Hamburger
Opernsommer – Was verspricht man sich von einem solchen Titel? Also ich
für meinen Teil, Produktionen aus dem Repertoire mit toller Besetzung
und entsprechenden Preisen. Und was kriegt man? Produktionen aus dem Repertoire
mit Besetzungen, die man auch sonst am Haus hört zu normalen Preisen.
Wozu nennt man das nicht einfach Saisonauftakt??? Das einzige, was anders
war als sonst, war, daß das Publikum schlimm wie selten war (fünf Minuten
nach dem angesetzten Beginn waren die Türen immer noch geöffnet, und die
Leute strömten, und im Saal war es teils sehr laut). Na, ja, vielleicht
sind diejenigen nur in einen Lachkrampf oder regungslose Erstaunensstarre
verfallen ob der neuen Foyers, die so viel Wärme und Gemütlichkeit ausstrahlen
wie eine zum Verkauf stehende ehemalige Parfümerie, nur ohne Geruch. Ich
frage mich, ob nicht das Geld, das dafür verbraten wurde nicht besser
in spannenderen Besetzungen investiert gewesen wäre.
Denn
was es an diesem Abend zu hören gab, war symptomatisch für die Spielplangestaltung
des scheidenden Intendanten Louwrens Langevoort. Langeweile über Langeweile
(mit einigen wenigen Ausnahmen. Zu denen zählte leider nicht das Dirigat
von Stefan BLUNIER (GMD in Darmstadt und m. W. Hausdebütant), das so öde
und akzentfrei war wie lange nicht mehr. Ich hatte manchmal eher das Gefühl,
als würde ich „Peer Gynt“ hören... Außerdem kam es in Ensembles des öfteren
fast zu Ausstiegen, und bei manchen Stellen war die Melodie kaum noch
zu erkennen, so verwaschen war der Klang. Mir fallen auf Anhieb drei Dirigenten
aus der näheren Umgebung ein, die das weitaus besser dirigiert hätten
- und das bestimmt für das gleiche Geld... Der CHOR unter Florian CSIZMADIA
hatte auch schon weitaus bessere Tage. Die HAMBURGER ALSTERSPATZEN unter
ihrem derzeit sehr in der (nicht künstlerischen) Kritik stehenden Leiter
Jürgen LUHN waren wieder mal sehr gut.
Mit
der Titelpartie debütierte der russische Mezzo Julia GERTSEVA in Hamburg.
Vor zwei Jahren bei der AIDS-Gala der Deutschen Oper Berlin im TV fiel
sie mir recht positiv auf. Dieser Eindruck relativierte sich aber alsbald.
Sie hat für die Rolle weder den nötigen Aplomb noch die Ausstrahlung,
noch das stimmliche Charisma, sondern war schrecklich langweilig. Mag
sein, daß sie in anderen Rollen besser ist, aber von einer auch nur halbwegs
guten Carmen ist sie so weit entfernt, wie ein Pantoffeltierchen einmal
so groß wie ein Pottwal zu werden.
Jean-Pierre
FURLAN (José) ist auch nicht gerade das, was ich als sonderlich spannenden
Sänger bezeichnen würde, sondern eher ein grundsolider Sänger, aber verglichen
mit den Alternativen, die so aktuell die Bühnen bevölkern, ist er noch
einer der besseren. Immerhin sieht er nicht aus wie ein mutiertes Schwein
mit Bart und schreit nicht so furchtbar. Furlan konnte sich im Verlauf
des Abends steigern, sang ein seht akzeptables, gut phrasiertes „La fleur“
und ein gutes Finale – man hätte ihm aber eine bessere Bühnenpartnerin
gewünscht. Es störte allerdings ein wenig, daß seine Stimme noch rauer
wird, wenn er ins Piano geht.
Kommen
wir zu den positiven Aspekten, die allesamt im Bereich der tiefen Herren
zu finden waren. Da war zum einen Boris TRAJANOV (für Simon Estes eingesprungen),
der zwar nicht die Idealverkörperung des Toreros Escamillo ist, aber nennen
Sie mir einen Sänger, der diese so unbequeme Partie wirklich gut und nicht
nur zufriedenstellend rüberbringt! Er nennt einen sehr qualitätsvollen
Verdi-Bariton sein eigen, von dem man hoffentlich noch viel hören wird,
Frau Young. Der Dancairo von dem Opernstudiomitglied Christoph POHL ließ
nicht nur aufhorchen (aus ihm kann u.U. was werden), sondern auch aufsehen,
denn er spielte sehr gut. Der eigentliche Star war für mich aber der Zuniga
von Alexander TSYMBALYUK, dem man größere Partien (Großinquisitor!!!)
wünschen möchte, so toll und machtvoll wie er sang und spielte. An dieser
Stelle noch mal ein großer Dank an Paata Burchuladze, der dieses große
Talent dem Vernehmen nach seinerzeit an das Internationale Opernstudio
empfahl.
Anja
HARTEROS (Micaela) war die Premierenbesetzung der „Meistersinger“-Eva
und bestätigte den Eindruck einer sehr soliden Sängerin.
Eine
Sache will mit aber nicht recht in den Kopf: Warum muß man für den Moralès
einen Gast engagieren. Warum lässt man das nicht Jan Buchwald oder George
Petean machen? Oder vielleicht sogar Pohl als Doppelbesetzung Dancairo/Moralès?
Ich bitte, das nicht als Wertung der souveränen Leistung Klaus HÄGERs
zu betrachten, sondern nur als generelle Frage.
Die
Frasquita von Sabine RITTERBUSCH fiel durch zahlreiche schiefe Töne negativ
auf, Susanne SOMMER (Mercedes) hingegen nicht wirklich, ebenso wie Dirk
SCHMITZ als Remendado. Sabine NOLDE (Verkäuferin), Günter HARTMANN (Verkäufer),
Christoph RAUSCH (Kunde), Sun-Ill PAIK (Offizier) und Erie BESSERT (ein
Mädchen) ergänzten solide.
Die
nun auch schon 24 Jahre alte Produktion von Piero FAGGIONI in der Ausstattung
nach Ezio FRIGERIO ist klassisch gehalten, und alles in allem sehr solides
Handwerk, das man eigentlich immer mal wieder gerne sieht.
Es
bleibt aber zu hoffen, daß die nächste Saison doch noch ein wenig spannender
wird, was ich jedoch anzweifle... Ein frischer Wind ist nötig! WFS
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