Mit
dem Thema Tod befaßten sich unter dem sinnvollen Titel "About Death" die
drei einaktigen Kurzopern aus dem 20. bzw. 21. Jahrhundert, die in der
Opera stabile (der Studio-Bühne der Hamburgischen Staatsoper) als Produktion
des in dieser Saison tollen Internationalen Opernstudios aufgeführt wurden.
Die
Regie führte bei allen auf Englisch aufgeführten Stücken Petra MÜLLER.
Die Regie ragte bei keinem großartig heraus, sondern fügte sich sehr homogen
in die jeweiligen Stücke ein. Die Bühne bestand aus einem Podest, das
mit Kieselsteinen bedeckt war, in einer Ecke stand mit roter Leuchtschrift
"live". Im ersten Stück zierten rote Boxen die Bühne, im letzten ein Bett.
Über der Bühne schwebten lange Stäbe mit Leuchten am unteren Ende. Für
das Bühnenbild zeichnete Aida GUARDIA verantwortlich, ebenso wie für die
Kostüme.
Das
erste Stück "Death knocks" wurde von Christian Jost komponiert, der auch
das Libretto verfaßte. Die Grundlage bildet das gleichnamige Theaterstück
von Woody Allen. Es handelt sich um eine wundervoll skurrile Szene, in
der der Tod in Form einer jungen Frau auftaucht, die ihren ersten Job
ausführen will und von ihrem "Kunden", Nat Ackerman zu einer Partie Gin
Rommé um einen Tag Aufschub überredet wird. Der Tod verliert, und Nat
erhält weitere 24 Stunden.
Bedauerlicherweise
fehlt der Musik jegliches Gespür für die Szene. Ironie? Sarkasmus? Schwarzer
Humor? Fehlanzeige - alles wirkte bierernst. Die ernsten Passagen gelingen
schon ernst, allerdings versanden diese ohne Fallhöhe des Humors in beliebiger
moderner Einheitsmusik, die mit einigen Jazzelementen versetzt wurde.
Ob Jost die Szene verstanden hat? Ob ich Jost verstanden habe?
Katerina
TRETYAKOVA konnte als rollenkonform leicht überforderter und verwirrter
"Death in person" mit sehr gut sitzendem Sopran und guter darstellerischer
Leistung die durchweg positiven Eindrücke bestätigen, die sie im großen
Haus hinterlassen hat. Ihren "Kunden" sang Dominik KÖNINGER, der dem schon
fast gleichgültig wirkenden Charakter stets gerecht wurde.
Bezüglich
der Regie hätte ich mir hier eine kleine Anziehung der beiden Charaktere
gewünscht.
Die
HAMBUGER PHILHARMONIKER unter der Leitung von Alexander SODDY, die in
jedem Stück in Kammerbesetzung auftraten, meisterten die doch recht komplexe
Aufgabe sehr souverän.
Das
beste Stück war für mich "Savitri" von Gustav Holst. Er vertonte eine
Episode ("Savitri und Satyavan") aus dem indischen Epos "Mahabharata".
Es geht um Savitri, dessen Ehemann, der Holzfäller Satyavan, stirbt. Auf
Bitten seiner Frau macht der Tod dieses jedoch wieder rückgängig.
Musikalisch
schafft Holst, der durch seine "Planeten" (insbesondere "Jupiter") Stammgast
bei allen Orchestern und Radiostationen dieser Welt ist, eine sehr ruhige,
lyrische, ja fast poetische Atmosphäre zu kreieren, die dem Inhalt sehr
gerecht wird. Einflüsse indischer, bzw. fremdartiger Musik läßt er nur
sehr behutsam einfließen.
Dovlet
NURGELDIYEV (Satyavan) bot eine herausragende Leistung. Sein Tenor beeindruckt
mit einem herrlichen Schmelz. Vida MIKNEVICIUTE Savitri fiel durch eine
sehr intensive Gestaltung und ebensolchen Gesang höchst positiv auf. Einzig
der "Death" von Ryszard KALUS, seines Zeichens ehemaliges Opernstudiomitglied,
konnte mich nicht so recht überzeugen. Mir fehlte das bedrohliche Element
und vor allem die Rollenentwicklung.
Der
"Chorus of female voices" (Go-Eun LEE, Katerina FRIDLAND, Aviva PINIANE,
Juhee MIN) sang seine Vokalisen solide. Anna SKRYLEVA leitete das Orchester
mit souveräner Hand.
Den
Abschluß bildete "A Gentle Spirit" von John Tavener (Text Gerard McLarnon),
die einzige Oper, in der der Tod nicht persönlich auftaucht und die einzige
Oper, in der er triumphiert. Die Oper basiert auf der Erzählung "Die Sanfte"
von Dostojewski. Es dreht sich um ein junges verarmtes Mädchen, das einem
Pfandleiher all ihren Besitz veräußert, um ihn mit der Mitgift nach ihrer
Heirat mit einem Trinker wieder einzulösen. Der Pfandleiher, ein in kompletter
Isolation lebender "Deserteur" (er konnte einen vermeintlichen Gegner
aus einem Gewissenskonflikt heraus nicht erschießen), bietet ihr an, sie
zu ehelichen. Er unterwirft sie und zwingt sie zu schweigen. Sie verfällt
in einen Fieberwahn und begeht Selbstmord.
Der
eigentliche Aufhänger des Stücks ist, ebenso wie in der Erzählung, daß
der Mann an der Leiche seiner Frau sitzt und sich erinnert. Ein in der
Oper stets wiederkehrendes Motiv ist das per Tonband eingespielte und
ständig repetierte "Let my soul live", was den Wahn des Pfandleihers unterstreicht.
Auch
wenn Taveners stark atonale Musik vielleicht zum Gemütszustand und zur
Geschichte an sich paßt, kann ich mich nach wie vor nicht mit dieser Art
von Musik anfreunden. Insbesondere einige Koloraturen erschienen mir höchst
unmotiviert...
Markus
PETSCH (der zweite Gast nach Kalus) meisterte die ungemein anspruchsvolle
Partie des "Man" sehr souverän. Sehr vermochte seine Darstellung beeindrucken.
Den "Spirit of Girl" verkörperte Trine W. LUND äußerst solide. Ich hatte
jedoch den Eindruck, daß die Sänger in ein sehr mächtiges "Korsett" eingeschnürt
wurden und aus den Rollen nicht allzuviel machen konnten.
Wie
in "Death knocks" leitete Alexander Soddy das durch sehr viele und eigenartige
Perkussionsinstrumente verstärkte Orchester mit sicherer Hand. WFS
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