Die
Hamburger Kammeroper, die gerne mal Raritäten wie "La Bohème" von Leoncavallo
oder den "Blitz" von Halevy ausgräbt und bekömmlich sowie in teils beachtenswerter
Qualität aktualisiert, verläßt sich in dieser Spielzeit auf Altbewährtes.
Den Anfang machte die Wiederaufnahme vom "Don Giovanni". Die Spielzeit
endet mit einem neuen "Freischütz". Die zweite Neuproduktion bildete der
"Liebestrank".
Es
wurde wie immer eine hauseigene deutsche Textfassung von Barbara Hass
angefertigt, die an die Inszenierung angepaßt und sehr singbar ist.
Der
Tänzer, Sänger, Schauspieler und Choreograph Ferdinando CHEFALO führte
Regie. Er läßt das Werk in einer Bar (Bühnenbild: Kathrin KEGLER) in der
Gegenwart spielen. Dulcamara ist entsprechend der Barkeeper, der das Geschehen
lenkt, die restlichen Akteure sind seine Gäste. Das Grundkonzept ist durchaus
praktikabel, viele Ansätze interessant, wenngleich die Naivität der Personen
angesichts der Aktualisierung schon fast lächerlich zu nennen ist... Wer
glaubt denn heutzutage noch an Liebestränke? Die Beweggründe für Adina,
Nemorinos Schmachten nicht stattzugeben, sind sehr schlüssig: Ihre Beziehungen
sind (aus ihrer Sicht) immer an ihrer Unfähigkeit gescheitert, was sie
Nemorino nicht antun will. Allerdings krankt die Inszenierung daran, daß
der Regisseur viel zu viel will, und daß nicht immer klar ist, was er
eigentlich genau will. Nebenbei bemerkt: In welchem Land werden oder wurden
eigentlich Todesanzeigen mit expliziter Nennung des Alleinerben an eine
Wand gekleistert???
Die
Idee, alles als Theater im Theater zu machen, ist teilweise gut umgesetzt,
nervt aber sehr schnell, da alles in die Länge gezogen wirkt. Ein echtes
Ärgernis ist der zweite Akt. Während im ersten nur behutsam gestrichen
wurde, kam das Ende viel zu plötzlich, so daß von einem Handlungsloch
zu sprechen pure Untertreibung wäre. Insgesamt wird eine um eine gute
halbe Stunde amputierte Version gespielt!
Mit
Pamela HEUVELMANS stand eine Adina zur Verfügung, der es nicht immer gelang,
die Töne zu treffen, und die Koloraturen hat man auch schon mal sauberer
gehört. Dafür lieferte sie eine solide darstellerische Leistung ab. Bedeutend
schlimmer war es um Simó Pere CAMPOS I MICÓ bestellt. Sein dünner, uninspirierter
Tenor offenbarte gravierendste technische Mängel. Insbesondere im "Una
furtiva lagrima" kiekste er bei nahezu jedem hohen Ton und schluderte
bei den Läufen.
Der
Belcore lag bei Michael MÜLLER-DEEKEN in sehr guten Händen. Er spielte
und sang mit einer charmanten Arroganz, so daß man sich fragte, warum
Adina ausgerechnet auf diesen blassen Nemorino abfährt. Daß Joo-Anne BITTER
nicht mit der weiblichen Hauptpartie betraut wurde, kann ich mir nicht
erklären. Sie nennt einen großen, angenehm runden Sopran ihr Eigen und
spielt sehr ambitioniert. Schade, daß die Rolle nur so kurz ist... Ich
hoffe, daß bald mehr von ihr zu hören ist, die ja schon eine sehr gute
Donna Anna war.
Die
Tatsache, daß die Aufteilung des Dulcamara in einen Schauspieler und einen
Sänger mit dem Rollennamen "Olli Schmidt", der auch irgendwie mitspielt
- warum auch immer, nicht zu einer komplett nervigen Peinlichkeit verkommt,
ist v. a. auf den charmant-nonchalanten Schalk des Mimen Ralf HUTTER zurückzuführen,
dessen kommentierende Blicke mehr als tausend Worte sagten. Der Gesangspart
wurde von Ryszard KALUS solide verkörpert, wenngleich ihm die Durchtriebenheit
der Rolle abging. Er ist offenbar im komischen Fach besser aufgehoben,
als im ernsten.
Nach
minimalen Anfangsschwierigkeiten fand der neue musikalische Leiter der
Kammeroper Fabian DOBLER, der auch die musikalische Bearbeitung verantwortete,
mit dem sechsköpfigen ORCHESTER zu einer soliden Leistung, die jedoch
mit einem Finale endete, das ganz kurz vor einem Schmiß stand. Insgesamt
wäre vielleicht gerade bei einer solch kleinen Besetzung ein etwas pointierterer,
kantigerer Stil wünschenswert. Man
darf gespannt sein, wie sich der Freischütz (insbesondere die Wolfsschluchtszene!)
anhören wird... WFS
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