Zugegebenermaßen
hätte ich nie gedacht, daß das mich überhaupt ein Werk von Richard Strauss
je musikalisch faszinieren würde. Inzwischen sind es zwei (Hallo wig!);
neben "Daphne", wo die DVD der Produktion aus Venedig der Auslöser war
und das erste Live-Erlebnis bevorsteht, nun eben "Frau ohne Schatten".
In
erster Linie ist dies auch Simone YOUNG und den HAMBURGER PHILHARMONIKERN
zu verdanken, deren instrumentale Interpretation nicht nur tadellos ist,
sondern auch ein perfektes, poetisches Klangerlebnis zaubert, dessen Bildhaftigkeit
die Akzente der Handlung sichtbar macht, die die auf das Wesentliche reduzierte
Inszenierung von Keith WARNER unterstreicht. So ergibt sich eine faszinierende
Symbiose von Bühne und Graben, ohne daß es für eine Sekunde überladen
wirkt.
Simone
Youngs Orchester hat hier einen seiner ganz großen Momente. Jede Instrumentengruppe
in sich tadellos klingend, das Ganze homogen und virtuos. Die Chefin am
Pult scheut sich weder vor dem Schwelgen bis kurz vor den Kitsch, noch
vor den machtvollen, überbordenden Momenten metallenen Orchesterklangs.
Grandios!
Das
Sängerensemble zu diesem fulminanten Klanggebilde ist in weiten Teilen
und insbesondere auch seitens der hauseigenen Künstler wieder sehr gut
besetzt.
Unbestrittene
Nummer eins der weiblichen Fraktion ist Janina BAECHLE, deren Amme man
auf keinen Fall verpassen sollte. Sie zeigt eine zwiespältige Person,
der einerseits eine unglaubliche Boshaftigkeit innewohnt, die auf der
anderen Seite aber Mitgefühl und eine große Verletzbarkeit besitzt. Dazu
präsentiert sie eine Stimme, die unter die Haut geht und über einen immensen
Farb-/Nuancenreichtum verfügt. Ihr Zusammenbruch am Ende ist Gesangs-
wie Gestaltungskunst pur. Diese Sängerin setzt bereits jetzt Maßstäbe
in ihrem Fach, die für andere schwer erreichbar sein dürften.
Auch
Lisa GASTEEN ist ein Live-Erlebnis dringend wert. Neben der beeindruckenden
stimmlichen Leistung fasziniert die Agilität, die die Künstlerin als Weib
des Färbers umtreibt. Immer in Bewegung mit einer Mimik, die stets das
gerade Gesungene unterstreicht, zeichnet sie den zerrissenen Charakter
mit viel Liebe zum Detail und mit einer großen Palette musikalischer Gestaltungsmöglichkeiten.
Gabriele
ROSSMANITH zeichnet eine geradezu liebevolle Studie des treuen Falken.
Ihre Figur ist eine der beiden am stärksten der japanisch anmutenden Ästhetik
unterworfenen Charaktere. Sie meistert dies perfekt und läßt zu dem eine
angenehm gereifte, ohne ihrer Schönheit verlustiggegangene Stimme hören.
Bedauerlich
ist, daß Susan ANTHONY gerade der Hang zur komplexen Charakterisierung
fehlt. Weiß gewandet bleibt ihre Kaiserin blaß im Gegensatz zu ihren Gegenpolen.
Passend ist dies sicherlich in den ersten beiden Akten, doch im letzten
Akt, wo die Figur über sich hinauswächst, Amme wie übermächtigem Vater
um der Liebe willen trotzt, fehlt eben das letzte Quentchen an darstellerischer
Präsenz wie stimmlicher Potenz.
Scott
MacALLISTER kann als Kaiser seine beiden großen Pluspunkte ausspielen
- die großartige Gabe, selbst in kraftzehrenden Momenten auf die lyrische
Seite seiner Stimme zurückgreifen zu können und so der Figur ein anrührendes,
sehr menschliches Profil zu verleihen, sowie die Fähigkeit, exponierte
Töne ohne große Anstrengung hinauszuschleudern, ohne daß diese an Schönheit
verlieren.
Besonders
faszinierend ist für mich auch Benjamin HULETT als Erscheinung des Jünglings
und gleich zweifach begehrtes Objekt. Mit großer Ernsthaftigkeit und einer
erstaunlichen Begabung zur grazilen Bewegung skizziert er den im wahrsten
Sinne des Wortes schattenhaften Charakter gleich einer Aquarellstudie
eines nur flüchtigen Augenblicks.
Mit
Franz GRUNDHEBER kann ich auch als Barak nichts anfangen. Ein ganz persönliches
Empfinden sicherlich. Der Bariton macht nichts wirklich falsch, doch mich
interessieren weder Stimme, noch Rollengestaltung, Beides langweilt mich.
Schade, denn die Rolle dürfte eine der schönsten Baritonpartien überhaupt
sein; nur eben in dieser Besetzung kann ich mich der Faszination nicht
anschließen.
Wunderbar
quirlig im über die Bühnen springen und virtuos klingend sind dagegen
Moritz GOGG, Wilhelm SCHWINGHAMMER und Jürgen SACHER als Baraks Brüder
(erstere auch herrlich harmonisch gemeinsam mit Hee-Saup YOON als Wächter
der Stadt). Stets verfolgt von Antoine EFFROY, Alexandra DENK sowie Michael
SCHNITZLER als ihre Schatten, bringen sie Leben in die Szene und in Baraks
Haus. Samuel YOUN gibt einen wunderbar volltönend klingenden, unheimlichen
und omnipräsenten Geisterboten, der die Bühne beherrscht, sobald er sie
betritt.
Kädy
PLASS, Trine WILSBERG LUND und Deborah HUMBLE ergänzen als Dienerinnen
sowie gemeinsam mit Renate SPINGLER, Katja PIEWECK und Gui-Xian CHENG
als Stimmen der Ungeborenen in Form mustergültig homogener Ensemble.
Der
CHOR DER STAATSOPER HAMBURG wurde von Florian CSIZMADIA wieder in bester
Form auf die Bühne gesandt und bewältigt seine Aufgabe gewohnt einwandfrei.
Bedauerlich
sind die vielen, leeren Plätze im Zuschauerraum. An der musikalischen
Seite der Aufführung kann es nicht liegen, an der szenischen allerdings
auch nicht.
Die
Regiearbeit von Keith Warner ist definitiv besser als ihr Ruf. Die in
den ersten beiden Akten immer enger werdenden Schauplätze (Bühnenbild:
Kaspar GLARNER) werden mittels Schachtelprinzip quasi herbeigezaubert.
Die asiatisch angehauchte Ästhetik hilft, sich in die märchenhafte Geschichte
zu versenken und von der Musik treiben zu lassen. Hinzu kommen die sehr
stimmungsvolle und stimmungserzeugende Lichtregie von Wolfgang GÖBEL und
eine ausgefeilte Choreographie, für die Karl SCHREINER verantwortlich
zeichnet.
Gut,
der Krankenwagen anstelle des Kahns und der Kaiser im Gipsverband ans
Bett gefesselt, hätten nicht notgetan. Sie sind aber, ebenso wie die U-Bahnstation
"Keikobad" in Retro-Optik (U4?) Gimmicks, die zu einem kurzen Lachen oder
auch einfach zum Schließen der Augen Anlaß geben können. AHS
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