ENDLICH
hat die live-opernlose Zeit ein Ende – und was für eins!!! Nach der grundsoliden,
aber nicht wirklich spannenden Amtszeit von Louwrens Langevoort und dem
von mir in Sachen Wagner und (wenn’s denn unbedingt sein muß...) Moderne
hochgeschätzten Ingo Metzmacher, war es einmal Zeit für einen Wechsel
und damit einhergehenden frischen Wind. Und der kam und wird hoffentlich
noch lange blasen.
OK,
zwar ist die nunmehr 31 Jahre alte, schon etwas angestaubte, aber alles
in allem souveräne, wenn auch nicht sehr inspirierte Inszenierung von
Folke ABENIUS (Rampensingen inklusive) in dem nicht so prunkvollen Bühnenbild
von Toni BUSINGER (ich frage mich, was die einsamen Fenster auf dem Balkon
im zweiten Bild zu suchen haben – vermutlich eine Wand...) nicht unbedingt
dafür per se geeignet. Die zeitgemäßen Kostüme entwarf Hans-Günter WILLERSCHEIDT.
Sängerisch
gab es von den Hauptpartien bis hin zu den Wurzen fast ausschließlich
neue Gesichter und Stimmen. So gab die Amerikanerin Elizabeth FUTRAL ihr
Haus-Debüt in der Titelpartie, welches sie in souveräner Manier absolvierte.
Sie hat die Technik, diese hochgradig schwere Rolle durchzustehen, versteht
sich auch darauf, differenziert zu singen, aber ich vermisßte doch die
Intensität, die Beseeltheit, die eine Violetta verlangt – zumindest hat
sie mich nicht wirklich erreicht. Dazu kommt, daß ich mit ihrem Timbre
nicht sehr viel anfangen kann. Zwei kleinere falsche Einsätze sind vermutlich
ein wenig der Debüt-Nervosität geschuldet.
Sehr
erfreut war ich hingegen über meine erste Begegnung mit Giuseppe SABBATINI
(Alfredo), der mich meine Lamentos über Mangel an guten Spinto-Tenören
fast vergessen ließ. Während er im ersten Akt nur solide war, konnte er
sich im Verlaufe des Abends steigern und sang einen hervorragenden zweiten
Akt. Seine Arie war einfach großartig gesungen und interpretiert und wurde
von einem wundervollen Schwellton gegen Ende selbiger, sowie einer tollen
Cabaletta (!!!) veredelt. Doch ihm stehen auch die dramatischen Mittel
für seine intensive Anklage im dritten Bild zur Verfügung, in dem er Violetta
in gekonnter Art und Weise bloßstellt, ebenso wie die lyrisch-zarte Stimme
für das herrliche „Parigi, o cara“.
Was
erwartet man (ich) von einem tollen Germont père? Eigentlich sollte man
sich doch im Idealfall den ganzen Abend lang wünschen, seinen Kopf gegen
die nächste Wand zu schlagen. Leider war von der bösen Seite seines Charakters
bei dem Hamburg-Debütanten Ambrogio MAESTRI so absolut gar nichts zu spüren,
auch von keiner anderen. Er hat zwar eine in allen Lagen durchaus qualitätsvolle
Verdi-Bariton-Stimme mit guter Höhe, aber auf die Dauer langweilte mich
sein monochromer Mezzoforte-Gesang doch ziemlich (das Publikum war jedoch
erstaunlicherweise begeistert). Seltsam war dann auch noch, daß er gut
neunzig Prozent seiner (selbst)darstellerischen Mittel für seinen Applaus
aufhob. Aber es war mal schön, auch wieder die Bariton-Cabaletta zu hören.
Die
Comprimarii waren durch die Bank weg gut besetzt. Insbesondere Brenda
PATTERSONs Flora ließ aufhorchen. Katja PIEWECK sang eine solide Annina,
Ho-Yoon CHUNG einen guten Gastone. Carsten WITTMOSER (Douphol), Tim MIRFIN
(d’Obigny) und Tigran MARTIOSSIAN (Grenvil) ließen durchaus angenehme
Baß-Stimmen vernehmen, und Frieder STRICKER komplettierte das Ensemble
als Giuseppe.
Aber
das beste an diesem ganzen Abend war die Aussicht darauf, daß man noch
sehr oft hier ein dermaßen geniales Dirigat erleben darf. Simone YOUNG
gab mit dieser „First Night“ ihren umjubelten Einstand als GMD der Hamburgischen
Staatsoper. Und es war die reinste Freude!!! Selten hat man das glänzend
aufspielende PHILHARMONISCHE ORCHESTER so inspiriert gehört! Young holte
alles aus der Partitur raus, was überhaupt drinsteckt. Da gab es sowohl
lyrisch-melancholische, morbide, träumerische wie auch dramatische und
spritzig-raffinierte Passagen. Jeder Tempowechsel (die Bandbreite reichte
von sehr langsam und dennoch höchstspannend bis rasend schnell und dennoch
zusammen) wirkte vollkommen schlüssig. Dazu kamen noch diese Zwischentöne
und kleinen dynamischen Nuancen, die das ganze zu einem hochgradig intensivem
Erlebnis machten. Außerdem zeigte sie, daß sie eine Sängerbegleiterin
par excellence ist, die quasi mit den Sängern zu atmen scheint und sie
auf Samthänden durch den Abend schweben läßt!!! Die Chemie zwischen Bühne
und Orchestergraben stimmte einfach – das war Verdi at its very very best!!!!!!
MEHR DAVON!
Der
CHOR unter Florian CSIZMADIA ließ sich von diesem Dirigat offenbar auch
anstecken und sang seinen Part sehr anständig.
In
diesem Sinne möchte ich auf diesem Wege Simone Young alles erdenklich
Gute für ihre (hoffentlich lange) Amtszeit und vor allem viel Kraft für
die Dreifachbelastung GMD und Intendantin der Oper, sowie GMD der Philharmoniker
wünschen!!! LIBIAMO, SIMONE! WFS
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