„Repertoire“,
diese Überschrift möchte man in dicken Lettern über diese Aufführung des
„Ballo“ setzen, und das, obwohl die Produktion erst zwei Jahre alt ist.
Jeder macht zwar das, was er soll, aber es wirkt irgendwie uninspiriert.
Die Regie (Alexander SCHULIN) gefällt mir auch nach viermaligem Sehen
nicht. Es gibt zwar recht interessante Ansätze, die werden aber teils
dilettantisch umgesetzt. So wirkt z.B. das Herumgerenne von Gustavo auf
der Bühne, obwohl er gar nicht zu sehen sein dürfte, eher, als ob der
Sänger zu früh gekommen wäre und nicht, als wäre er eine Erscheinung,
eine Phantasmagorie. Hier hätte man eventuell mit Doubles arbeiten sollen.
Weiterhin habe ich immer noch nicht verstanden, warum Amelia im zweiten
Akt über Holzbretter kommt, und die Verschwörer diese nachher abnehmen.
Das karge Bühnenbild entwarf Richard PEDUZZI, Moidele BICKEL die passenden
Kostüme.
An
diesem Haus herrscht ein chronischer Mangel an guten Verdi-Tenören. Es
ist mir unerklärlich, wie man jemanden wie Viktor AFANASENKO mit dem Gustavo
betrauen kann! Er hat eine unschöne Stimme, die er stets versucht, künstlich
auf Volumen zu trimmen. Seine hohen Töne sind allesamt gepreßt. Auch darstellerisch
war er ein glatter Reinfall. Die Sterbeszene war eher zum Lachen, denn
zum Weinen. Äußerst unterhaltsam ist auch sein Gesichtausdruck: Bei jedem
hohen Ton treten seine Augen hervor. Seine Diktion läßt ebenso zu wünschen
übrig, sein Lispeln sollte man wegtrainieren und ihm mal beibringen, daß
die Sprache nicht „Italiänisch“ heißt.
Philippe
ROUILLON (Renato) verfügt über eine große, gut fokussierte Stimme mit
sonorer Tiefe und toller Höhe. Allerdings macht er mit ihr gar nichts,
sein Vortrag wirkt auf mich vollkommen kalt, ohne irgendwelche Emotionen.
Grandios
hingegen war Michele CRIDER als Amelia. Ihre dramatische Höhe und ihre
Fähigkeit, in jeder Lage zarteste Pianissimi zu singen, passen glänzend
zu der Rolle und prädestinieren sie für dieses Fach. Auch schauspielerisch
war sie eine Klasse für sich.
Nicht
ganz so angetan war ich von Birgit REMMERTs Ulrica. Sicherlich hat sei
eine profunde Tiefe und einen guten Registerausgleich, aber sie hat meiner
Ansicht nach nicht die richtige Ausstrahlung für diese Partie, zudem war
ihr Vortrag zu sanft, zu wenig dämonisch, und die Stimme klang an diesem
Abend etwas belegt, paßte außerdem nicht so recht zu der von Crider.
Gabriele
ROSSMANITHs Oscar war technisch brillant, allerdings war sie zu sehr Koloratursopran
und zu wenig Hosenrolle, man hat schon bessere in dieser Partie gehört.
Jörn SCHÜMANN (Horn) und Andreas HÖRL (Ribbing) hatten sichtlich Spaß
an ihrem Verschwörertanz – ich auch. Jan BUCHWALD (Christiano), Frieder
STRICKER (Richter) und Joo-Hyun LIM (Diener) ergänzten.
Stefan
SOLTESZ leitete das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER HAMBURG in erster
Linie routiniert. Sehr gut gelang ihm die Entscheidungsszene, in der Amelia
den Namen des Mörders von Gustavo ziehen muß. Der CHOR (Leitung: Florian
CSIZMADIA) brauchte immer ein paar Takte, bis er seinen Rhythmus und seinen
Einsatz gefunden hat, sang dann aber gut.
Wolfgang Schmoller
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