"SIMON BOCCANEGRA" - 23. Januar 2007

In der trotz des (leider) nicht so großen Bekanntheitsgrades dieses grandiosen Werkes Verdis erfreulicherweise so gut wie ausverkauften Vorstellung wurde Musiktheater auf sehr hohem Niveau geboten.

Leider konnte die Inszenierung von Claus GUTH mich nicht überzeugen. Zwar gefällt mir die Grundkonzeption, daß das Stück als Rückblende von Simon abläuft. Auch daß Guth dazu Simon fast ständig von einem bzw. zwei Statisten (Henryk NOLEWAJKA und Valeri ENGEL) doubeln läßt, kann interessant werden. So läßt er auch noch die eigentlich tote Maria (Britta SIEBELS) auftreten und in Simons Armen "sterben". Allerdings kann ich dabei keine rechte Stringenz im Konzept erkennen. Oftmals wird nur in der Gegend herrumgestanden, -gesessen oder sich "wilsonesk" langsam in der Gegend bewegt. Christian SCHMIDT zeichnete für die Ausstattung verantwortlich, die er der Inszenierung gut anpaßte und entsprechend grau anlegte, was ja aber auch irgendwie zu diesem düsteren Stück paßt.

Auch wenn die Besetzung alles in allem erstklassig war, gab es doch leider auch Ausfälle. Jan BUCHWALD bestätigte meinen Eindruck aus der letzten Vorstellung der Premierenserie in der letzten Spielzeit der krassen Fehlbesetzung für den "Wasserglasvergifter" Paolo. Stimmlich bemühte er sich um Ausdruck, was in platten Manierismen endete. Darstellerisch wirkte er wie bestellt und nicht abgeholt. So toll er auch als Prosdocimo ("Turco in Italia") war, so wenig kann er mit dieser Musik anfangen, ich denke, er braucht verzierte Musik und eine Inszenierung mit viel Bewegung, da er keine Bühnenpräsenz hat.

Ein eigenartiges Bild gab Paul Charles CLARKE (Adorno) ab. Er hat eine total verquollene Mittellage, in der es drei verschiedene Timbres zu geben scheint, von denen eines gutturaler und quakiger ist als das andere. Dazu kam, daß er größtenteils schlichtweg zu "böse" war. Allerdings muß ich zugeben, daß seine Arie gar nicht mal schlecht klang.

Viel besser war es da um Angela MARAMBIO bestellt, die ihre starke Amelia aus der Premierenserie wiederholte. Sie schafft es, die Partie nicht als weinerliches Ding zu präsentieren, sondern als gestandene Frau. Sie verfügt über eine große, dramatische Stimme mit toller Höhe, der auch hauchzarte Piani zur Verfügung stehen. Sie hat das Zeug dazu, eine große Karriere zu machen.

Tigran MARTIROSSIAN fiel in der Vergangenheit des Öfteren sehr positiv auf, ich habe ihm allerdings (auch in Anbetracht eines noch nicht sehr starken Figaro zu Beginn der Saison) den Fiesco nicht zugetraut. Aber ich lasse mich ja gerne eine besseren belehren, so wie dieses Mal. Er gestaltete ihn mit einer großen Tiefgründigkeit und einer Reife, die ungewöhnlich für einen so jungen Sänger ist. Seine Arie war wirklich berührend! Man darf gespannt sein, was da noch kommt!!!

Die Krone des Abends gebührt aber definitiv dem Sänger der Titelpartie. Andrzej DOBBER sang ihn bei seinem wohlwollend aufgenommenen Hausdebüt mit ungemeiner Intensität und einer beklemmenden Interpretation. Die Ratsszene war unglaublich! Wie zynisch er das Volk kommentiert ("Ecco le Plebi") und wie eindringlich er "E vo' gridando pace" (danke an Verdi, daß er diese wunderschöne Phrase Simon zweimal singen läßt!!!) singt, ist faszinierend. Und dann sein finales "Maria", das er im Sterben aushaucht, ließ einem das Blut in den Adern gefrieren, wie die letzte Szene sowieso eine dieser war, bei der man lieber nicht atmet... Ich hoffe, daß es kein einmaliges Gastspiel war!

Mit einer erneut hervorragenden Leistung empfahl sich Alexander TSYMBALYUK (Pietro) mit seinem großen Baß schon wieder für die ganz großen Rollen. Aufhorchen ließ Ladislav ELGR (Capitano dei Balestrieri), der sich zwar in seinem Solo ziemlich große rhythmische Freiheiten rausnahm, aber da es ja a-capella ist, ist das ja durchaus legitim, und man lauschte einem vielversprechenden Sänger. Bleibt abzuwarten, was aus ihm wird. Christiane KARG fiel als Dienerin von Amelia nicht weiter auf.

György G. RÁTH leitete das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER HAMBURG mit souveräner Hand. Leider stimmte die Chemie zwischen Graben und Bühne nicht immer, so gab es im schmissigen Finale des ersten Bildes fast genau das: einen Schmiß. Aber dennoch gelang es Ráth, viele tolle Momente zu erzeugen, gerade die Finali der Ratsszene und der Oper sorgten für eiskalte Schauer. Der CHOR unter Florian CSIZMADIA leistete sehr gute Arbeit. WFS

P.S.: Ich persönlich finde es schade, wenn man nach Werken wie diesem sofort nach dem letzten Ton anfängt zu applaudieren. Man sollte es noch ein paar Sekunden nachklingen lassen.