Hätte
mir jemand vor sechs Monaten prophezeit, daß ich mich förmlich in eine
Britten-Oper verknallen würde, wäre die Reaktion ein ungläubiges Lachen
gewesen. Nun, es ist geschehen, das Stück hat mich gepackt.
Nach
wie vor ist das Bühnenbild von Es DEVLIN mit den herunterhängenden Möbeln
mehr als gewöhnungsbedürftig. Der Sinn geht mir noch immer ab, und unwillkürlich
denke ich jedes Mal, ob hier jemand die dritte und vierte Silbe von "Indomitable"
etwas zu wörtlich genommen haben mag. Doch die Personenregie von Simon
PHILIPPS reißt das alles hinaus, man ist schon nach wenigen Augenblicken
im Geschehen gefangen.
Bis
auf einige Ausnahmen ist die Besetzung seit der Premiere identisch geblieben.
Nmon FORD wiederholte seinen gesanglich, darstellerisch und physisch hoch
attraktiven Billy, der nicht nur auf dem Schiff, sondern auch im Zuschauerraum
so ziemlich jeden bezaubert haben dürfte. Die Stimme hat, gerade in der
oberen Lage und den leiseren Tönen an Geschmeidigkeit noch gewonnen.
Timothy
ROBINSON als Captain Vere hat nicht wirklich eine schöne Stimme, und gelegentlich
wird diese in den oberen Lagen etwas knapp. Doch er weiß damit umzugehen,
wandelt dies in puren Ausdruck um. Als Figur ist er sowieso von einer
Intensität, die einen packt und bis zum Schluß nicht mehr losläßt.
John
Claggart Peter ROSE lebt die schleimige Unterwürfigkeit gegenüber den
Offizieren noch mehr aus als in der Premierenserie. Auch in seinem großen
Ausbruch wirkt er noch überzeugender, noch furchteinflößender. Er hat
noch eine weitere Nuance hinzugefügt, so daß man sich des Gefühls nicht
entwehren kann, daß er nicht nur Billy begehrt, sondern sich auch an Squeak
(Jürgen SACHER als beängstigend echte, gequälte Kreatur) und dem Novice
(Benjamin HULETT, der in dieser Rolle schwerlich zu übertreffen sein dürfte
mit seinem lyrischen Tenor und der großen Präsenz) vergreift.
Bei
den Offizieren ist Jan BUCHWALD als Mr. Flint neu, der zwar einwandfrei
singt, allerdings ausgesprochen unmilitärisch wirkt, hinzu kommen Carsten
WITTMOSER als sonorer Lt. Ratcliffe und das hohe Niveau nicht ganz haltend
Moritz GOGG (Mr. Redburn). Die beiden Mates werden exzellent gesungen
von Hee-Saup YOON und Alexander TSYMBALYUK; letzterer macht zudem alles
auf dem Novice's friend mit herzzerreißendem Mitgefühl für den Ausgepeitschten.
Conal
COAD ist als Dansker als ruhiger Pol mit mürrischem Gehabe stimmlich und
darstellerisch goldrichtig, Toby STAFFORD-ALLEN als neubesetzter Donald
paßt sich gut ein. Red Whiskers gehört zu den wenigen Rollen, in denen
Peter GALLIARD mir zu gefallen weiß, dazu kommt Jun-Sang HAN als in jeder
Beziehung höhensicherer Maintop (er singt hauptsächlich mehrere Meter
über der Bühnen schwebend). Ryszard KALUS (Bosun), Steven Dorn GIFFORD
(Arthur Jones) und Christoph RAUSCH (Sailor) ergänzten, während Alexander
zu KLAMPEN als eifriger Cabin Boy nicht nur seinem Captain ans Herz wuchs.
Simone
YOUNG am Pult der PHILHARMONIKER HAMBURG wiederholte ihre großartige Leistung
aus der Premierenserie. Immer nimmt sie Rücksicht auf die Bedürfnisse
der Sänger, wird niemals zu laut oder in den Tempi nicht nachvollziehbar.
Sie baut eine fast unerträgliche Spannung auf, die sich am Ende gar nicht
anders als in einen Bravo-Orkan entladen kann. Das Orchester folgt ihr
dabei bedingungslos.
Der
CHOR unter der Leitung von Florian CSIZDADIA und die HAMBURGER ALSTERSPATZEN
unter Jürgen LUHN leisten ebenso Großes. MK
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