Fremdkörper, obwohl er vermutlich eher der landläufigen Vorstellung von
"Verismo" entsprach. Cristina DAMIAN war eine ausgesprochen schönstimmige
Lola, und Renate SPINGLER ergänzte solide als Mamma Lucia, wobei ich die
Absage von Olive Fredricks hier wirklich bedauert habe, da ich ihr als
einzig Verbliebener von der Premiere 1988 den nochmaligen Auftritt in
diesem Rahmen wirklich gegönnt hätte.
Nach
der Pause ging es dann "normaler", sprich musikalisch deutlich handfester
zu, ohne daß es dabei zu überzogenen Drückern oder dramatischem "Getue"
gekommen wäre. Botha gestaltete den Canio mit seinem inzwischen dort deutlich
besser aufgehobenen Organ als hilflosen Teddy, dem die Imagination der
eigenen Welt abhanden kommt; eine wirklich tragische Figur, der er anrührende
- wieder ganz aus der Linie kommende - Töne verlieh, und die auch seinen
Möglichkeiten als Darsteller mehr zu liegen scheint.
Alexia
VOULGARIDOU sang eine ungewöhnlich kraftvolle, gleichwohl in den Koloraturen
des Vogelliedes blitzsaubere Nedda mit guter Phrasierung und leichten
Höhenschärfen; eine Frau, die weiß, was sie will - und vor allem nicht
will... Der ob mangelnden Volumens hart an der Grenze zur Nichtexistenz
agierende Victor RUD hätte im Falle der geglückten Flucht vermutlich kräftig
unter dem Pantoffel gestanden.
Marco
VRATOGNA schlug sich im Prolog nach einem kräftigen Schmiß gleich zu Beginn
ausgesprochen achtbar und prunkte mit nach dem Alfio so nicht vermuteten
Top-Höhen. Und als "Schurke vom Dienst" ist er beim Tonio auch richtig
besetzt, ein Fiesling, der Neddas Ablehnung verstehen läßt. Als sympathischen
Gegenpart der Schauspiel-Truppe gab Jun-Sang HAN den Beppe, dem er obendrein
eine mit schöner Tongebung aufgewertete Harlekin-Serenade angedeihen ließ.
HK
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