Die
letzte erfolgreiche italienische Produktion war der „Falstaff“ in der
Regie von Marelli, die letzte Inszenierung der Intendanz Ruzicka/Albrecht
im Jahre 1997. Seitdem sind alle Produktionen von italienischen Opern
des 19. Jahrhunderts als gescheitert zu betrachten. Und der „Nabucco“
von Karoline GRUBER fügt sich hier nahtlos ein.
Es
fällt mir letztlich nur ein Wort ein, die Regie zu beschreiben: dilettantisch.
Als hätte die Regisseurin alle Ideen, die sie hatte, in einen Mixer geworfen
und diesen angeschaltet, ohne jedoch vorher den Deckel darauf zu tun.
Da wird in höchst überflüssigen Filmchen während der Ouvertüre und des
Gefangenenchors gezeigt, wie sich Nabucco die ca. zehnjährige Abigaille
sexuell mißbraucht (übrigens, wer hat eigentlich diese Filme gemacht,
vor denen später sowohl Abigaille als auch Nabucco panische Angst haben?
Der Oberpriester? Abdallo?), da bekommt Nabucco einen Herzanfall, wovon
man bekanntlich ja wahnsinnig wird, da muß er im 3. Akt als eine Mischung
aus dementem Greis und Obdachlosem herumgeistern, und Fenena legt sich
in ihrem Gebet einen Sprengstoffgürtel zwecks Selbstmordattentat um. Nichts
davon wird konsequent umgesetzt oder zuende geführt. Alles bleibt im Ungefähren
und wirkt unschlüssig. Auch konnte die Regisseurin, überraschend nach
ihrer hochgelobten „Poppea“ aus der vergangenen Saison, mit der Personenregie
nichts anfangen. Die Sänger bleiben sich selbst überlassen, und zum Chor
ist der Regisseurin nicht viel mehr eingefallen, als ihn regelmäßig an
den Rundhorizont zu stellen.
Einzig
am Schluß, als Nabucco und Zaccaria nach dessen letzten Worten erneut
die Pistolen aufeinander richten, komm ein Hauch von sinnvoller Idee durch.
Dann hätte man jedoch vorher nicht nur Zaccaria als Fanatiker zeichnen
müssen, denn Nabucco wirkt die ganze Zeit wie ein reiner Machtpolitiker
(mit schmutziger Vergangenheit); für ihn paßt eine so emotionale Reaktion
so nicht.
Der
Rundhorizont (Bühnenbild: Stefan HEYNE) zeigt eine heutige Menschenmasse;
was damit ausgesagt werden sollte, bleibt wie so vieles undeutlich. Die
Kostüme von Henrike BROMBER sind vorrangig häßlich und unkleidsam. Und
vielleicht hätte man die Kronen, mit denen ständig herumgespielt wird,
aus etwas festerem Material fertigen können. Die Teile sehen nicht nur
blechern aus, sie geben auch ein höchst billiges Geräusch von sich, wenn
sie mal wieder zu Boden fallen.
Bei
den Sängern ist als erste Georgina LUKÁCS als Abigaille zu nennen. Sie
legt die Partie mit angenehmen Timbre eher lyrisch an, ist jedoch auch
jederzeit den dramatischen Ausbrüchen gewachsen. Fast durchgehend gelingt
es ihr, schrille Töne zu vermeiden. Es dürfte sehr wenige Sängerinnen
geben, die ihr diese Rolle in dieser Weise nachsingen könnten. Sie ist
jeder Zoll Kriegerin und Herrscherin, erlaubt sich jedoch auch kurze Momente
der Verletzlichkeit zu zeigen. Eine beeindruckende Leistung!
In
der Titelrolle bemühte sich Lado ATANELI erfolgreich, den schlecht sitzenden
Anzug vergessen zu machen und sich aus der statischen Regie heraus zu
kämpfen. Sein Nabucco ist kein wilder Krieger, wie man es häufig sieht,
sondern ein zivilisierter Machtpolitiker, unter dessen Oberfläche es brodelt.
Er singt mit großer Emphase und scheut auch piani nicht. Und zur Cabaletta
„O prodi miei“ im Takt sein Hemd zuknöpfen, kann auch nicht jeder.
Simon
YANG, bis vor kurzem noch Ensemblemitglied, hatte als Zaccaria in seiner
ersten Arie hörbar mit einer Indisposition zu kämpfen. Ab dem zweiten
Akt hatte er diese jedoch im Griff und war sein balsamisch singendes,
persönlichkeitsstarkes Selbst.
Viktor
LUTSIUK ist über den Ismaele stimmlich längst hinaus, man merkte speziell
im ersten Akt, daß es ihm schwer fiel, die schwere Stimme unter Kontrolle
zu bringen. Später gelang ihm das; zudem spielte er engagiert. Katja PIEWECK
war nicht nur durch ein unglaublich trutschiges Kostüm ungünstigsten Schnittes
(was hat die Kostümbildnerin hier geritten?) behindert, sondern zeigte
bei ihrem Gebet Zeichen von Überforderung.
Die
Kleinstrollen waren nicht gerade hochklassig besetzt. Der Oberpriester
des Baal Balint SZABO blieb blaß, die Anna von Ingrid FRØSETH fiel mehr
durch ihr lilafarbenes Kostüm auf als durch ihren Gesang, und Abdallo
(Jonas OLOFSSON) war meist unhörbar; wenn man ihn dann hörte, war es nicht
unbedingt ein Gewinn.
Das
PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER hat auch schon fehlerfreier und animierter
geklungen. Ion MARIN am Pult war nicht in der Lage, wirkliches Brio zu
verbreiten. Wenn ein „Nabucco“ auch musikalisch nicht zündet, dann ist
etwas nicht richtig. Zudem gab es etliche Koordinierungsschwierigkeiten
mit dem CHOR und den Solisten. Es gab nicht ein Ensemble oder Chorstück,
in dem es nicht zu einem Auseinanderdriften zwischen Bühne und Graben
kam. Möglicherweise war der Chor (Leitung: Florian CSIZMADIA) noch besonders
durch die Plazierung im Halbdunkel gehandicapt, aber derartig unpräzise
habe ich ihn lange nicht mehr gehört. MK
P.S.:
Ich möchte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, mich für das grandiose
neue Eingangsfoyer zu bedanken. Es sieht so kalt aus, daß es einen frösteln
macht. Und die neuen Garderoben sind eine echte Zumutung. Bei der Konstruktion
hat offenbar niemand daran gedacht, daß das Publikum nach der Vorstellung
in großer Zahl zeitgleich seine Mäntel zurückhaben möchte. Da es weniger
Ausgabenstellen gibt als zuvor, steht man länger, und da diese Ausgabenstellen
auch noch z. T. sehr beengt sind, ist es sehr lästig, sich an den Wartenden
vorbeizuzwängen, wenn es einem dann endlich gelungen ist, den Mantel zu
erhalten. Welchen Vorteil dieser Umbau dem Publikum gebracht haben soll,
ist mir leider nicht nachvollziehbar.
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