Nachdem
im letzten Jahr der Hamburger Britten-Zyklus mit einer sehr schön poetisch-atmosphärischen
und komischen Inszenierung vom "Midsummer Night's Dream" eröffnet wurde,
brachte das gleiche Team in dieser Spielzeit nach nun mehr als 30 Jahren
wieder "Billy Budd" auf die Bühne - die erste Oper, in der es nur männliche
Rollen gibt.
In
der Inszenierung gab es ziemlich viele Zitate aus der erwähnten vorangegangenen
Produktion. So wird auf den Vorhang zu Beginn der Vorstellung und nach
den Pausen auch wieder ein Auge gezeigt und auf der Bühne (Es DEVLIN)
befinden sich unglaublich viele Möbel, die je nach Bedarf hoch- und runtergelassen
werden. Sie sollen als Symbol für Unruhe und Chaos dienen, und dem ganzen
einen maritimen Touch verleihen - beides will mir nicht recht in den Kopf
gehen. Der Regisseur Simon PHILLIPS hat sich m.E. zu sehr in der Idee
verrannt, daß es im Stück um Chaos geht. Das kann ich so nicht ohne Weiteres
erkennen. Man hätte sich vielleicht mehr auf die Brutalität konzentrieren
sollen, die der Regie nach der ersten Szene irgendwie komplett abging.
Zumindest hat sie sich mir nicht vermittelt, wobei das für mich der zentrale
Aspekt des Werkes zu sein scheint.
Außerdem
hätte ich mir gewünscht, zu erfahren, wer denn nun letztendlich das Todesurteil
vollstreckt hat, wo Billy doch, nachdem er seinen Widersacher erschlagen
hatte, nur noch Freunde hat. Dafür gefiel mir die Figur des Captain Vere
ziemlich gut, der immer außen vor war und nicht wirklich zu der Besatzung
zu gehören schien, so daß die narrative Art, in die das Stück ja ohnehin
eingepackt ist, erhalten blieb. Es Devlin gestaltete neben der Bühne auch
die Kostüme, die doch gut zu dem Metier paßten.
Bevor
ich im Detail auf die Besetzung eingehe, möchte ich dem Dispositionsbüro
ein Lob aussprechen, dem es gelungen ist, alle Charaktere äußerst typgerecht
zu besetzen!
So
war Billy Budd in Person des panamaischen Baritons Nmon FORD ein Bild
von einem Mann, der so aussah, als wäre er mal Mitglied bei den "California
Dream Men" gewesen. Auch wenn er nicht unbedingt über das allerschönste
Instrument verfügt, wußte er dieses doch durch ein engagiertes und glaubhaftes
Spiel und eine recht anständige Interpretation gut zu kompensieren. Ich
muß allerdings zugeben, daß es schon etwas seltsam anmutet, wenn ein farbiger
Sänger ein "Farewell, 'Rights o' Man'" ("Leb' wohl, 'Menschenrechte'")
entbietet. So heißt im Übrigen das Schiff, von dem er zur "Indomitable",
dem Schauplatz der Oper, rekrutiert wird.
Sein
Gegner John Claggart wurde von Peter ROSE verkörpert, der eine insgesamt
grundsolide Leistung ablieferte, die mich aber nicht wirklich erreicht
hat und mir auch nicht weiter in Erinnerung blieb. Ähnliches gilt für
Timothy ROBINSON (Captain Vere), der die nicht ganz leichte Partie mit
Anstand bewältigte.
Conal
COAD (Dansker) gefiel mir besser als als "Barbiere"-Basilio, aber mir
fehlte bei ihm auch das gewisse Etwas. Jürgen SACHER verstand es glänzend,
die Rolle des zur Intrige bestochenen/gezwungenen Squeak mit wahrer Meisterschaft
auszufüllen. Die Partie schien ihm wie auf den Leib geschneidert zu sein!
Unter
den Nebenrollen ragten insbesondere Pavel BARANSKY als toller Mr. Flint,
Benjamin HULETT als schönstimmiger Novice und Alexander TSYMBALUYK (First
Mate/Novice's Friend) äußerst positiv hervor, der mal wieder seinen Rang
als Ausnahmebaß unterstrich und der auch einen interessanten Claggart
hätte abgeben können. Sehr interessant klang erneut Jun-Sang HAN als Maintop,
bei dem ich mich frage, ob er auch so toll singt, wenn er normal auf der
Bühne steht (im "Idomeneo" sang er aus einer Loge, hier auf einem Stuhl,
der etwa vier Meter über der Bühne schwebte).
Während
Carsten WITTMOSER (Ratcliffe), Moritz GOGG (Redburn), George PETEAN (Donald),
Ryszard KALUS (Bosun), Hee-Saup YOON (Second Mate) und Steven Dorn GIFFORD
(Arthur Jones) entweder für mich nicht zu identifizieren waren oder nicht
weiter auffielen, mißfiel mir Peter GALLIARD als "Red Whiskers" einmal
mehr, wenngleich ich schon Schlimmeres von ihm gehört habe.
Auch
wenn Simone YOUNG am Pult der HAMBURGER PHILHARMONIKER wieder stimmungsvoll,
sängerfreundlich und sehr sicher leitete und sich auch nicht davor scheute,
plötzlich einen schneidenden Akkord reinzuhauen, vermochte sie es nicht
so recht, ihre Begeisterung für Britten auf mich zu übertragen. Das soll
ihre Leistung aber nicht schmälern. Man kann ja auch nicht jeden Komponisten
mögen... CHOR
und EXTRA-CHOR des Hauses (Florian CSIZMADIA) sangen ohne Fehl und Tadel,
und die HAMBURGER ALSTERSPATZEN (Jürgen LUHN) sind für mich immer noch
der beste Kinderchor, den ich je gehört habe. WFS
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