8
Jahre vergingen seit der letzten Vorstellung von Beethovens Oper „Fidelio“
an der Hamburgischen Staatsoper, dessen Produktion 8 Jahre im Repertoire
war. Und nach erwähnten 8 Jahren hatte nun am 04.04.04 genau diese Oper
Premiere. Ich glaube allerdings eher weniger, daß sich die Verantwortlichen
um dieses Zahlenspiel sonderlich geschert haben...
Jedenfalls
gab es ein (spätes) Debüt zu vermelden, nämlich in Form von Hans NEUENFELS,
dem einundsechzigjährigen Skandalregisseur, der, wo er auch immer inszeniert,
wie kaum ein anderer auf nahezu ungeteilte Ablehnung stößt. Es war ein
ausdrücklicher Wunsch des GMD Ingo Metzmacher mit ihm eine Oper rauszubringen,
was hiermit erfüllt wurde. Es war meine erste Produktion, die ich von
ihm sah (abgesehen von ein paar Ausschnitten im TV von anderen Arbeiten),
und muß zugeben, daß ich es mir schlimmer vorgestellt habe, jedoch alles
andere als begeistert bin. Im Programmheft erläutert er sehr schlüssig
seine Konzeption. All das konnte man auch in irgendeiner Weise verwirklicht
sehen, aber meistens eher marginal und wenn, dann arg überspitzt. Für
diese Produktion entwickelte er eigens eine Dialogfassung, in die er die
ursprünglichen einfließen ließ und die von Sprechern vom Band gespielt
wurden.
Das
Ganze beginnt schon mit einer sehr sinnlosen Ankündigung des Stückes auf
dem schwarzen Vorhang während der Ouvertüre. Warum muß man diesen Vorspann
bringen? Ich meine, jeder weiß doch wohl, in welcher Oper er gerade sitzt
oder???? Na ja, der Vorhang öffnet sich und gibt den Blick frei auf eine
Bühne (Reinhard VON DER THANNEN), bei der man meint, daß jeden Moment
das MDR-Fernsehballett reinschneien könnte (was aber nicht passierte,
obwohl mich das teils auch nicht groß gewundert hätte...). Immer wieder
taucht ein menschlicher Hund (in Gestalt von Lorenz EICHHORN) auf, der
dem Pseudo-Pärchen Jaquino/Marzelline gehört, und mal mehr, mal weniger
hundeartige Dinge macht. Wo ist der Sinn?
Man
kann insgesamt eine große Diskrepanz zwischen dem ersten und zweiten Akt
feststellen. Während der erste größtenteils vollkommen konfus und unverständlich
wirkte (wozu die zahlreichen von Neuenfels eingebauten Komparsen auch
beitrugen), war der zweite weitaus durchdachter. Den Einfall, daß Leonore
und Florestan (der im Kerker noch rumspaziert und im Finale im Rollstuhl
sitzt...) sich nach all den Jahren nicht mehr recht finden möchten, finde
ich sehr gut. Auch die Anfangsszene des zweiten Aktes hat durchaus ihre
Momente, die gefallen. Bei seinen Visionen läßt der Regisseur den jungen
Florestan (gespielt von Martin LÜDERS) auftreten, etwas was man sicherlich
noch besser hätte ausfeilen können.
Die
Gestalt des Pizarro gefällt mir jedoch am besten. Hier ist er ein kleiner
Charlie Chaplin-Verschnitt (die an Hitler gemahnende Sprache des Sprechers
von ihm, Ingo HÜLSMANN, ergibt eine Anspielung an „Der große Diktator“)
mit einem Napoleon-Hut. Er ist nicht der böse Machtmensch, sondern mehr
oder weniger eine Marionette. Sehr amüsant wurde auch der Marsch vor seinem
Auftritt mit einer sehr lustigen Choreographie des Chores. Die zum Bühnenbild
und der Inszenierung passenden Kostüme lieferte ebenfalls Reinhard von
der Thannen.
