SPERRIGER EINSTAND

Nach einem glanzvollen Auftakt mit einer Aufführungsserie von "La Traviata", gab es nun den "offiziellen" Einstand von Simone YOUNG, die ihre erste Premiere am Haus leitete. Sie hätte es sich sicherlich mit einer populären Verdi-Oper oder ähnlichem einfach machen können, aber nein, sie entschied sich für den unbekannten 4-Stunden-Brocken von Paul Hindemith. Das hatte leider zur Folge, daß die von mir besuchte B-Premiere bei weitem nicht ausverkauft war, was ich insbesondere von der musikalischen Seite aus sehr schade finde. Da gab es erfreulicherweise nichts zu beanstanden.

Das gilt leider nicht für die szenische Leistung, für die der Regisseur Christian PADE mit seinem Ausstatter Alexander LINTL, Franz Peter DAVID (Licht) sowie fettFilm, Momme HINRICHS und Torge MÖLLER (Video) verantwortlich zeichnete. Zwar gab es durchaus interessante Szenerien, deren Bedeutung sich mir jedoch nicht erschloß. Aufschluß darüber gaben die Erklärungen (in Bildform) im Programmheft, die ich zwar vom Sinn her verstand, aber nicht vom Sehen. Ich finde, daß eine gute Regie selbsterklärend ist. Für diese hier braucht man (bzw. brauche ich) vermutlich eine Gebrauchsanweisung oder ein abgeschlossenes Regie-Studium. Auch wenn die Bilder und Aktionen der Protagonisten einen Sinn hatten (wovon ich ausgehe), blieb dieser mir verborgen, mit Ausnahme der Sterbeszene der Regina, in der diese gedoppelt wurde: Während die singende (Seele von) Regina auf der Bühne agierte, lag die sterbende (reale) in den Armen von Mathis.

Mit Falk STUCKMANN in der irgendwo zwischen Wotan und Liedgesang angelegten, sehr komplexen Partie des Mathis (= Mathias Grünewald, Schöpfer des Isenheimer Altars) wurde ein Sänger allerersten Rangs aufgeboten. Er verstand es, von seiner ersten Phrase bis zum finalen "was ich liebte" zu packen, durchmaß die Partie mit seinem kraftvollen, zugleich sensiblen Heldenbariton sowie wundervollem Legato in all ihren Facetten. Struckmann arbeitete gerade den Zwiespalt zwischen Künstler und Kämpfer für die Bauernbewegung sehr gut heraus.

Als Kardinal Albrecht von Brandenburg debütierte Scott MacALLISTER in Hamburg. Leider vermochte er es nicht so gut, seinen Zwiespalt, dem zwischen der Hörigkeit gegenüber der Kirche und seiner Neigung zur Bauernbewegung so deutlich zu machen. Dennoch gelang ihm eine souveräne sängerische Leistung.

Harald STAMM gab bestens disponiert einen hervorragenden Riedinger. Peter GALLIARD, der als Wolfgang Capito vorgesehen war, konnte aufgrund einer Kiefer-Operation nur spielen (das jedoch nicht sonderlich gut...), den Gesangspart übernahm der solide Robert WÖRLE.

Zu brutal war mir der Hans Schwalb von Pär LINDSKOG angelegt. Sicherlich gibt die Rolle das auch in gewisser Weise her, aber mir fehlte einfach die Leidenschaft, mit der er z.B. seine Belange bei Mathis im ersten Bild vorträgt. Diese jedoch, wenngleich konträrer Intention, gepaart mit einer gehörigen Portion Spielfreude konnte man hingegen bei dem großartigen Jürgen SACHER (Sylvester von Schaumberg) genießen.

In der Rolle der Regina konnte Inga KALNA insbesondere in ihrer Todesszene mit zartesten piani für sich einnehmen. Die Ursula wurde von Susan ANTHONY ganz solide gesungen, aber wirklich überzeugen konnte sie mich nicht. Renate SPINGLER war eine sehr intensive Gräfin Helfenstein, die mit ihrem metallisch funkelndem Mezzo begeistern und mitreißen konnte.

Carsten WITTMOSER ließ als Lorenz von Pommersfelden aufhorchen, Moritz GOGG fiel als Truchsess von Waldburg ebenso wie Ho-yoon CHUNG, der nun mittlerweile schon das zweite Jahr im Opernstudio ist, nicht weiter auf. Sehr homogen klangen die vier Bauern (Seong-Woog CHOI, Jürgen OHNEISER, Peter VEIT, Günter HARTMANN).

Als gute Sachwalterin dieser Musik erwies sich die GMDin Simone Young am Pult der gut disponierten HAMBURGER PHILHARMONIKER, der es u.a. zu verdanken ist, daß mir die Oper, die nicht wirklich zu meinen Favoriten zählen wird, nicht allzu lang vorkam. Bei dem einen oder anderen Tutti-Akkord hätte ich mir vielleicht ein bißchen mehr Dramatik gewünscht, aber im Großen und Ganzen war es eine sehr gute Leistung. Eine ebensolche leistete der CHOR unter Florian CSIZMADIA. WFS