Sensation
in Hamburg!!! Nemorino hat nach 27 Jahren, die diese Jean-Pierre PONNELLE-Produktion
nunmehr alt ist, ein neues Stoffschaf erhalten. Es hat diesmal vier bewegliche
Beine und guckt genauso niedlich wie sein Vorgänger...
Nachdem
diese weltbewegende Neuigkeit verbreitet worden ist, kann von einem gut
besetzten, musikalisch größtenteils erfreulichen Abend berichtet werden.
Die Bühnenbilder von Pet HALMEN gehören noch immer zu den schönsten im
gesamten Repertoire, die Regie wirkt auch nach zahllosen Jahren frisch
und munter. Auch wenn der Abend nur mäßig besucht war, bleibt diese Repertoire-Perle
hoffentlich noch lange erhalten.
Wie
schon in der letzten Serie der Produktion gebührt die Krone des Abends
dem Nemorino von Saimur PIRGU, der wiederum mit wunderschönen Phrasen,
zahlreichen spontan wirkenden Einfällen (beispielsweise sein entsetzt-faszinierter
Laut, als Adina davon singt, er solle sich anderen Frauen zuwenden), gut
gestützten, herzerweichenden Piani und natürlichem Spiel dieser Partie
vollauf gerecht wurde. "Una furtiva lagrima" erntete, trotz des nicht
sehr gefüllten Hauses, Beifallsstürme, die man selten hört. Diesmal sind
auch keine Abzüge in der B-Note wegen Schafvernachlässigung zu machen.
Seine
Adina wurde von Inga KALNA verkörpert. Die Höhe, die in anderen Partien
gelegentlich etwas spitz klingt, ist hier schön rund, die Koloraturen
kommen mit traumwandlerischer Sicherheit, auch wenn sich ein oder zwei
kleine Unsicherheiten in der Phrasierung einschlichen. Für meinen Geschmack
ist diese Adina allerdings ein wenig zu zickig, zu biestig, zu berechnend,
so daß man sich fragt, wieso Nemorino eigentlich so verrückt nach ihr
ist.
Dulcamara
gilt als Paraderolle für ältere Bässe, deren stimmliche Mittel im Schwinden
begriffen sind. Tigran MATIROSSIAN ist ein junger Baß, der vermutlich
den Höhepunkt seiner stimmlichen Entwicklung noch nicht erreicht haben
dürfte. Die Stimme ist eigentlich zu schwer für die Partie, doch es gelingt
dem Sänger mit Intelligenz, und ohne zu mogeln, die Rolle auszusingen.
Er dürfte damit der stimmschönste Dulcamara meiner Opernbesuche sein.
Seine Jugendlichkeit fügt dem Spiel noch eine weitere glaubhafte Nuance
hinzu; Adina hat so nämlich drei ernstzunehmende Bewerber.
Jan
BUCHWALD kann mich in vielen seiner Partien nicht begeistern. Überraschenderweise
gefällt er mir immer dann, wenn er im italienischen Fach komisch sein
darf. So auch hier. Sein Belcore ist bis in die letzte Haarwurzel ein
eitler Kerl ohne jede Reflexion. Die Phrasierung ist exzellent, im Parlando
könnte man meinen, einen Muttersprachler vor sich zu haben. Stimmlich
bereitet ihm die Partie keinerlei Schwierigkeiten.
Agnieszka
TOMASZEWSKA war wiederum eine Luxusbesetzung für die Gianetta, koloratursicher,
spielfreudig und der Aufwertung der Rolle in dieser Inszenierung jederzeit
gewachsen. Der
CHOR, der hier immer auf seinem höchsten Niveau agiert, tat es auch an
diesem Abend.
Karen
KAMENSEK am Dirigentenpult schien im ersten Akt unsicher zu sein. Neben
zahlreichen Verspielern der PHILHARMONIKER HAMBURG in der Ouvertüre, die
nicht auf ihr Konto gehen, wackelte es in den Ensembles mehrere Male heftig,
für Sekunden schien ein Auseinanderfallen nicht mehr zu vermeiden. Nach
der Pause besserte sich dieses deutlich. Die flotten Tempi, die die Dirigentin
bevorzugte, bekamen dem Stück nicht schlecht. MK
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