Wer
in den frühen siebziger Jahren eine Repertoireaufführung der "Aida" besuchte,
der konnte mit etwas Glück neben Gaststars wie Martina Arroyo, Leontyne
Price und Flaviano Labo, Grace Bumbry oder dem Ensemblemitglied (!) Placido
Domingo auch Martti Talvela als Ramphis UND Kurt Moll als König hören.
Die Neuproduktion 1980 brachte - neben einer missglückten Inszenierung
- das wunderbar durchhörbare Dirigat von Giuseppe Sinopoli und mit Arroyo/Obraztsova/Cossutta/Wixell
eine glanzvolle Besetzung. Die Inszenierung durch John Dew 1993 glückte
ebenfalls nicht recht und bot sängerisch deutlich weniger, als wir es
bis dahin gewohnt waren.
Und
nun also zum viertenmal "Aida" in vierzig Jahren, wobei man zum einen
über die permanente Ideenlosigkeit der Intendanz im Normalrepertoire nur
den Kopf schütteln kann (hier werden vornehmlich Stücke erneut aufgelegt,
die es ohnehin immer wieder gegeben hat), und zum anderen leider feststellen
muß, daß die Angelegenheit in diesem Fall auch noch so überflüssig wie
ein Kropf ist, weil weder szenisch noch musikalisch Überzeugendes stattfindet.
Regisseur
Guy JOOSTEN hat alles pseudoägyptische Brimborium verbannt und sich auf
die Dreiecksgeschichte Aida-Radames-Amneris und ihr Verhältnis zum gesellschaftlichen
Umfeld konzentriert. Soweit - so gut; nur leider gelingen ihm kaum zwingende
Momente. Das vielfach weit nach hinten geöffnete Bühnenbild von Johannes
LEIACKER wird drei Akte lang von einem großen Bett als Sinnbild des Privaten
dominiert. Zum Vorspiel treiben es Aida und Radames vermutlich unter dem
Laken, die Optik entspricht allerdings eher der kindlichen Vorstellung
eines Nachtgespenstes. Die von Beginn an alkoholkranke Amneris (wenn man
sauer ist, zeigt sich das durch Gläserschmeissen) nutzt es zu Beginn des
zweiten Aktes zwecks Manifestierung ihres Anspruchs und irgendwann läuft
jeder mal (vorzugsweise in Schuhen) darauf herum, womit die möglicherweise
brauchbare Idee in der Beliebigkeit versandet. Obendrein erweist sich
die Lagerstatt bei den Massenszenen als ausgesprochen hinderlich.
Der
erste Auftritt von König und Chor wird irgendwo links in die Ecke verbannt
und verpufft wirkungslos. Und das sich zwangsläufig vorzugsweise dahinter
gruppierende Finale II ist in seiner Mischung aus Heimkehrerglück und
trauernden Witwen der Gefallenen zwar als Ansatz gut, wirkt aber leider
ebenfalls wenig stringent in der Personenführung. Wirkung zeitigt eigentlich
nur der 4. Akt. Die unter der allgegenwärtigen Oberaufsicht des als eine
Art Militärbischof gewandeten Ramfis (Kostüme Jorge JARA) stattfindende
Auseinandersetzung zwischen Radames und Amneris erscheint dramatischer
als der ganze Rest. Und das letzte Bild, ein sich in die scheinbare Unendlichkeit
verlierender, hoher weißer Gang ist schon optisch ausgesprochen eindrucksvoll.
Und auch die Idee, Amneris dort als Dritte neben dem Liebespaar ihr Leben
mittels Gift aushauchen zu lassen. überzeugt.
Überzeugend
sind hier auch die Sänger, denn Latonia MOORE (Aida) und Franco FARINA
(Radames) gestalten die Schlußszene sehr differenziert und mit etlichen
wundervollen Pianissimi in der Höhe, bei denen man beim Tenor überlegt,
ob er nicht besser im lyrischeren Fach geblieben wäre, da das Organ zuvor
erst ab dem 3. Akt die nötige Attacke und den dramatischen Kern in der
Höhe vorzuweisen hat. Vor der Pause klingt es doch häufig auf Durchkommen
gesungen, ausdrucksarm, dynamisch kaum variabel und in der Intonation
mehr als einmal unsicher. Leider macht letzteres Problem auch Latonia
Moore die ersten zwei Akte erheblich zu schaffen, was schade ist, weil
sie nicht nur über eine wirklich großkalibrige Verdi-Stimme verfügt, sondern
diese auch variabel einzusetzen versucht. Wirklich erfolgreich ist sie
damit allerdings erst im 2. Teil, die Nilarie hat Linie und ein sicheres
C, und in den nachfolgenden beiden Duetten ist sie ihren Partnern an schierer
Stimmpracht glatt überlegen.
In
puncto Gesangskultur ist ihr Andrzej DOBBER (Amonasro) allerdings mindestens
gleichwertig. Das ist technisch und stilistisch grundsolide und erfreulicherweise
ohne die in der Rolle so häufig zu hörenden Kraftakte gesungen, Verdi
wie er sein sollte - und an diesem Abend oft genug nicht ist, da gleich
zwei Partien an der rein stimmlichen Überforderung ihrer Sänger scheitern.
Der
Ramfis von Diogenes RANDES klingt viel zu leichtgewichtig und hell, um
die nötige Autorität zu vermitteln; und Laura BRIOLI singt die Amneris
zwar in Cossotto-Manier mit möglichst breiter Stimmführung und hochgezogenem
Brustregister, besitzt aber nicht das Organ, um damit an einem großen
Haus zu reüssieren. Es klingt nur einförmig und kleinformatig. Wilhelm
SCHWINGHAMMER ist der unauffällig ordentliche König, und auch Jun-Sang
HAN (Bote) und Kari POSTMA (Priesterin) reihen sich dort ein.
Zusammengehalten
wurde das Ganze mehr oder - häufig - weniger von Carlo MONTANARO, dem
ich nach dieser unpräzise durchgehudelten Vorstellung möglichst nicht
wieder begegnen möchte. Schon das schwammig klingende Vorspiel ließ keine
Freude aufkommen, was danach kam war in seiner oft genug sinnlosen, über
klangliche Delikatessen und dramatische Steigerungen gleichermaßen achtlos
hinweggehenden Schnelligkeit, zu der sich im ORCHESTER immer wieder einmal
merkwürdig harmoniefremde Töne gesellten, schlicht ärgerlich. Der dirigierenden
Intendantin ins Stammbuch: das Niveau eines Hauses bemißt sich auch danach,
wen man bei "fremddirigierten" Premieren neben sich duldet.... Kein Wunder,
daß auch der Chor, der ja merkwürdigerweise meist dann gut singt, wenn
er auch szenisch gefordert wird, unter den Umständen deutlich unter Niveau
blieb. HK
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