Bald
24 Jahre ist die Inszenierung nach Piero FAGGIONI alt. Sie hat
ihren Reiz in der Schlichtheit der Ausstattung nach Ezio FRIGERIO,
in der Klarheit der Kulissenformen. Man weiß jeweils, wo man sich befindet.
Keine aufgetürmten Quader oder plakative Hintergrundbilder behindern Sicht
oder Ansicht der Zuschauer.
Musikalisch
zeigte sich der Abend durchwachsen, aber steigerungsfähig.
Das
begann bei der musikalischen Leitung durch Lothar KOENIGS. Anfangs vermittelte
sein Dirigat noch das Gefühl von solider, aber nicht sehr emotioneller
Arbeit, doch das Vorspiel zum dritten Akt wurde dann unversehens zum orchestralen
Höhepunkt, und die temperamentvolle Wiedergabe im vierten Aktes fernab
von Folklorekitsch topte dies noch.
Eine
ähnliche Steigerung widerfuhr der Carmen von Yvonne NAEF. Gesanglich von
ersten Moment an erstklassig, fehlte ihr anfangs noch das Wilde, Temperamentvolle
der Verführerin. In der Auseinandersetzung mit Don José im dritten Akt
lief sie zur Höchstform auf, was sich im Schlußduett fulminant fortsetzte.
Schade, daß die Künstlerin sich nicht traute, mehr tänzerischen Einsatz
zu zeigen. Ihr Solo für José im zweiten Akt bewies nämlich, daß sie durchaus
über entsprechendes Talent verfügt.
Danielle
HALBWACHS war als Micaela eine Sensation. Ihrem schönen, gut geführten
Sopran hätte man stundenlang zuhören können. Sie gestaltete die Figur
als eine Carmen an Willenskraft ebenbürtige junge Frau, die entschlossen
ihr Ziel, José (zurück-) zu gewinnen, verfolgte.
Als
love interest beider Damen brüllte sich Alberto CUPIDO erwartungsgemäß
durch die Partie. Sein Don José ist nicht besser als bei der letzten Begegnung
vor einigen Jahren. Sicher, die lauten, hohen Töne saßen, doch sie waren
zu laut, zu überzogen. Es fehlte jegliche Gesangskultur. Differenzierung
schien ein Fremdwort, und man vermißte jede Rollencharakterisierung außerhalb
von Händeringen.
Das
einzige vom Tenor an diesem Abend versuchte Piano gelang in der Blumenarie
übrigens sehr anständig. „Geht doch! Geht doch!“ wollte man da dem Künstler
nach Manier eines aktuellen Werbespots zurufen.
Escamillo
gehört wahrlich nicht zu meinen Lieblings-Baritonpartien. Das Prestige,
wenn alles gelingt, ist sicherlich ungeheuer groß, doch das gilt ebenso
für die Gefahr, daß etwas schiefgeht. Cheyne DAVIDSON schlug sich bei
seinem ersten Auftritt wacker, konnte aber später wesentlich mehr überzeugen.
Seine Stimme bestätigte den positiven Eindruck in Zürich vor gut drei
Jahren. In der Darstellung vermißte man noch etwas Nonchalance.
Die
Begegnungen mit Alexander TSYMBALYUK verlaufen immer erfreulicher. An
diesem Abend war es insbesondere die gesangliche Leistung, wogegen sein
Zuniga im Spiel noch ein wenig unbeholfen wirkte. George PETEAN war von
meiner Begleitung mit allerhand Vorschußlorbeeren versehen worden. Und,
in der Tat machte er aus der kurzen Rolle des Moralès sehr viel. Er war
stets präsent, und sein Gesang weckte die Neugier auf seine größeren Partien.
Renate
SPINGLER (Mercédès) und Ingrid FRØSETH (Frasquita) harmonierten sehr gut
und lieferten eine beeindruckende Leistung im Kartenterzett. Wogegen Ho-yoon
CHUNG (Remendado) und Christoph POHL (Dancairo) zwar darstellerisch überzeugen
konnten, musikalisch aber eher am unteren Level rangierten.
Der
CHOR leistete sich zwar die leider üblichen Aussetzer im ersten Akt, lieferte
dann aber eine durchaus anständige Leistung ab, woran die Damen einen
größeren Anteil hatten als die Herren.
Aus
dem Orchestergraben hörte man vom PHILHARMONISCHEN ORCHESTER eine anfangs
solide, schließlich sogar eine sehr engagierte Leistung (s.o.). Bedauerlicherweise
schepperte es häufiger im Blech, was den positiven Eindruck etwas schmälerte.
Es
war ein schöner Repertoireabend mit herausragenden solistischen Leistungen,
der optimistisch stimmt, daß man demnächst wieder häufiger zuhause in
die Oper gehen kann. AHS
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