Im
Januar ist sie volljährig geworden, die Produktion von Gian-Carlo DEL
MONACOs "Cav/Pag" in Hamburg. Man merkt ihr das Alter aber nicht wirklich
an. Sie eröffnet zwar keine neuen oder ungewöhnlichen Perspektiven auf
die beiden siamesichen Opern-Zwillinge, aber sie ist sehr schön anzusehen
(Bühne/Kostüme: Michael SCOTT), und es passiert eigentlich immer was,
so daß man sich niemals langweilt. Etwas schmunzeln musste ich jedoch,
als ich vor einiger Zeit mal auf ein Foto von der vorangegangenen Produktion
stieß, dessen Bühnenbild diesem doch ziemlich ähnelte.
Wie
so oft in dieser Saison waren die gesanglichen Leistungen recht erfreulich,
wenngleich die große Sensation ausblieb, aber ich will mich nicht beschweren!
Als
Einspringerin für Michele Crider, die schon sehr früh abgesagt hatte,
war Giovanna CASSOLLA als Santuzza zu hören. Sie meisterte die Partie
mit ihrer großen Stimme im besten Sinne des Wortes souverän, wenn da nur
nicht die zahlreichen Schluchzer gewesen wären... Dafür war sie eine gute
Darstellerin und das "Bada" gegen Ende des Duetts mit Turiddu ließ einem
echt den Atem stocken.
Sein
Haus-Debüt absolvierte Carl TANNER als Turiddu (und als Einspringer für
Sergej Larin auch als Canio), und er ließ durchaus aufhorchen. Er ließ
einen angenehm timbrierten Tenor vernehmen, der lediglich in der Siciliana
des Turiddu bei den Verzierungen geringere technische Defizite offenbarte.
Allerdings konnte er durch seinen kultivierten und unpathetischen Stil
auf sich aufmerksam machen. Wenngleich ich ihn nicht zu meinem engeren
Favoritenkreis in dem Bereich zähle, hätte ich nichts dagegen, ihn öfters
zu hören. Es wäre jedoch nett, wenn er an kleineren sprachlichen Schwächen
(Vokale!) noch arbeiten könnte, denn das Wort "Memme" hat im Deutschen
eine andere Bedeutung als "Mamma"...
Der
Koreaner Ko Seng HYOUN (Alfio/Tonio) hat mir letztes Mal als Alfio wesentlich
besser gefallen. Hier war er eigentlich nur im Dauerforte zu hören. Aber
dafür war sein Tonio umso besser. Es ist eine wahre Freude, seinem Prolog
zu lauschen, den er wahrhaft auszugestalten weiß (sowohl sängerisch als
auch darstellerisch). Schade nur, daß erneut nicht mit dem Applaus gewartet
wurde, bis der Prolog tatsächlich zu Ende war, sondern in der Generalpause
vor "Il concetto vi disse" dieser kurzerhand für beendet erklärt wurde...
Hellen
KWON sang mit ihrer schönen, runden Stimme eine rundum zufriedenstellende
Nedda. Ihr Liebhaber Silvio war bei George PETEAN gut aufgehoben, der
der Rolle einen guten Schuß Erotik beimischte.
Als
dritter Koreaner im Bunde mißfiel H-yoon CHUNG (Peppe/Arlecchino), der
sich zu sehr auf seine Stimme verließ und somit zu selbstverliebt sang.
Auch die beiden Mezzos in der "Cav" vermochten nicht zu überzeugen. Brenda
PATTERSONs Lola fehlte einfach der Sex-Appeal in der Stimme, der einem
klar macht, warum sich Turiddu mit ihr einlassen sollte. Wehmütig dachte
ich an eine Antigone Papoulkas oder Yvi Jänicke zurück... Olive FREDRICKS
lebt, glaube ich, wirklich im Haus der Mamma Lucia und wird daher immer
wieder für diese Rolle eingesetzt, da sie sonst ihr Haus nicht zur Verfügung
stellen würde und bei einer anderen (vielleicht mal nicht fürchterlich
hysterischen) Sängerin die Polizei wegen Hausfriedensbruch alarmieren
würde, was solch einer Vorstellung einen gewissen faden Beigeschmack gäbe...
Die
guten sängerischen Leistungen wurden jedoch von Simone YOUNG (für den
erkrankten Constantinos Carydis) am Pult des großartigen PHILHARMONISCHEN
ORCHESTERS HAMBURG überragt, aber nicht in den Schatten gestellt. Dafür
ist diese Ausnahmedirigentin viel zu sängerfreundlich. Sie schafft es,
irrsinnige und gefährliche Tempo-Wechsel innerhalb von einem Takt durchzuziehen,
ohne daß der Klangkörper jemals auseinander zu laufen droht. Young gelingt
es einfach immer wieder, exakt die richtige Stimmung zu kreieren und die
Musik unter Hochspannung zu setzen, egal wie unkonventionell, ja teils
radikal das Tempo auch sein mag - so flammend habe ich die Begleitung
zum "Mamma, quel vino è generoso" noch nie gehört! Sehr freundlich finde
ich auch immer wieder die Geste, daß sie der Soufleuse/dem Soufleur (hier
Petra MAURITZ) beim Schlußapplaus die Hand recht. Der CHOR (Leitung: Florian
CSIZMADIA) leistete solide Arbeit. WFS
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