In
der inzwischen 225. Vorstellung der Inszenierung von Folke ABENIUS seit
1975 waren es vor allem die Herren, die den Abend dominierten.
Wokkyung
KIM (Alfredo), vor Beginn als leicht indisponiert angesagt, hat alles,
was die Rolle benötigt: ein individuelles Timbre, eine überaus sichere
Höhe, gute Phrasierung, sympathische Ausstrahlung und das Wissen um die
Partie. Eine sehr erfreuliche Begegnung, wobei sich die Indisposition
lediglich bei einigen vorsichtig bzw. mit etwas viel Kraft genommenen
Spitzentönen bemerkbar machte. In völlig gesundem Zustand dürfte hier
einer Karriere an großen Häusern nichts entgegen stehen.
Anton
KEREMIDTCHIEV, der als Germont an der Staatsoper Hamburg debütierte, war
ebenfalls ein Plus der Vorstellung. Zu Beginn ein wenig zurückhaltend
drehte er dann im Verlauf des Duetts mit Violetta und vor allem in "Di
provenza il mar" nebst Cabaletta richtig auf. Der Sänger verfügt über
stilsicher gesetzte pianissimi und weiß zu phrasieren. Im Gegensatz zu
manchem anderen Germont in dieser Produktion verläßt er sich eben nicht
auf die (durchaus vorhandene) reine Stimmpower. Als Figur brachte er eine
Nuance des Mitfühlens wider Willens ein, die immer wieder durchschien.
Natürlich
ist Alexander TSYMBALYUK als Grenvil eine absolute Luxusbesetzung, aber
er holt mit der großen Baßstimme auch wirklich alles aus dieser Partie
heraus. Und wenn er am Schluß in stiller Verzweiflung zusammensinkt, geht
dies mehr zu Herzen als Violettas Tod.
Dazu
kommen noch Carsten WITTMOSER volltönender Douphol, Hee-Saup YOON aufhorchenswerter
Marquese und Jun-Sang HAN als rollendeckender Gastone, die ihre Rollen
aufwerteten. Frieder STRICKER (Giuseppe), Gabor NAGY (Commissionario)
und Mariusz KOLER (Diener) komplettierten.
Bei
den Damen kam die beste Leistung - wieder einmal in dieser Produktion
- von Katja PIEWECK als kompetent-präsente Annina mit schönem Mezzo. Brenda
PATTERSONs Flora blieb eher unauffällig.
Ich
habe Ha Young LEE nunmehr etwa ein halbes Dutzend Mal als Violetta erlebt,
und mit jeder Begegnung gefällt sie mir weniger. Die Phrasierungen sind
beliebig, die Wortdeutlichkeit schlichtweg nicht vorhanden, und es findet
auch keine wirkliche Entwicklung statt. Diese Violetta geht in keiner
Sekunde auch nur ansatzweise zu Herzen. In den oberen Lagen wird die Stimme
immer schmaler, die Töne werden nur noch herausgestoßen.
Simon
HEWETT am Pult war mit den fehlerfrei spielenden PHILHARMONIKERN ein guter
Sängerbegleiter, der allerdings gelegentlich, gerade in den Vorspielen,
etwas zu breite Tempi wählte, ohne dabei die Spannung vollständig halten
zu können.
Der
CHOR unter der Leitung von Florian CSIZMADIA machte seine Sache ausgezeichnet;
Schlampereien, wie früher gerade in dieser Produktion geradezu an der
Tagesordnung gibt es nicht mehr. MK
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