Kein
Premierenstreß samt "doppeltem Wotan", und auch die Umbesetzung fand so
rechtzeitig statt, daß ausreichend geprobt werden konnte - hervorragende
Voraussetzungen für eine "normale" Aufführung also, ganz im Gegensatz
zur Premiere im Herbst, die aufgrund des stimmlichen Ausfalls von Falk
STRUCKMANN (der nur spielte und von Thomas J. Mayer von der Seitenbühne
akustisch hatte gedoubelt werden müssen) eigentlich nur bedingt beurteilt
werden konnte.
Szenisch
war Struckmann auch ohne Ton damals die stärkste Persönlichkeit gewesen,
um so mehr war er es jetzt; mit enormem Volumen und ebensolchem Einsatz,
exzellenter Diktion und wohldurchdachter Phrasierung gab er einen zu Beginn
von sich selbst und seinem Tun höchst überzeugten Chef von einiger Arroganz,
ein "Macher" in Walhall (politische Assoziationen zu noch lebenden Personen
sind rein zufällig und ungewollt…), dem sein Werk unter der Realität zerbricht,
weil es auf Selbstbetrug aufgebaut ist - auch das ja durchaus aktuell.
Daß ihm beim mitunter schonungslosen Umgang mit der Stimme am Ende auch
ein paar Höhen wegbrachen, war eher ein Schönheitsfehler am Rande, da
er sich bewundernswert fing und selbst nach zwei schweren "Krachern" im
ersten Teil von Wotans Abschied noch zu einem schönen Piano für "Der Augen
strahlendes Paar" fähig war.
Erfreulicherweise
konnte Fricka ihm diesmal Paroli bieten. Lilli PAASIKIVI besaß nicht nur
doppelt soviel Stimme, sondern auch doppelt soviel Persönlichkeit wie
ihre Vorgängerin, so daß klar wurde, warum die Sache ausgeht wie sie ausgeht.
Als
Brünnhilde hatte man anstelle der absagenden Luana DeVol Catherine FOSTER
geholt, die den "Ring" bisher an ihrem Stammhaus in Weimar gesungen hatte.
Eine schöne Stimme mit leuchtender Höhe, die zwar lyrisch klingt, aber
einiges an Durchschlagskraft zu bieten hat. Tiefe und Mittellage sind
besonders im Piano noch ein bißchen kleinformatig für ein wirklich großes
Haus. Da sie hier aber nicht künstlich zu vergrößern sucht, sondern ganz
auf Linie und Stimmsitz singt, könnte sich das durchaus ändern. Man sollte
die Dame jedenfalls im Auge behalten.
Begonnen
hatte der Abend etwas zähflüssig, was zum einen mit Simone YOUNG zu tun
hatte, die nach einem fulminanten Sturm fast den gesamten ersten Akt in
lyrischer Breite zerfasern ließ, zum Teil kammermusikalisch schön im Klang,
aber ohne innere Spannung, so daß es vermutlich langsamer schien, als
es realiter war, weswegen die wenigen wirklich dramatischen Akzente wie
"Dich selige Frau" und "Siegmund heiß ich" plötzlich extrem rasch wirkten.
Auch später verwechselte sie ab und an Dramatik mit Tempo, etwa beim sinnlos
gehetzten Vorspiel des zweiten Aktes und Wotans Eintritt im dritten Akt.
Aber insgesamt war sie nach der ersten Pause doch ausgeglichener und mehr
auf den großen Bogen bedacht.
Das
zweite Problem ist die Szene. Ein Siegmund, der nicht mindestens 1,80
Meter groß, schlank und ein Temperamentsbolzen ist, ist im Parka und bei
den geforderten lahmen Bewegungen eigentlich als Figur schon erledigt,
bevor er den Mund groß aufmachen kann. Dabei sang Stig ANDERSEN gerade
den ersten Akt - abgesehen vom reichlich gestemmten "Wälsungenblut" -wirklich
gut, mit tadelloser Technik, angenehmem, relativ hellem, aber nicht grellen
Timbre, sehr wortdeutlich und gleichzeitig schön auf Linie. Die Stimme
ist keine "Röhre", aber sie kommt jederzeit gut über die Rampe, auch da,
wo es Probleme gibt, die sich im zweiten Akt in den tiefliegenden Passagen
der Todverkündung einstellten, der fast obligaten Schwachstelle aller
nicht baritonal grundierten Tenöre.
Nicht
recht klug bin ich aus Heidi BRUNNERs Sieglinde geworden. Im ersten Akt
versuchte sie offenbar, die Stimme in der tieferen Lage breiter zu machen
als sie ist, was nicht nur zu einem hörbaren Registerwechsel führte, sondern
auch zu Problemen mit größeren Intervallen nach oben, die häufig eine
Spur zu tief gerieten. Zudem hinterließen hier weder Timbre noch Phrasierung
bleibenden Eindruck. Im zweiten Akt gelangen ihr dann etliche wirklich
erfüllte, tonschöne lyrische Passagen, während sie im dritten dann an
Grenzen stieß, da war mancher höhere Ton nicht weit vom Schrei - wobei
der Totaleinsatz, den sie dabei bot, durchaus beeindruckend war.
Mikhail
PETRENKO wiederholte seinen intelligent gestalteten Hunding, mit dem er
herausholt was im szenischen Rahmen der Wohnsilo-Küche machbar ist. Für
ein "mehr" würde es auch in anderem Rahmen allerdings möglicherweise sowohl
an Schwärze als auch an schierer Power fehlen.
Als
ausgesprochen homogen klangschön erwiesen sich wieder die Walküren Miriam
GORDON-STEWART, Hellen KWON, Katerina TRETYAKOVA, Maria-Cristina DAMIAN,
Katja PIEWECK, Renate SPINGLER, Ann-Beth SOLVANG und Deborah HUMBLE. HK
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