17
Jahre ist er alt, der Hamburger "Tristan", für dessen Produktion die umstrittene
Ruth BERGHAUS verantwortlich zeichnete. Auch nach dem 6. Mal habe ich
nicht wirklich verstanden, was die Regisseurin damit aussagen möchte.
Sie siedelt das Geschehen in einer tristen, überwiegend grauen Weltraum-Einöde
an. Das Bühnenbild entwarf Hans-Dieter SCHAAL, die ebenfalls nicht sehr
farbenfrohen Kostüme und Requisiten Marie-Luise STRANDT. Der 1. Aufzug
spielt auf einem Raumschiff, auf dem zahlreiche Statisten unter Liegestühlen
liegen und ab und an sich erheben. Der zweite spielt vermutlich im Motorraum
des Schiffes. Passend in Bezug auf die Grundstimmung finde ich das 3.
Bild, wo ein Mond auf den Planeten (oder das Raumschiff?) gestürzt zu
sein scheint und alles in Trümmern liegt. Von der Personenführung her
ist es eine solide Produktion, in der, wie in vielen, die Liebenden nicht
unbedingt so gezeigt werden, wie man sich solche vorstellt, sondern sehr
distanziert. Alles in allem stört mich die Inszenierung aber nicht.
Von
der sängerischen Seite gibt es, wie bereits so oft in dieser Spielzeit,
fast keine Ausfälle zu verzeichnen. Bedauerlicherweise bezieht sich dieses
"fast" auf die Hälfte der Protagonisten...
Wenn
John TRELEAVEN (Tristan) mich in den leisen und lyrischen Passagen so
überhaupt nicht berühren konnte, ja, nahezu langweilte, metzelte er in
den (zahlreichen) dramatischen Ausbrüchen die Partie grobschlächtig nieder.
Er klang eher nach einem schlechten Mime oder Herodes. Da konnte auch
die zugegebenermaßen anständige Phrasierung nichts mehr ändern. Ich hatte
mehr den Eindruck, daß er die Rolle aufs Durchkommen anlegte. Dabei möchte
man eigentlich annehmen, daß er, der sich ja in letzter Zeit auf gerade
diese schwer(st)en Partien spezialisiert und kaum anderes singt, über
mehr Erfahrung und Durchhaltevermögen verfügen sollte.
Mit
Wolfgang KOCH stand ein vielversprechender Nachwuchs-Heldenbariton als
Kurwenal auf der Bühne, der nach solidem Beginn sich im dritten Akt steigern
konnte und gerade in den auftrumpfenden Phrasen mit toller Höhe aufwartete.
Die leiseren, ruhigeren Passagen sind seine Sache noch nicht so ganz,
aber ich bin recht zuversichtlich, daß das mit der Zeit auch noch kommen
wird.
Harald
STAMM konnte einmal mehr demonstrieren, was er für eine prachtvolle Stimme
hat und was für ein genialer und versierter Wagner-Interpret er doch ist.
Er bot eine phantastische Charakterstudie des Königs Marke, die stets
zwischen engster Freundschaft, Verständnis und Enttäuschung gegenüber
Tristan schwankte.
Ihr
Hamburg-Debüt gab Bernadette CULLEN (Brangäne), die eine in erster Linie
solide Leistung bot, welche mich aber nicht unbedingt zu begeistern vermochte.
Peter GALLIARD war ein souveräner Melot. Die kleinen Tenor-Rollen waren
mit Jürgen SACHER (Hirt) und Benjamin HULETT als äußerst stimmschönem
Seemann glänzend besetzt. Einen positiven Eindruck hinterließ Wilhelm
SCHWINGHAMMER als Steuermann.
Und
dann war da noch die Isolde von Elizabeth CONNELL, die m. E. viel zu wenig
im Bewußtsein der Opernszene ist und schon gar zu selten in Hamburg singt,
was diese Aufführung unter Beweis stellte. Connell singt (!) diese wahnsinnig
anspruchsvolle Partie nicht nur ohne nennenswerte Probleme, sondern gibt
ihr ein schlüssiges und ergreifendes Profil. Bei dem höchst intensiven
Liebestod, wagte vermutlich kaum einer Luft zu holen (außer denen, die
meinten reden zu müssen...).
In
seiner Wirkung verstärkt wurde gerade dieses Stück von dem sensiblen Dirigat
von Simone YOUNG, die bereits beim Beschreiten des Podiums zum 3. Aufzug
mit Jubel bedacht wurde und am Ende der Vorstellung, sichtlich mitgenommen,
aber glücklich, die brandenden Ovationen dankbar und vollkommen verdient
entgegennahm. Eine der wesentlichen Eigenschaften von Young ist, daß sie
es schafft, in sämtlichen Tempi den großartig spielenden HAMBURGER PHILHARMONIKERN
ein Höchstmaß an Spannung zu erzeugen und stets den richtigen Ton zu treffen,
um die "richtige" Atmosphäre zu kreieren. Selten hört man das Vorspiel
dermaßen langsam und doch so spannungsgeladen - selbst die Generalpausen
klingen! Den kurzen Einsatz gegen Ende des ersten Aufzugs absolvierte
der Haus-CHOR unter Florian CSIZMADIA solide. WFS
|