Diese
Produktion ist zweifellos die beste einer italienischen Oper der gesamten
Amtszeit Metzmacher. Nach solchen grandiosen Flops wie „Macbeth“, „Lucia
di Lammermoor“, „La Bohème“, „Forza del destino“, „Trovatore“, „Don Carlos“,
"Nabucco" und „Ballo in maschera“ (wobei letzteres inzwischen
im Repertoirebetrieb wenigstens nicht mehr ärgerlich ist) ist das allerdings
ein zweifelhaftes Kompliment, auch wenn sich Rossinis Dramma buffo durchaus
sehen kann.
Das
Bühnenbild und die Kostüme (Herbert MURAUER) sind nicht übermäßig auffällig,
aber passend; sie fügen sich gut in die Handlung. Die Regie von Christof
LOY hat einige hübsche Ideen: Selim kommt mit einem fliegenden Teppich
und wird von einem schwarz gekleideten Leibwächter begleitet (sehr präsent
und extrem cool: Apostolos DULAKIS), Prosdocimo hat durch Prügel oder
Unfälle bei jedem seiner Auftritte eine neue Blessur, zur Annäherung von
Fiorilla und Selim gibt die Espressomaschine ihren Kommentar, und zu guter
Letzt sieht man Selim und Zaida einerseits und Fiorilla und Geronio andererseits
in ihren Wohnzimmer sitzen, wo sie um Fernsehprogramm und Fernbedienung
streiten. Narciso ist gesetzt geworden, und zwischen Albazar und dem Leibwächter
scheint sich etwas anzubahnen.
Dazwischen
gibt es jedoch auch Szenen, die mehr Tempo hätten vertragen können. Insbesondere
die Maskenballszene wirkte ein wenig verschenkt, hier hätte man das komödiantische
Potential der Sänger sicherlich noch mehr nutzen können. Auf das, in der
Ball- und den Strandszenen vorhandene, in Zeitlupe abspielende Hintergrundgeschehen
hätte man auch verzichten können, es war weder komisch, noch erhellend.
Von
den Sängern her war der Abend vor allem als Ensembleleistung überraschend
erfreulich, was die Papierform bei einigen Namen nicht unbedingt erwarten
ließ.
Yolanda
AUYANET, für Inga Kalna eingesprungen, traf darstellerisch und musikalisch
den Ton der kapriziösen Fiorilla genau und erfreute mit klarem Sopran,
sauberen Koloraturen und viel Sex-Appeal. Zaida (Tamara GURA) stand ihr
sängerisch in nichts nach und war im Bauchtanzkostüm wie im Babydoll reizend
anzusehen. Sollte hier allerdings einmal eine Sängerin die Partie übernehmen,
die nicht über Frau Guras zierliche Figur verfügt, hoffe ich, daß sich
die Kostümwerkstätten etwas einfallen lassen.
In
der Titelrolle war Balint SZABO zu hören. Er singt die Rolle sauber, hat
alle Töne und spielt überaus engagiert. Was (noch) fehlt ist die Ausstrahlung,
die Frauen sofort nervös machen kann, und die Fähigkeit, dies auch mit
der Stimme zu vermitteln. Renato GIROLAMI (Geronio) kann eines der schnellsten
parlando sein eigen nennen. Er differenziert wunderbar, gelegentlich hört
man, daß die Stimme durchaus großes Volumen hat, und ihm gelingt es, aus
dem gehörnten Ehemann keinen Volltrottel zu machen.
Die
Überraschung für mich war der (einspringende und als krank angesagte)
Jan BUCHWALD als Prosdocimo. Ich konnte bisher diesem Sänger nicht viel
abgewinnen, doch zumindest für diese Rolle muß ich mein Urteil revidieren.
Mit viel Verständnis für den Rossini-Stil und einer ungeahnten darstellerischen
Agilität läßt er einen gut geführten, warmen Bariton hören. Eine sehr
erfreuliche Entwicklung.
Narciso
David ALEGRET spielte einen italienischen Jung-Macho, wie man ihn auf
jeder Piazza zu Hunderten treffen kann mit enger Jeans, Sonnenbrille und
Gel im Haar. Der junge Sänger hat sicherlich weder das aufregendste Timbre,
noch die brillanteste Höhe, aber er macht mit seinen geschmackvoll eingesetzten
Mitteln das beste aus der Rolle. Als Albazar ergänzte Jonas OLOFSSON und
klang besser als bei den vorherigen Begegnungen.
Wenig
glücklich werden konnte man allerdings mit dem Dirigat von Michael HOFSTETTER,
der schon im „Trovatore“ durch merkwürdige Tempi negativ aufgefallen war.
Diesmal dirigierte er eine arg zerdehnte Ouvertüre – und daß es in der
Sängerbegleitung dann auch nur gelegentlich flotter zuging, möchte man
eher den Sängern anrechnen. Es ist nicht nachvollziehbar, wie jemand Rossini
derartig temperamentlos dirigieren kann.
Das
PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER hätte zumindest bei den Bläsern vielleicht
besser ebenfalls als indisponiert angesagt werden müssen; so viele Patzer
und Unsauberkeiten (in der dritten Vorstellung einer Premierenserie!)
dürfen einfach nicht passieren. Der CHOR (Leitung Tilman MICHAEL) war
mehrfach dabei, auseinander zu fallen, und klang, mit der lobenden Ausnahme
in den Einsätzen in Fiorillas großer Soloszene, generell sehr unsicher.
MK
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