"Endlich!"
war mein erster Gedanke, als Marina POPLAVSKAYA ihre ersten Noten sang.
Nach diversen Vorstellungen, in denen Violetta mit eher piepsigen Koloratursopranen
besetzt war, war hier eine dunkeltimbrierte, eher ins spinto-Fach weisende
Stimme zu hören. Selbst im ersten Akt, in dem dramatischere Stimmen häufig
zu kämpfen haben, war sie der Partie vollständig gewachsen. In den dramatischen
Ausbrüchen waren keine Grenzen zu hören, in den lyrischen Momenten zeigte
sie eine Tiefe in der Interpretation, die zu berühren vermochte. Dazu
kam eine durchdachte Darstellung, die Violetta tatsächlich durchgehend
als kranke Frau zeigt, welche versucht, sich durch die Liebe zu Alfredo
ans Leben zu klammern. Frau Poplavskaya wurde schon nach dem ersten Akt
beim Vorhang verdientermaßen förmlich vom Applaus von der Bühne gefegt,
was sich dann am Ende noch einmal steigerte.
Andrzej
DOBBER benötigte einen kurzen Moment, um sich in der Rolle von Germont
zurechtzufinden, doch dann bot er alles, was in dieser Partie wünschenswert
ist: eine endlos strömende Stimme mit den richtigen Akzenten, arrogantes
Auftreten, heimliches Beeindrucksein von Violettas Haltung, Härte gegenüber
seinem Sohn und ein Wechseln zu ungewohnter Wärme, wenn er von seiner
Tochter singt. Das Duett Violetta/Germont war an diesem Abend der wahre
Höhepunkt.
Leider
ganz und gar nicht auf diesem Niveau war Dario SCHMUNCK als Alfredo. Die
Stimme war eindeutig zu klein für das große Haus und zwei Partner vom
Format der Vorgenannten. Gelegentlich war man der Ansatz einer gut phrasierten
Passage zu hören, die jedoch gleich darauf wieder in heftiges Forcieren
überging. Zudem war auch darstellerisch hier nichts wirklich zu erkennen,
was auch nur ansatzweise die stimmliche Leistung aufgewogen hätte.
Ob nicht das junge Opernstudio-Mitglied Dovlet NURGELDIYEV als Gastone
der bessere Alfredo gewesen wäre? In seinen wenigen Phrasen klang er jedenfalls
gesünder und präsenter als Schmuck.
Aus
den weiteren kleineren Rollen ragte - wieder einmal - Katja PIEWECK als
Annina heraus, Hee-Saup YOON als Grenvil, Kyung-Il KO als Marquese, Maria
MARKINA als Flora, Peter VEIT als Commissionario und Ziad NEHME als Giuseppe
ergänzten auf hohem Niveau, während Douphol Dieter SCHWEIKART und Steven
DORN GIFFORD (Diener bei Flora) unauffällig blieben.
Simone
YOUNG und die PHILHARMONIKER HAMBURG wirkten beim Aufgehen des Vorhanges
irgendwie unkonzentriert, was sich jedoch spätestens nach der ersten Pause
gegeben hatte. Ab da war ein straff dirigierter, auch an langsamen Stellen
nie spannungsarmer Verdi zu hören. Vielleicht etwas zuviel Rücksicht nahm
das Dirigat auf den Tenor; wäre das Orchester an einigen Stellen noch
mehr zurückgenommen worden, hätte man auch dieses nicht mehr gehört.
Selbst
in der 247. Vorstellung von Folke ABENIUS' Inszenierung aus dem Jahre
1975 erntet das erste Bild beim Aufgeben des Vorhanges noch eine freudige
(erleichterte?) Reaktion des Publikums. MK
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