In
nahezu komplett neuer Besetzung präsentierte sich die Produktion des "Idomeneo"
aus der letzten Saison, die hier im Rahmen der Hamburger Mozart-Wochen
gegeben wurde.
Der
Regisseur Nicholas BRIEGER verlegt die Handlung in die heutige Zeit. Sie
spielt in einem Kampf zwischen der "zivilisierten" Welt (Kreta) und Terroristen
(Troja). Dieses wird sehr konsequent umgesetzt, so ist das Ungeheuer kein
real existierendes Unwesen, sondern vielmehr der Krieg beider Parteien,
der durch ein Selbstmordattentat entfacht wird. Auch wenn dies alles nicht
so recht zu der Musik passen will, gelang Brieger doch eine rundum solide
Produktion mit guter Personenführung, wenngleich es doch gerade im ersten
Bild einige Merkwürdigkeiten zu sehen gibt (warum kann sich Ilia frei
bewegen und singen, ohne vom nächsten Wachmann mit MP im Anschlag erschossen
zu werden???). Hans-Dieter SCHAAL entwarf das Bühnenbild, bestehend aus
einem schiefen überdimensionalen würfelartigen Gebäude, das von einem
Gang umrundet wird, Jorge JARA zeichnet für die angemessenen Kostüme verantwortlich.
Auch
musikalisch konnte sich diese Aufführung hören lassen. Marie ARNET sang
mit schönem Timbre eine sehr persönlichkeitsstarke Ilia und spielte dazu
auch sehr überzeugend. Ihr geliebter Idamante lag bei Nino SURGULADZE
(auch wenn der Name anderes vermuten ließe: weiblicher Mezzo...) in sehr
soliden Händen. Sie sang und verkörperte glaubwürdig den Thronfolger,
der am Ende nicht als strahlender König, sondern sich als angstvoller
Mensch an Ilia klammert.
Einen
weiteren in höchstem Maße interessanten Tenor (wo kommen die plötzlich
alle her???) gab es als Idomeneo zu erleben: Giuseppe FILIANOTI. Er verfügt
über einen sehr schönen, schmelzreichen Spinto-Tenor, den man wahnsinnig
gerne in einer Verdi-Oper hören will. Dazu kommt eine sehr souveräne Beherrschung
der Technik und überhaupt eine alles in allem tolle Interpretation - und
die Damen der Schöpfung hatten auch noch was zu schauen...;-) Mehr von
ihm, bitte!!!
Die
Krone des Abend teilt er sich mit Helen KWON, deren Elettra von Furor
nur so schäumt. Sie gibt der Rolle ein zudem differenziertes Profil, sowohl
stimmlich als auch darstellerisch. Gerade ihre erste Szene gestaltete
sie ungemein imponierend. Diese Partien liegen ihr einfach unheimlich
gut in der Kehle. Auf ihr avisiertes Salome-Debüt darf man gespannt sein!
Benjamin
HULETT (Arbace) sang seine beiden Arien mit wunderschöner Stimme und ebensolcher
Phrasierung. Als Gran Sacerdote di Nettuno ließ Jun-Sang HAN aus dem Opernstudio
(und einer Seitenloge) aufhorchen. Mit balsamischer, majestätischer und
eindringlich-mysteriöser Stimme verkündete Tigran MARTIROSSIAN als "La
Voce" die endgültige Entscheidung über das Schicksal Kretas.
In
den ganz kleinen Partien ergänzten Bettina RÖSEL und Daniela KAPPEL (Due
Troiane), Seong-Woog CHOI und Milan Mischo KRAVAR (Due Cretesi), sowie
Annegret GERSCHLER und Kathrin VON DER CHEVALLERIE (Due Ninfe) das im
übrigen sehr homogene Ensemble souverän.
Wie
in der Premieren-Serie stand Julia JONES am Pult der gut aufgelegten HAMBURGER
PHILHARMONIKER. Ihr gelang insgesamt ein überzeugendes und präzises Dirigat,
das viel Gespür für die Musik offenbarte, ohne je zu seicht zu werden,
so daß selbst die schon fast barock anmutenden Rezitative erträglich waren.
Der CHOR unter Tilmann MICHAEL stand dem in Nichts nach. WFS
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