Mit
diesen Worten endet Schönbergs biblische Oper, und diese Worte beschrieben
auch sehr schön meine Gefühle vor Beginn der Oper und nach Schluß selbiger.
Zu Beginn fehlte mir schlichtweg eine Begründung, warum ich mir das denn
nun unbedingt antun mußte – ich komme mit Dodekaphonie nicht zurecht,
ich mag den Sänger des Aron nicht. stehe dem Regisseur recht zwiegespalten
gegenüber – und: ich bin Atheist. Und nach der Vorstellung fehlte mir
das Wort, das meine verhältnismäßige Begeisterung beschreiben konnte.
Zugegeben,
ich mag atonale Musik immer noch nicht, und dieses unbeschreibliche Gefühl,
wenn man eine grandiose Oper in grandioser Darbietung sieht, wollte sich
nicht einstellen, aber die Zeit verging doch erstaunlich schnell. Normalerweise
empfinde ich solche Abende als quälend lang. Jedoch nicht hier.
Das
lag nicht zuletzt an der großartigen Regie von Peter KONWITSCHNY, dessen
Produktionen ich seit dem „Lohengrin“ und „Herzog Blaubarts Burg“ nie
wieder als so genial erlebt habe! Die Personenführung ist sehr gut, sehr
stringent gelungen. Vermutlich liegt es auch an seiner Distanz zu dem
Stoff. Im (sehr schlüssigen) Interview im Programmheft „outet“ er sich
als jemand, der nicht an den Gott, wie ihn die Kirche sieht, glaubt. Daraus
resultiert eine wundervoll kritische Auseinandersetzung mit dem Stoff.
So läßt er beispielsweise Moses selbst die Thesen aufschreiben – auf einer
alten Schreibmaschine. Glücklicherweise hat man jemanden engagiert, der
diese knapp fünf Minuten reinen Tippens sehr gut (mit angemessener Komik)
spielt.
Auch
läßt Konwitschny mit seinem Dramaturgen Werner HINTZE die Frage offen,
inwieweit denn Moses Eingebung von Gott stimmt. In der Eingangsszene steht
der Hirte mit seinen Schafen unter einem leicht surreal wirkenden Nachthimmel,
wo seine Schafe mit ihm reden, daß er die Botschaft doch unter die Leute
bringen soll. Diese tauchen dann später wieder auf, unbemerkt von allen
anderen Anwesenden, nur nicht von ihm selbst. Auch die Beziehung Moses-Aron
wird hier sehr genau rausgearbeitet, was man exemplarisch an der zweiten
Szene beobachten kann, wo Moses zu seinem Bruder heimkehrt. Ich bekam
zuerst etwas Panik, da mich diese biedere Küche schmerzlich an das „Carlos“-Ballett
erinnerte, doch zum Glück gab’s keinen Slapstick. Man fühlte sich eher
an „Siegfried“ erinnert, wenn der Hüne Moses mit seinem dicken Pelz zu
dem untersetzten Aron in abgepaßter „Beamtenkluft“ kommt (Bühne/Kostüme:
Johannes Leiacker).
Es
gibt freilich auch Regieeinfälle, bei denen ich mich frage, ob das nun
sein musste, gerade bei dem Tanz ums goldene Kalb (Schröder tanzt mit
Merkel), aber hey, es soll doch ein sündiges Fest sein. Es gäbe noch mehr
tolle Sachen zu erwähnen, aber wenn man die Gelegenheit bekommt, sollte
man es sich einfach selbst anschauen.
Sängerisch
war das Niveau hingegen nicht so berauschend. Mit Reiner GOLDBERGs (Aron)
Stimme kam ich noch nie zurecht, leider kann er dieses Manko auch nicht
durch andere Eigenschaften aufwiegen, wie z.B. eine gute Interpretation,
intensive Darstellung, etc. Er war zwar für mich kein großes Ärgernis
und stand die nicht sehr leichte Partie mit Anstand durch, aber einer
potentiellen Umbesetzung wäre ich überhaupt nicht abgeneigt. Er ist/war
ja an der Lindenoper in Berlin engagiert (wo er so große Partien wie den
1. Geharnischten oder Malcolm kriegt und auch mal einen – Tannhäuser),
die auch eine Produktion des Werkes haben – nur mit Thomas Moser. Ich
würde einen kleinen Wechsel befürworten!
Weit
besser gefiel mir Frode OLSEN, vielen. in Hamburg aus dem „Wozzeck“ als
Doktor bekannt. Aber auch er vermochte es nicht, mich sonderlich vom Hocker
zu reißen. Er bewältigte die Sprechrolle souverän. Zu szenischer Hochform
lief er in obiger. Szene auf, als er die Thesen niederschrieb.
Die
Nebenrollen waren sämtlich aus dem Ensemble, dem Chor und dem Opernstudio
besetzt, in mal besserer, mal schlechterer Qualität. Gabriele ROSSMANITH
sang ein ansprechendes jungen Mädchen, Olive FREDRICKS nervte mich als
Kranke, wohingegen Jürgen SACHER sich mir Elan und Spielfreude in die
Partie des jungen Mannes stürzte. Jonas OLOFFSON (der nackte Jüngling)
und Moritz GOGG (ein anderer Mann) fielen nicht weiter auf, Jörn SCHÜMANN
(mit Schrödermaske) langweilte als Ephraimit, Andreas HÖRL als Priester.
Die drei Ältesten waren bei Richard CHARLES, Andreas KUPPERTZ und Gabor
NAGY in soliden Händen, Birgit BRÜNING, Kathrin von der CHEVALLERIE, Eleonora
WEN und Maria KOLER waren die vier nackten Jungfrauen. Ingrid FRÖSETH,
Renate SPINGLER, Tamara GURA, Jonas Oloffson, Christoph POHL und Wilhelm
SCHWINGHAMMER sangen die sechs Solostimmen und Ludmila GEORGIEVA das Chorsolo.
Daniella ROTHSPRACH verrenkte sich als Schlange, und der kleinwüchsige
Bernd BRÜNING bekam auch hier wieder eine Rolle, nämlich als Aussatz.
Doch
die m.E. beste Leistung des Abends geht auf Ingo METZMACHERs Konto. Der
scheidende GMD fühlt sich in dieser Musik hörbar wohl, läßt sehr differenziert,
nuanciert und punktgenau musizieren. Selbst in schwierigsten Passagen
hielt er den sehr großen Orchesterapparat und die gerammelt volle Bühne
zusammen. Eine Meisterleistung! Eine ebensolche kann ich dem CHOR (zusammengesetzt
aus Chor und Sonderchor der Hamburgischen Staatsoper unter Florian CZISMADIA,
dem Krakauer Rundfunkchor unter Karek KLUZA und den wie immer tollen Hamburger
Alsterspatzen unter Jürgen LUHN) bescheinigen. Selten habe ich ihn an
diesem Haus in solch bestechender Qualität vernommen!
Fazit:
Jeder, der der modernen Musik nicht ganz verschlossen ist, der Regietheater
nicht abgeneigt ist und der es evtl. auch akzeptieren kann, daß Religion
kritisch ausgeleuchtet wird, sollte sich die Produktion mal anschauen,
so sie denn in der nächsten Spielzeit wieder aufgenommen wird. Man muß
es ja nicht gut finden... WFS
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