In
Hamburg hat eine Veranstaltungsagentur mit einer guten Idee - und weniger
guter Ausführung – auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz (ansonsten ein lediglich
wenn ein Markt stattfindet einladender Platz in der Hamburger Innenstadt)
für die Zeit vom 2. bis 11. Juli 2004 open-air ein Opernfilmfestival organisiert.
Es gibt zahllose dort Angebote fürs leibliche Wohl, fast schon zuviel,
um eine Entscheidung zu treffen. In Wien gibt es seit Jahren jeden Sommer
vor dem Rathaus eine vergleichbare Veranstaltung.
Woran
es zunächst, bevor man überhaupt überlegt, sich eine der ”Filme” (es sind
tatsächlich alles aufgezeichnete Aufführungen aus dem Sortiment der Deutschen
Grammophon) anzuschauen, allerdings mangelt, ist die Tatsache, daß man
erst auf dem Platz erfährt, welchen Film man denn zu sehen bekommt. Man
kann zwar mit einiger Findigkeit herausbekommen, an welchem Tag es welches
Stück gibt, aber weder Angaben zur Besetzung, noch woher die Aufführung
ist. Soll sich das Angebot etwa nicht auch an Leute wenden, für die durchaus
die Besetzung entscheidend ist, ob man sich in diesem angeblichen Sommer
abends ins Freie traut?
Wir
gingen am 7. Juli, dem bisher einzigen Juli-Tag ohne Regen dorthin, um
uns ”Carmen” von der MET mit Agnes Baltsa und José Carreras unter James
Levine anzusehen.
Die
angekündigte Einführung vor Abspielen des Films war allerdings alles andere
als lehrreich. Eine blonde junge Frau, in einer der Logen plaziert, las
Informationen und die Handlung des Stückes ab. Letztere war derart detailliert,
daß sich jemand, der dies zum ersten Mal gehört haben dürfte, lediglich
einen Bruchteil davon behalten konnte. Davon abgesehen strotzte das ganze
auch noch vor Fehlern (nur ein Beispiel: Zuniga komme im zweiten Akt zurück
zu Lillas Pastia, weil er José abholen wolle. Dies läßt nur zwei Schlüsse
zu: erstens, Zuniga ist weniger an Carmen als an José interessiert, und
zweitens, er verfügt über telepathische Kräfte, so daß er wußte, wo er
José finden kann).
Ganz
schlimm wurde es, als besagte junge blonde Frau (der Name wurde nicht
bekannt gegeben) selbst als musikalisches Beispiel diente und ”Habanera”,
”Seguidilla” und die Micaela-Arie ”ansang” (O-Ton). Abgesehen von dem
völlig unidiomatischen Französisch schien die Dame auch nicht zu wissen,
was sie da sang. Die Spitzentöne quietschten gar schauderhaft; ein Effekt,
den die Lautsprecheranlage noch weiter verstärkte.
Es
wäre auch sicher sinnvoll, wenn die Einführung wenigstens ein bißchen
auf die gezeigte Produktion Rücksicht nehmen könnte. Von Micaela ständig
als ”blond” zu sprechen, wenn diese von einer afroamerikanischen Sängerin
gesungen wird, kann beim Publikum, das sich ja in der Mehrzahl eher nicht
aus regelmäßigen Operngängern zusammensetzt, nur Verwirrung stiften.
Die
Bild- und Tonqualität war, zumindest an diesem Abend, stark verbesserungswürdig.
Das Bild, gezeigt auf einer Leinwand von ca. 3 x 3,5 m-Ausmaßen, also
für den Platz eigentlich zu klein, war selten völlig klar, die Farben
wirkten bläßlich, dafür waren im Hintergrund ständig rote Pixel zu sehen
(mein 15 Jahre altes, viel gespieltes Video der Produktion hat eine bessere
Bildqualität). Die Lautsprecher waren größtenteils übersteuert, speziell
die hohen Soprantöne bereiteten Ohrenpein.
Ich
kann verstehen, daß bei einer solchen Veranstaltung zwischen 1. und 2.
Akt sowie zwischen 2. und 3. Akt jeweils eine Pause erfolgt. Warum muß
aber auch noch eine zwischen dem 3. und 4. Akt sein, die zusammen in etwa
die Länge des 1. oder 2. Aktes haben? Das führte nämlich dazu, daß in
dieser letzten Pause die Abwanderungsquote erheblich stieg, denn es wurde
kalt und spät, und weder der Kopfsteinpflaster-Fußboden noch die Bierzeltbänke
sind für eine dreieinhalbstündige Oper der bequemste Aufenthaltsort. Die
“Freßbuden” dürften von dieser Pause jedenfalls herzlich wenig gehabt
haben.
Fazit
der Veranstaltung: gerne im nächsten Jahr wieder, aber bitte dann mit
kompetenter Einführung, besserer Bild- und Tonqualität sowie weniger Pausen
und einer besseren Informationspolitik. Dann könnte es gelingen, den einen
oder anderen Besucher auch mal in eine Vorstellung in die Oper zu bringen.
Die vor uns sitzende Gruppe Teenager starrte jedenfalls teilweise geradezu
gebannt auf die Leinwand. Die Idee selbst scheint also zu funktionieren.
Und
mit zunehmender Dunkelheit kann sogar der sonst ungastliche Platz Atmosphäre
entwickeln. MK
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