Nunmehr
ziemlich genau zehn Jahre hat sie auf dem Buckel, die Inszenierung von
Willy DECKER, und noch immer besticht sie durch eine klare und intelligente
Personenführung, als wäre es die Premierenserie. Das Geschehen spielt
sich auf einer großen, grauen Treppe ab (Wolfgang GUSSMANN), zur Rechten
führt eine solche aus dem Verlies Jochanaans herauf. Gussmann zeichnet
ebenfalls für die Kostüme verantwortlich, die in eher farblosen Tönen
(weiß, grau und schwarz) changieren. Bis auf Jochanaan tragen alle Glatzen.
Das ist auch vielleicht der einzige Punkt, den ich nicht so ganz nachvollziehen
kann.
Aber
in dieser meiner vierten Vorstellung ist mir zum ersten Mal aufgefallen,
dass das Bühnenbild nicht unbedingt sängerfreundlich ist. Es verschluckt
doch gerne mal die eine oder andere Stimme (oder hatte ich nur einen ungünstigen
Platz?).
Von
der Besetzung her gab es bei den Herren für mich in den letzten drei Vorstellungen
eigentlich nur Enttäuschungen, aber die wurden hier ausgetauscht, und
die neuen Besetzungen fügten sich glänzend in das ansonsten auch optimale
Ensemble ein.
Zum
einen ist da Albert DOHMEN, der einen rundum überzeugenden Jochanaan singt.
Er lotet die Partie sehr clever aus und differenziert sehr schön. Er hat
sowohl die mächtigen, bedrohlichen Mittel für die Anklagen gegen die Verruchtheit,
verfügt aber auch über die nötige Heiligkeit. Am besten hat er mir aber
gefallen, wenn er aus dem Kerker sang, da klang seine Stimme irgendwie
lauter, und man konnte die Nuancen besser raushören. Aber auch darstellerisch
konnte er durchaus überzeugen.
Gleiches
läßt sich über Günter NEUMANN sagen, dem aus mir nicht bekannten und verständlichen
Gründen eine ganz große Karriere versagt blieb. Er singt den Herodes nämlich
wundervoll facettenreich und ein bisschen bizarr, kehrt nicht nur den
ekligen Pädophilen raus, der seine Tochter angeifert, sondern liefert
ein psychologisches Portrait eines geistig verwirrten Herrschers, was
sich auch in seiner grandiosen Darstellung widerspiegelt. Zwar merkt man
schon, daß er gelegentlich an seine stimmlichen Grenzen stößt, aber dennoch
war das eine geniale Leistung!
Seine
Herodias wurde überaus kompetent von Hanna SCHWARZ mit riesiger Stimme
interpretiert. Auch ihr gelingt ein tolles Charakterportrait. Es ist immer
wieder ein Genuß, ihr zu lauschen, wie sie die Rollen verinnerlicht hat.
Auch sie durchleuchtet die Partie bis in kleinste Detail und kehrt nicht
nur die herrische Furie heraus.
Immer
wieder eine Sensation ist für mich Inga NIELSEN als Salome. Wenn man sie
hört, kann man gar nicht glauben, dass die Frau eine Endfünfzigerin ist,
so frisch und jugendlich klingt sie noch. Ihre Interpretation ist schlichtweg
überragend. Sie schwankt immer hin und her zwischen naivem Kind auf der
einen Seite und femme fatale auf der anderen, je nachdem, was die Rolle
gerade erfordert, ohne daß das in irgendeiner Form aufgesetzt wirkt.
Renate
SPINGLER gab einen hervorragenden Pagen, dem sie mit ihrem edlen, ausdrucksstarken
Mezzo großes Profil verlieh (wann darf man sie endlich mal in einer großen,
tragenden Rolle erleben???). Peter GALLIARD (Narraboth) ist eigentlich
immer gut darin, mich zu nerven mit seinem ständigen Forcieren. Wahrer
Luxus war Alexander TSYMBALYUK als 1. Soldat. Der 2. war bei Wilhelm SCHWINGHAMMER
in guten Händen. Die beiden Nazarener wurden von Andreas HÖRL (weniger
nervig als ich ihn kenne) und Christoph POHL (solide) gesungen. Die fünf
Juden wurden von Christoph WITTMANN, Frieder STRICKER, Jürgen SACHER,
Jonas OLOFSSON und Jörn SCHÜMANN engagiert und mit Spiel- und Sangesfreude
gegeben.
Christoph
RAUSCH war der Cappadocier mit fahlem Baß und Piotr PAJACZKOWSKI der nicht
auffallende Sklave. Fans des allgemeinen Fernseh-Trash à la „Big Brother“
(zu denen ich mich zugegebenermaßen zähle – Wer das Schlechte kennt, weiß
das Gute umso mehr zu schätzen!), dürfte Tetje MIERENDORF als „großer,
dicker, peinlicher Verlobter“ noch in Erinnerung sein. Hier war er der
große, dicke, tödliche Henker Naaman.
Unter
Philippe AUGUIN ließ das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER HAMBURG lauter
richtige Töne zur richtigen Zeit vernehmen. Leider schaffte er es nicht,
dem Klangapparat die nötige magisch-mystische Erotik zu entlocken. Aber
im Vergleich zu seinem Vorgänger war er sehr anständig. WFS
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