"JENUFA" - 13./22. Juni 2007

Mit 24 Aufführungen in knapp neun Jahren zählt Janaceks eindrucksvolles, packendes Drama nicht zu den populärsten, was sich auch an der bedauernswert geringen Auslastung zeigt.

Die Inszenierung von Olivier TAMBOSI, die fast sieben Jahre im Fundus vor sich hinvegetierte, bringt die Grundstimmung gut herüber. Die Personenführung ist solide, wobei mir nicht klar ist, warum die Buryja im 1. und 3. Akt ständig blind über die Bühne läuft. Dafür arbeitet er die Isolation Jenufas gut raus. Das Bühnenbild (Frank Phillipp SCHLÖßMANN) unterstreicht die Atmosphäre des Werkes durch die auf der einen Seite hölzernen Farben, auf der anderen Seite aber eingeengte Szenerie (gerade im 2. Akt). Sehr gut gefällt mir auch die Idee des Steines als Symbol für das Kind. Während er im 1. Akt noch ein klein wenig aus dem Boden schaut (Anfang der Schwangerschaft von Jenufa), ragt er im 2. hoch hinaus (das Kind wurde gerade geboren). Im dritten dann sind auf der Bühne Felsbrocken zu sehen, die für das getötete Kind stehen. Schlößmann entwarf auch die schlichten Kostüme.

Man kann machen, was man will, aber diese Oper steht und fällt mit der Besetzung der Küsterin. An diesem Abend stieg sie in die verstörendsten, finstersten Abgründe der Psyche dieser Figur hinab. Schon Eva MARTONs erster Kurzauftritt im ersten Akt, ließ einen erschaudern. Sie hat (trotz verwirrend rot-brauner Haare...) eine ungemein dämonische Ausstrahlung. Zwar hörte man gewisse Verschleißerscheinungen (Registerdivergenz, etwas scharfe Töne), aber sie ist immer noch zu ergreifenden piani und strahlenden Fanfaren-Tönen fähig. Dazu kam eine Leistung, die an die psychischen und physischen Grenzen führt. Es war alles dabei, vom Flüstern bis zum Schreien und auch der Gesang kam nicht zu kurz. Kurz eine Idealverkörperung!

Neben dieser starken Gestaltung ist es schon anzuerkennen, daß Miriam GORDON-STEWART als Jenufa nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Ihr gelang darüber hinaus eine durchaus beachtenswerte Interpretation. Sie hat sich seit ihrer faden "Falstaff"-Alice wirklich erfreulich gesteigert. Man darf gespannt sein!

Die beiden Tenöre lagen in den Händen von dem soliden Arnold BEZUYEN (Stewa) und Miro DVORSKY, der vor sieben Jahren noch den Stewa sang, als Laca. Ich finde, daß die Besetzung falsch herum war, da mir Dvorsky zu böse war, wenngleich auch diese Rolle nicht wirklich sympathisch ist, und auch diese Liebe zum Scheitern verurteilt zu sein scheint. Es fehlte aber der Kontrast zu Stewa.

Unter den Nebenrollen stachen v.a. Tigran MARTIROSSIAN als Altgesell mit profundem Baß, Wilhelm SCHWINGHAMMER (Dorfrichter) und Katja PIEWECK (seine Frau) positiv hervor. Ha Young LEE sang eine souveräne Karolka. Während Ann-Beth SOLVANG (Magd), Marta HANFOVA (Barena), Christiane KARG (Jano), Johanna JANY (Tante), Else NOE und Günter HARTMANN (1. und 2. Stimme) nicht weiter auffielen, enervierte Olive FREDRICK' hysterischer Alt in der Rolle der Buryja. Dazu kam eine sehr eigenwillige Darstellung.

Maßgeblichen Anteil an diesen großartigen Abenden hatte auch die Leistung der grandiosen HAMBURGER PHILHARMONIKER unter der Leitung von György G. RATH, der dieser atmosphärischen, aufwühlenden Musik das gewisse Etwas beifügte. Er ließ das Orchester flirren und knallen und schaffte es kongenial, die Brüche in der Partitur auszukosten. Am zweiten Abend wackelte es allerdings ab und an ein wenig. Auch der CHOR unter Florian CSIZMADIA leistete sehr gute Arbeit.

Es waren zwei umwerfende Aufführungen, die einen total fertig in die Nacht ent- und einen tiefen Eindruck hinterließen. Nichts für schwache Nerven!!! WFS