Mit
einer (nicht wirklich gut besuchten) Opern-Gala wurde in Hamburg in der
Musikhalle Thomas Mann gedacht. Ich muß gestehen, daß er mir bislang literarisch
noch nicht untergekommen ist, und nach diesem Abend hat sich mein Bedürfnis,
das nachzuholen, nicht unbedingt gesteigert (irgendwann werde ich es wohl
mal tun...).
Hans-Jürgen
SCHATZ las prononciert und leicht bewegt aus dem 7. Kapitel aus Manns
"Zauberberg" mit der Überschrift "Fülle des Wohllauts" und gespielt wurden
eben die Stücke, von denen die Rede war, und schlagartig wurde mir klar,
warum Mann nicht als Musikkenner bekannt wurde. Nicht nur, daß er in quälend
langen Sätzen jedes noch so kleine Detail des Grammophons beschreibt,
nein, auch die Äußerungen über die Qualität der Darbietungen, bereitet
mir Haarsträuben, wenn ich mich nicht gerade bei selbigen langweilte,
denn eine "kühle" Traviata will ich NICHT hören (läßt sich aber leider
nicht immer vermieden), auch bin ich kein großer Freund von Registerdivergenzen
bei Mezzosopranen oder anderen Stimmlagen.
Am
Pult der HAMBURGER SYMPHONIKER stand Ralf WEIKERT, der stets bemüht war,
die Sänger zuzudecken, wo es nur möglich war. Dazu kam, daß er keinerlei
Gespür für irgendeines der Stücke hatte. Langweilig dümpelte das "Traviata"-Vorspiel
vor sich hin, einfach nur laut und langweilig war die Ouvertüre zum Offenbachschen
"Orpheus", und das einleitende Tremolo der Streicher zur Barcarole ("Hoffmann")
klang doch eher nach dem aus "Salome", wenn diese darauf wartet, dass
Jochanaan der Kopf abgeschlagen wird... Außerdem hätte man sich vielleicht
für Schuberts "Lindenbaum" überlegen sollen, das mit Klavier-, oder wenigstens
Kammerensemble-Begleitung zu spielen, da die Orchesterbearbeitung (wer
dafür verantwortlich zeichnete, enthält das Programmheft dem geneigten
Zuhörer vor, ebenso wie einen Bericht über Thomas Mann!) dem bekannten
Klavier-Klang nicht im Geringsten nahe kam.
Von
der sängerischen Warte gab es viel Positives zu berichten, aber auch nicht
nur. Zwar verfügt der Bariton Markus WERBA über eine schöne und große
Stimme, aber leider ruht er sich zu sehr auf ihr aus und macht einen auf
Macho. Mag das noch beim Rossini-Figaro im Bereich des Diskutablen liegen
(ich mag es dennoch nicht), geht es beim Wolfram ("Blick' ich umher")
nicht mehr auf. Zu kernig, zu kraftvoll singt er sein Loblied auf die
hehre Liebe, was auch der Arie des Valentin (Gounod-"Faust") sehr schadet,
die ja gerade von den so wundervoll lyrischen "Außenteilen" lebt, die
bei Werba genauso klangen, wie der schnelle Mittelteil. Ein anständiges
legato vermißte ich (gerade bei dieser Arie) doch schmerzlich. Zu wenig
liedhaft und nostalgisch-entrückt war der "Lindenbaum". Übrigens glaube
ich nicht, dass er schon 1966 bei Robert Holl studiert hat, wie im Programmheft
zu lesen war. Zunächst einmal sieht er nicht so aus, als wäre er Ende
50 oder älter, außerdem glaube ich nicht, daß Holl damals schon unterrichtet
hat. Um die Zeit rum, war er ja bestenfalls selbst noch ein Anfänger...
Etwas
besser war es um den Mezzo von Elena ZHIDKOVA bestellt. Auch sie nennt
eine prachtvolle Stimme ihr Eigen, die in allen Lagen ausgeglichen (und
OHNE Registerbruch!) klingt. Nur habe ich den Eindruck, daß ihr die dramatischen
Partien (Amneris und Carmen) ein paar Nummern zu groß sind. Sie hat sie
zwar vokal ohne Tadel gepackt, aber gerade bei Amneris (Duett mit Radames)
fehlte mir die Differenzierung (in der Tiefe war sie nur laut), v.a. das
Buhlen um den Feldherren. Und eine Carmen (Duett mit José) ist sie auch
nicht, aber davon gibt's auch ganz wenige... Gut hingegen gefiel sie mir
in der Barcarole. Ich denke, daß sich diese Sängerin viel Zeit mit den
dramatischen Rollen lassen sollte.
Von
herausragender Qualität präsentierten sich jedoch die beiden anderen Sänger.
Noemi NADELMANN merkte man ihre Erkältung so gut wie gar nicht an, nur
bei den hohen Tönen waren marginale Abstriche zu machen. Aber wen interessiert
das schon, wenn man eine solch grandiose Künstlerin erleben darf??? Die
Intensität, mit der sie die Szene der Violetta aus dem 1. Akt sang, ist
einfach nur beeindruckend und ergreifend, wie man es ganz selten hört.
Und auch die Mimi ("O soave fanciulla") und Aida (Schlußduett) schrieen
förmlich danach, daß man Nadelmann UNBEDINGT die Gelegenheit geben muß,
an den großen Häusern zu singen (und natürlich viel in Hamburg!!!). Das
Potential (tolle Stimme, tolle Interpretation, tolle Ausstrahlung) hätte
sie allemal - aber die derzeitigen Gesetze in dem Markt sind mir eh schleierhaft,
gerade im Bereich der Soprane (siehe Salzburg & Co.)...
Mit
Robert Dean SMITH stand einer der wohl vielseitigsten Sänger auf dem Podium.
Es gibt nicht viele Tenöre, die sowohl Verdi, Puccini und Wagner im Repertoire
haben, diese Fächer alle singen und dabei einen nicht in den Zustand versetzen
à la "Ja, dafür daß er ja eigentlich nicht für dasunddas Fach bekannt
ist, macht er das ja gut", sondern alles klingt, als wäre er in dem jeweiligen
Fach zu Hause, als fühlte er sich darin pudelwohl. Ein Allrounder wie
er im Buche steht. Und auch an diesem Abend glänzte er in allen Punkten.
Ihm stehen sowohl die Lyrismen und das Schwärmerische für den Rodolfo
zur Verfügung, als auch die dramatische Attitüde für Radames, und die
Blumenarie des José sang er einfach hinreißend. Dazu kommt, dass Smith
eine ungemein sympathische Ausstrahlung hat, sowohl von der äußeren Erscheinung,
als auch von der (sehr individuellen) Stimme, was seinem Vortrag auch
immer eine ganz eigene Note gibt. Mit Nadelmann ergänzte er sich wunderbar.
Die Chemie zwischen den beiden stimmte einfach, es machte einen immensen
Spaß ihnen zu lauschen. WFS
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