Die
Staatsoper Hamburg gönnte sich im Januar 2010 einige rein aus dem Ensemble
besetzte Vorstellungen, die sich an diesem Abend mit jeder mit Gästen
gespickten Galavorstellung messen konnte. Nur die Anna mußte kurzfristig
wegen Erkrankung der vorgesehenen Sängerin aus Berlin importiert werden.
Entgegen
anders lautenden Gerüchten bringt das Ensemble übrigens nicht nur hochtalentierte
Koloratursoprane und Bässe hervor, sondern kann sich auch in anderen Stimmgattungen
hören lassen. Wie gut die Vorstellung war, läßt sich schon daran ablesen,
daß meine Begleiterin, die nicht wirklich eine große Mozart-Verehrerin
ist, nach der Vorstellung sofort noch einmal gehen wollte…
Der
Abend hätte ein ganz großer werden können, wäre nicht der Dirigat von
György G. RÁTH gewesen, das teilweise das Stück kaum wiedererkennen ließ
ob der gewählten Tempi, dynamischen Abstufungen zwischen laut und sehr
laut und spannungslosen Passagen. Da auch die PHILHARMONIKER HAMBURG einen
rabenschwarzen Tag mit Verspielern en gros erwischt hatte, war das, was
aus dem Graben kam, der unerfreulichste Teil des Abends. Der CHOR (Leitung:
Florian CSIZMADIA) hingegen machte seine Sache gut.
Die
Produktion von Pet HALMEN (auch Ausstattung) ist nach wie vor praktikabel,
wenn auch nicht besonders aufregend. Ein großer Effekt ist allerdings
Giovannis Höllenfahrt, bei der er vom Billardtisch verschlungen wird.
Eigentlich gibt es keinen Grund, einem Giovanni wie Lauri VASAR dies anzutun.
Er singt mit gut fokussiertem, angenehm timbrierten Bariton, weiß zu phrasieren
und sich zu bewegen. Im Laufe des Abends entwickelte er sich darstellerisch
von eher handfester zu salonmäßiger Verführungskunst. Lediglich sein Umgang
mit Queue und Kugel ist deutlich verbesserungsfähig. Es kann nur als Notwehr
betrachtet werden, daß der Tisch sich öffnete.
In
der Rolle des Leporello hat Wilhelm SCHWINGHAMMER eine neue Glanzpartie
gefunden. Er singt die Rolle ohne Probleme, mit hübschen, spontan wirkenden
Einfällen und vermochte sich im Laufe des Abends sogar noch zu steigern.
Mit der Zeit dürfte auch die Registerarie noch das letzte Quentchen Raffinesse
erhalten. Ausgesprochen positiv ist festzustellen, daß der Kostümwechsel
glaubhaft war. Als Commendatore war Alexander TSYMBALYUK eingesprungen
und gab damit sein um drei Wochen vorgezogenes Debüt in der Partie. Selbst
wenn man den steinernen Gast in dieser Produktion nicht wirklich zu sehen
bekommt, war er mit großer Stimme und bedrohlichen Akzenten überaus präsent.
Anna
SAMUIL, der einzige und erst am gleichen Tag eingesprungene Gast, die
sich dennoch nahtlos ins Ensemble fügte, lief zu keiner Sekunde Gefahr,
aus ihrer Namensschwester eine Trauerweide zu machen. Da befand sich eine
entschlossene Frau auf der Bühne, die weiß, was sie will. Sie ist den
Koloraturen mehr als gewachsen und schafft es, auch noch dem virtuosesten
Lauf mit Leben zu füllen, anstatt ihn nur technisch zu bewältigen. Katja
PIEWECK war als Elvira mehr als temperamentvoll und eine echte Gegnerin
für Giovanni. Und was für eine stimmliche Beherrschung der Partie, ohne
dabei die Intensität zu vernachlässigen. Mehr große Rollen für diese Sängerin
bitte!
Hee-Saup
YOON hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Sein Masetto
ist von stimmlichem Potential und der Darstellung her weit mehr als ein
tumber Bauer, sondern weist auf mehr hin. Zerlina wurde von Vida MIKNEVICIUTE
aus dem Opernstudio verkörpert. Man glaubte ihr jederzeit, daß unter dem
braven Kostüm sich eine junge Frau verbirgt, die es faustdick hinter den
Ohren hat. Neben dem Mezzo von Elvira und dem leidenschaftlichen Sopran
Annas bildete ihre zartere, lyrischere Stimme einen reizvollen Kontrast.
Welche
Sängertalente im Opernstudio vorhanden sind, bewies vor allem Dovlet NURGELDIYEV,
dessen Gaston in "Traviata" uns im Dezember schon aufmerksam werden ließ.
Sein Ottavio übertraf die schon recht hohen Erwartungen bei weitem. Ich
habe lange keinen jungen Sänger von solcher stimmlicher Sicherheit, Reife
in der Phrasierung und zudem guter Bühnenerscheinung erlebt, der außerdem
auch noch überein schönes Timbre verfügt. Es ist davon auszugehen, daß
dieser Tenor in nicht allzu ferner Zukunft auch auf anderen großen Bühnen
zu hören sein wird. MK
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