Ganz
offensichtlich sehnt sich das Publikum danach, gelegentlich auch einmal
ein schönes Bühnenbild betrachten zu können. Geht der Vorhang auf, geht
selbst nach mehr als dreißig Jahren noch ein Seufzen der Erleichterung
durch den Zuschauerraum ob der prächtigen Kostüme (Hans-Günter WILLERSCHEIDT)
und für heutige Verhältnisse verschwenderischen Bühnenbild (Toni BUSINGER).
Von der Regie von Folke ABENIUS ist verständlicherweise nicht mehr viel
übrig, daher hindert die Sänger nichts daran, ihre eigene Interpretation
auf die Bühne zu stellen.
Seitdem
Simone Young ihre Intendanz im vergangenen Jahr mit dem Dirigat der "Traviata"
begonnen hat, wird das Stück ziemlich vollständig gegeben mit Tenor- und
Bariton-Cabaletta sowie vollständigem Schlußduett zwischen Violetta und
Alfredo, was ein echter Gewinn ist.
Die
drei Hauptpartien waren in dieser Konstellation bereits zum Ende der letzten
Spielzeit zu hören gewesen, und der Eindruck war diesmal der gleiche wie
im Mai. James VALENTI gebührt als Alfredo die Krone. Der junge Tenor hat
über eine sympathische Ausstrahlung hinaus an Bühnenpräsenz hinzugewonnen.
Seine Stimme ist lyrisch, er phrasiert exzellent und setzt schöne Akzente.
Dazu kommt eine gute Höhe, die klug in die Phrasen eingebunden wird. Der
Beginn des Schlußensembles bei Flora war absolut tränentreibend ergreifend.
Dalibor
JENIS als Germont scheint gelegentlich zu glauben, daß Belcanto von Bellen
kommt. Auf jeden Fall klingen einzelne Phrasen so, als würden sie schlichtweg
herausgekläfft. Man hat auch nicht wirklich den Eindruck, als würde ihn
die Rolle interessieren, weder setzt er gesangliche, noch darstellerische
Akzente.
Ha
Young LEE konnte im Mai mit einer stimmlich fast perfekten, allerdings
bar jeder Emotion wirkenden Violetta aufwarten. Das letztere ist geblieben,
sie tut, was das Regiebuch verlangt, aber wirkliche Gefühle transportiert
sie nicht über die Rampe. Dazu kamen an diesem Abend (bei der Vorstellung
am 22. Oktober war dies nicht der Fall) im Finale des ersten Aktes diverse
schrille Töne, die einen zusammenzucken ließen.
In
punkto Präsenz und Phrasierung ließ Violetta sich von der stimmschönen
Katja PIEWECK als Annina die Show stehlen. Als Flora machte Brenda PATTERSON
einen ebenso soliden Job, wie Benjamin HULETT (Gaston, sehr erfreulich,
hier zur Abwechslung wieder einen Sänger mit angenehmer Stimme zu hören),
Wilhelm SCHWINGHAMMER (Dr. Grenvil, der allerdings neben der großartigen
Leistung von Alexander Tsymbalyuk in dieser Rolle vor der Sommerpause
verblaßte) und Hee-Saup YOON (Marchese).
Zwischen
der allgemein sehr jungen Besetzung tobte sich Hamburgs Opernurgestein
Carl SCHULTZ als tapperiger Douphol mit ausreichender Stimme aus, während
Frieder STRICKER als Giuseppe eher szenisch als stimmlich erwähnenswert
ist. Aufhorchen ließ der Commisionario von Gabor NAGY.
Simon
HEWETT hielt Bühne und Graben gut zusammen, auch wenn aus dem ORCHESTER
gelegentlich der eine oder andere kleine Verspieler zu hören war. Das
Tempo ist relativ langsam, allerdings wird dabei die Spannung gut gehalten.
Man kann mit diesem Dirigat sehr zufrieden sein, auch wenn von ihm keine
große neue Interpretation ausging.
Der
CHOR war mit viel Engagement dabei, und selbst der Anfang des Festes bei
Flora wirkt nicht mehr so abgespielt, wie dies noch vor einigen Jahren
regelmäßig der Fall war. MK
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