Während
der Premiere der neuen "Aida"-Produktion und in den Tagen danach befanden
wir uns im Urlaub. Nach unserer Rückkehr wurde uns von geradezu euphorischen
Kritiken in Presse und TV berichtet, die für restlos ausverkaufte Vorstellungen
sorgten. Entsprechend hoch waren die Erwartungen, als es gelang, für die
fünfte Vorstellung noch Karten zu ergattern.
Leider
stellt sich die große "Warum waren die Kritiken so euphorisch?"-Frage.
Hierfür war nämlich schwerlich ein Grund zu erkennen. Die Inszenierung
von Guy JOOSTEN belanglos zu nennen, würde ihr zuviel der Ehre antun.
Es gibt diverse Versatzstücke, die man woanders schon gesehen hat (der
Triumphakt als Cocktailparty, die Priester als Vertreter der Kirche, den
Auftritt des Boten als Propagandainszenierung), nur wurden sie da besser
dargeboten.
Fast
permanent befindet sich ein Bett auf der Bühne (Bühnenbild Johannes LEIACKER),
in dem sich zu Anfang Aida und Radames wälzen, bis dann alle weiteren
Figuren ungehindert in dieses Zimmer marschieren. Ich würde ja mal über
Türen nachdenken. An den Wänden befinden sich Projektionen von Ameisen
(oder auch Termiten?), deren Anwesenheit sich überhaupt nicht erschließt.
Die Bühne ist vorrangig weiß, was den Augen nicht wirklich dauerhaft hilft,
die Kostüme (Jorge JARA) sind bei den Herren meist Uniformen, bei den
Damen Abendgarderobe, was von mangelnder Originalität zeugt.
Daß
Amneris am Ende der Gerichtsszene eine Überdosis Tabletten mit Alkohol
herunterspült und zum Finalduett dann verreckt, ist immerhin ein diskutabler
Einfall, provoziert jedoch unweigerlich den Kommentar, ob sie das szenische
Elend wohl auch nicht mehr ertragen konnte.
Dirigiert
wurde der Abend von Carlo MONTANARO, eine nur als vergessenswert zu bezeichnende
Leistung. Da fehlten Akzente, alles vermischte sich zu einem beliebigen
langweiligen Einheitsbrei, bei dem das ORCHESTER auch noch ein ums andere
Mal danebengriff. Daß Montanaro auch nächste Saison die "Aida" leiten
wird, dürfte ein weiteres Hindernis sein, sie sich noch einmal anzusehen.
Die
Plazierung der "Aida"-Trompeten im vierten Rang ist für das dort sitzende
Publikum ein Ärgernis, denn sie sind nicht einfach nur unerträglich laut,
so daß man um seine Trommelfelle fürchten muß, sondern liegen auch teilweise
arg daneben. Es wäre auch angebracht, wenn die Musiker nach ihrem Auftritt
sich nicht unbedingt zwischen den Logen aufhalten würden, um sich lautstark
zu unterhalten.
Der
CHOR unter Leitung von Florian CSIZMADIA schlug sich einigermaßen wacker;
ich habe die Herrschaften aber auch schon engagierter und homogener gehört.
Latonia
MOORE in der Titelrolle waberte sich lediglich nur durch die Partie. Ihre
Stimme hat sicherlich eine beträchtliche Größe, nur kann sie damit überhaupt
nicht umgehen. Sie bekommt die Stimme einfach nicht unter Kontrolle, insbesondere
gelingt es ihr kaum einmal, die Stimme ausreichend zurückzunehmen. In
der Höhe wird sie dann auch noch schrill. Franco FARINA als Radames bot
etliche grelle Töne, deutliche Zeichen einer stimmlichen Überforderung,
ein Vibrato, durch das ein altägyptischer Streitwagen paßt, und keinerlei
Auseinandersetzung mit der Figur. Das Schicksal von Radames war einem
bestenfalls gleichgültig.
Laura
BRIOLI als Amneris war mit einer Erkältung angesagt, so daß hier eine
weitergehende Kritik sich eigentlich verbietet. Man kann allerdings sagen,
daß sie von den drei Hauptpartien noch am ansprechendsten klang, zumal
sie trotz der Tatsache, daß sie von der Regie einfach nur platt als Alkoholikerin
gezeichnet war, immerhin versuchte, die Rolle zu interpretieren.
Ramfis
Diogenes RANDES stellte eine klassische Fehlbesetzung dar. Ihm stehen
einfach die Stimmfülle und drohende Tiefe, die für diese Rolle vonnöten
ist, nicht zur Verfügung. Daß dieser Priester die wahre Macht im Staate
sein soll, erschließt sich überhaupt nicht. Der Bote Jun-Sang HAN und
die Priesterin Kari POSTMA erledigten ihre kurzen Aufgaben immerhin ordentlich.
Eigentlich
gab es nur zwei wirkliche Lichtblicke, und das waren die beiden gegnerischen
Könige, die zudem in der Triumphszene auch noch ein darstellerisches Highlight
boten, während sie sich mit Blicken abschätzten. Andrzej DOBBER war als
Amonasro in jeder seiner zwei Bilder präsent. Er verwechselte Singen auch
nicht, wie dies ja leider in dieser Rolle vorkommt, mit Brüllen, sondern
differenzierte wunderbar, nahm die Stimme zurück, wenn es nötig erscheint,
den Gegenüber zu umschmeicheln. Der ägyptische König war Wilhelm SCHWINGHAMMER,
den man sich auch als Ramfis hätte vorstellen können. Er bot tadellosen
Gesang, gepaart mit durchdachtem Spiel.
Wenn
in einer "Aida" tatsächlich Amonasro und Il Re die einzig bemerkenswerten
Momente haben, ist ganz offensichtlich irgend etwas ganz grundsätzlich
falsch gelaufen. MK
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