Die
Produktion hatte bereits im vergangenen März Premiere. Regisseur Simon
PHILLIPS hat in der Ausstattung von Es DEVLIN ein zweieinhalb Akte buntes,
irgendwo zwischen Märchen und Fantasy schwankendes Szenario geschaffen,
wo Elfen in luftiger Höhe meterhoch über der Bühne von schwebenden Stühlen
singen, diverse Alltagsgegenstände vorbeiziehen, grüne Leuchtlianen die
Natur symbolisieren (Licht Nick SCHLIEPER), Videoinstallationen sichtbar
sind (BURST TV LTD.), und Tytania und Oberon samt Bett aus dem Schürboden
herabgelassen werden. Lysander und Demetrius duellieren sich mit übergroßen
Eßbestecken, während die Handwerker mit großen Füßen, Nasen und Ohren
geschlagen sind. Es erschließt sich nicht alles, was da während der zweieinhalb
Akte an einem vorbeizieht, doch es ist immer poetisch, immer ästhetisch,
und immerhin ist es ein Zauberwald, warum muß man da alles sofort begreifen?
Zum
Finale wird dann die Halle eines hochherrschaftlichen Hauses mit Treppen
in kühlem Weiß gehalten sichtbar, wo die Handwerker ihr Stück aufführen,
welches zum Brüllen komisch inszeniert ist. Der Zauber ist vorbei, die
Realität hält Einzug. Am Schluß verwandeln sich Tytania und Oberon in
Lehrer und die Elfen in Schüler nebst adretten Schuluniformen. Es weht
ein Hauch von Harry Potter durch die Szenerie beim Abgang. Puck hält seine
Schlußansprache mit Dirigentenstab bewaffnet vom Dirigentenpult, während
hinten das Photo von Britten sichtbar wird.
Die
beiden jungen Paare wirken angemessen jung, sind ungemein spielfreudig,
wobei dem Regisseur ein generelles Lob für die Personenregie ausgesprochen
werden muß. Helena Gabriele ROSSMANITH singt wunderschön, die Stimme wirkt
plötzlich, als sei sie riesengroß geworden, und stellt zu Beginn eine
echte Klette dar, die Demetrius fast mit Gewalt an sich binden will. Nmon
FORD wirkt äußerlich ein wenig wie ein sehr junger Denzel Washington,
singt mit gut geführtem, individuell timbrierten Bariton und ist dieser
Helena gewachsen. Im dritten Akt bilden die beiden ein sehr homogenes
Paar.
Jesús
GARCIA als Lysander mit angenehmer, wenn auch nicht großer Tenorstimme,
kämpfte ein oder zweimal mit den Höhen, bot jedoch eine ansonsten gut
Leistung. Marina R. CUSÌ (Hermian) schließlich als Vierte im Bunde wirkte
in ihrem Kostüm und mit dem dunklen Timbre nicht ganz so jugendlich wie
die drei anderen, paßte jedoch sich ohne weiteres dem munteren Treiben
an.
Daniel
SUMEGI gab als Bottom dem Affen zeitweise zuviel Zucker, was sowohl darstellerisch
als auch stimmlich galt. Die Stimme selbst, nicht übermäßig aufregend,
wirkte teilweise nicht ideal geführt und immer gefährdet, auszubrechen.
Tim MIRFIN machte stimmlich alles aus dem Quince, und daß er ein Komödiant
par excellence ist, konnte schon mehrfach hier bemerkt werden.
Benjamin
HULETT (Flute) tobte sich darstellerisch als Tisbe richtig aus, konnte
jedoch auch mit den hochvirtuosen Koloraturen à la "Lucia" punkten. Frieder
STRICKER (Snout) wird immer dann besonders gut, wenn er wie in diesem
Fall sein komödiantisches Talent zeigen darf. Snug (Hee-Saup YOON) machte
alles richtig, auch wenn sein Löwe eher niedlich wirkte. Ryszard KALUS
komplettierte als Starveling.
Während
Wilhelm SCHWINGHAMMER (Theseus) zwar lauter richtige Töne sang, dafür
aber trotzdem unauffällig blieb, hätte Renate SPINGLERs Hyppolyta beinahe
die Schlußszene trotz der wirklich schreiend komischen Handwerker gestohlen.
Ihr blasierter Gesichtsausdruck, der immer mehr einer entsetzen Faszination
wich, was nun wohl noch als nächstes geschehen würde, war für das Zwerchfell
nicht gesund. Daß sie dieses Mienenspiel dann, neben einer ansonsten perfekten
Gesangsleistung, auch noch stimmlich umsetzte, war Sahne auf dem Kuchen.
Ha
Young LEEs Violetta Ende Oktober konnte mir interpretatorisch nicht wirklich
gefallen; daß sie eine lebendige Figur auf die Bühne stellen kann, bewies
sie mit der Tytania. Bombensicher bis in die höchsten Stratosphärenklänge,
hoheitvolle Königin, deren Fallhöhe dadurch bei ihrer Affäre mit einem
Esel dadurch noch höher wird, alles war vorhanden. Ich habe meine Probleme
mit Counter-Tenören, denn die meisten Timbres bereiten mir Unbehagen.
Alexander PLUST (Oberon) stellte hier eine Ausnahme dar. Die Stimme, die
vielleicht in den Duetten mit Tytania ein wenig zu leise wirkt, zeigt
sich ansonsten jedoch jeder Herausforderung gewachsen. Dazu phrasiert
und bewegt der Sänger sich dann auch noch sehr elegant. Puck wurde von
Richard GAUNTLETT mit an einigen Stellen etwas überzogener, meist jedoch
klarer Diktion gesprochen und einer unglaublichen körperlichen Beweglichkeit
gespielt.
Ein
Sonderlob muß den von dem HAMBURGER ALSTERSPATZEN (Leitung Jürgen LUHN)
gesungenen Elfenchor gezeugt werden, die auf hohen Niveau sangen. Dieses
Niveau wurde noch von den vier Solo-Elfen Alexander zu KLAMPEN, Berus
KOMRSHELA, Noah MECKLENBURG und Rami OLSEN übertroffen.
Geleitet
wurde der Abend souverän von Paul KILDEA am Pult der PHILHARMONIKER HAMBURG,
der ein präzises, sehr lebendiges, aber trotz des turbulenten Geschehens
auf der Bühne niemals aus dem Ruder laufendes Dirigat ablieferte, dem
das Orchester mit Engagement folgte.
Die
Produktion ist ein echtes Muß für jeden, der feststellen möchte, daß E-Musik,
die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden ist, wirklich
Spaß machen kann. MK
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