Alles
in allem konnte mich die Neuinszenierung nicht überzeugen, ich zähle sie
zu den schlechteren in Hamburg, und von mir aus kann sie auch bald wieder
abgesetzt werden (aber bitte erst nachdem ich Inga Nielsen und Anne Schwanewilms
als Leonore gesehen habe!).
Musikalisch
war es eindeutig DER Abend von Falk STRUCKMANN. Es ist hochgradig angenehm
im Fach des Heldenbaritons endlich mal einen echten SÄNGER zu hören und
nicht jemanden, der sich durch die Partien durchdeklamiert. Er gibt nicht
den Erzbösewicht, sondern eher einen hintergründigen Pizarro mit toller
Phrasierungskunst. Eine großartige Leistung, was jedoch der Großteil des
Publikums nicht so sah. Der Applaus für ihn war doch recht verhalten und
ich meine auch, ein paar Buhrufer ausgemacht zu haben.
Der
Rest der Besetzung konnte nicht derart überzeugen. Susan ANTHONY sang
eine hauptsächlich souveräne Leonore. In der Höhe neigt sie zu einer unschönen
Schärfe. Insgesamt war mir ihr Vortrag nicht dramatisch genug und packte
mich nicht wirklich.
Einen
wesentlich besseren Eindruck hatte ich von Hubert DELAMBOYE, der freilich
kein klassischer Heldentenor ist, sondern eher ins Charakterfach tendiert.
Aber hey, wie würden Sie denn klingen, wenn Sie so lange Zeit in einem
finsteren Loch dahinvegetiert hätten??? Es verwunderte allerdings ein
wenig, daß so jemand so wohl genährt aussieht und eine Glatze trägt...
Immerhin bewältigte er die Rolle mit allem Anstand und gab dem Florestan
auch einen gewissen verrückten Touch.
Hans-Peter
KÖNIG sang einen soliden Rocco (vom Aussehen gemahnte er eher an Jochanaan...),
der allerdings im „Mir ist so wunderbar“ blaß blieb. Jan BUCHWALD macht
eine positive Entwicklung durch. Allerdings war mir sein Don Fernando
nicht autoritär genug. Es klang mir alles zu sehr nach einem klassischem
Lied. Ich denke, er muß noch ein wenig reifen. In der nächsten Saison
hat er ja die eine oder andere Gelegenheit. Vor allem am Spiel sollte
er noch etwas arbeiten, dann kann er u.U. ein guter Ensemble-Sänger werden.
Die Stimme hat er dafür.
Aleksandra
KURZAK sang mit schönem Sopran eine nette Marzelline. Christian BAUMGÄRTEL
war ihr Jaquino, der nicht groß auffiel. Daß man für diese Rolle einen
Gast engagieren muß, wenn man doch im Ensemble eigentlich zwei Sänger
hat, die es mindestens genauso gut machen könnten (namentlich Michael
Smallwood und Jürgen Sacher) konnte er nicht klarmachen. Die Gefangenen
waren mit Ho-yoon CHUNG (erster) und Wilhelm SCHWINGHAMMER (zweiter) solide
besetzt.
Ingo
METZMACHER, der einen Monat vorher nahezu alle Dirigate am Haus abgesagt
hat, stellte erneut unter Beweis, daß er eher einen ruhig dahinfließenden
musikalischen Duktus bevorzugt. So arbeitete er auch hier v.a. die zarten
Details aus der Partitur heraus und erwies sich einmal mehr als guter
Sängerbegleiter. Das Blech bedarf jedoch einer Sonderprobe. Das kann man
dem diesmal gut präpariertem CHOR (den nicht der Chorleiter Florian Csizmadia,
sondern sein Assistent Tilman MICHAEL einstudierte!), nicht nachsagen.
Der absolvierten seinen Part souverän.
Übrigens
war es glaube meine erste Vorstellung, in der weder Hans Dammann noch
Ekkehard Welz an der Pauke zu hören waren... WFS
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