Benjamin
Brittens letzte Oper wurde in der Inszenierung von Ramin GRAY heftig akklamiert.
Das Bühnenbild von Jeremy HERBERT ist karg, Venedig-Assoziationen finden
nur da statt, wo sie unvermeidlich sind, die Kostüme (Kandis COOK) sind
kleidsam und bleiben eher unauffällig. Eine leere Bühne muß allerdings
auch gefüllt werden, und dies gelingt nicht immer ganz. Dieses Sehnen
Aschenbachs nach Tadzio kommt nicht mit aller Konsequenz beim Publikum
an, irgendwo fehlte es an der Nachvollziehbarkeit von Aschenbachs Gefühlen.
Hier wäre etwas mehr seitens der Regie notwendig gewesen.
Stimmungsvoll
hingegen waren die durch die beiden Windmaschinen erzielten Effekte, die
Hebebühne in der Mitte, die benutzt wurde, um eine Gondel darzustellen
oder um sich von dem Treiben abzusetzen, und vor allem die in mehreren
Kreisen angeordneten Vorhänge als Symbol der vielen Gassen der Stadt,
in denen man leicht verloren gehen kann; in jeder Bedeutung des Wortes.
Die
alles beherrschende, siebzehn Szenen fast ununterbrochen auf der Bühne
befindliche Hauptfigur Gustav von Aschenbach ist eine monströse Partie.
Michael SCHADE steht sie durch, er ist ihr in jeder Sekunde stimmlich
gewachsen. Es gelingt ihm auch, den Verfall, das Sehnen, die Zweifel mit
der Stimme hörbar zu machen. Darstellerisch fehlten hier einige Nuancen;
es ist schwer zu sagen, ob dies dem Sänger oder der Regie anzulasten ist.
Die
diversen Verkörperungen des Travellers wurden von Nmon FORD gesungen.
Der schon in "Billy Budd" und "A Midsummer Night's Dream" aufgetretene
Bariton zeigt mit angenehmer von Falsetthöhen bis zu den Tiefen gleichmäßig
gut klingender Stimme und einer schon unverschämt attraktiven Physis,
daß er ein echter Widerpart der Hauptrolle darstellt.
Als
Tadzio war der sechszehnjährige Tänzer der Ballettschule des Hamburg Ballett
Gabriele FROLA zu sehen. Er zeigte für sein jugendliches Alter eine bereits
beeindruckende Bühnenpräsenz und Haltung, so daß durchaus nachvollziehbar
war, daß er Aschenbachs Aufmerksamkeit erregte.
David
DQ LEE sang die Stimme des Apollo aus luftigen Höhen sicher und ohne den
manchmal für mich irritierenden Klang, der einigen Countern zu eigen ist.
Die
vielen kleinen Rollen werden allesamt auf hohem Niveau gesungen. Miriam
GORDON-STEWART, Trine W. LUND, Daniela KAPPEL, Eleonora WEN, Ulrike GOTTSCHICK,
Deborah HUMBLE, Mariusz KOLER, Seong-Woog CHOI, Kyung-Il KO und vor allem
Vida MIKNEVICIUTE, Benjamin HULETT, Moritz GOGG, Jun-Sang HAN, Hee-Saup
YOON und Wilhelm SCHWINGHAMMER bewiesen die Leistungsfähigkeit des Hamburger
Ensembles. Lobend erwähnen muß man auch die Darsteller der Kinder und
den CHOR (Leistung: Florian CSIZMADIA).
Simone
YOUNG hat eine Affinität zu Brittens Musik, das konnte man schon in den
vorherigen Produktionen erkennen. Sie atmet die Musik förmlich mit. Mit
den PHILHARMONIKERN HAMBURG schafft sie ein durch hörbares, nie langweiliges
Porträt des Spätwerkes, immer voller Rücksicht auch die Sänger. MK
P.S.:
Frage in der Pause: "Woran erkennt man, daß in Hamburg Britten gespielt
wird?" - "Jemand wird vom Schnürboden herabgelassen und singt, und Nmon
Ford läuft barfuß über die Bühne…"
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