Es
gibt Abende, an denen frage ich mich wirklich, was mich an der Kunstform
der Oper überhaupt interessiert. Solch einer war die neuste Produktion
des „Il Trovatore“. Ich habe prinzipiell nichts gegen moderne Regie, aber
das, was man dort zu sehen bekam, kann man getrost als Müll abstempeln.
Das Publikum wurde regelrecht veräppelt. Die Regie macht die ganze Musik
zunichte, reißt die Stretta des Manrico auseinander, hat ellenlange Umbaupausen,
wobei sich auf der sterilen Bühne nicht viel verändert. Leonora liegt
meistens zum (für die ganz dummen stets von einem Kleinwüchsigen (Bernd
BRÜNING) angekündigten) Szenenbeginn vorne auf der Bühne herum, verwandelt
sich (sehr zum Amüsement des Publikums) in einen Engel.
Ansonsten
ist die Regie von einer nervenden Statik geprägt. Einziges Requisit ist
eine Kindesstatuette auf einem Podest in der Bühnenmitte, die insgesamt
zwei Mal zerdeppert wird. Einzige Aussage des Stücks ist die, daß Manrico
Leonora gar nicht wirklich liebt. Warum auch immer. Leider finde sich
im Programmheft auch keine Erläuterungen zur Inszenierung, sondern der
Text zur alten Produktion von 1976, so daß sich mir der Sinn dieser regelrechten
Personenentstellungen nicht erschließt. Es war bisher meine schlimmste
Regie, die ich sah. Ich möchte mich an dieser Stelle meinem „Merker“-Kollegen
Erich Karlsson anschließen, und die Namen der für diesen Schund verantwortlichen
Personen nicht erwähnen, es würde sie zu sehr freuen. Mich wird diese
Produktion so schnell nicht wieder sehen, und ich hoffe, daß auch anderem
dem folgen werden, denn nur durch Ignorieren kann man solchem Herr werden.
Leider
konnte die musikalische Seite nicht viel retten. Mikhail DAVIDOFFs Manrico
bot eine stimmlich solide Leistung, wenngleich man ein wenig den Charaktertenor
hörte, mit einigen recht guten piani, blieb aber sonst bieder. Seine Stretta
erhielt Anstandsapplaus. Nur sollte er vielleicht noch eine Stunde Luftgitarrenunterricht
nehmen, was ihm in der Romanze zugute käme.
Seine
Leonora war Ines SALAZAR. Sie sang viele piani, für meine Verhältnisse
zu viele, was ihre Figur irgendwie etwas weinerlich dastehen ließ. Leider
ist ihr kaum schauspielerisches Geschick zuzuschreiben, so tapperte sie
in der Szene, in der sie als Engel verrückt werden sollte, hilflos auf
der Bühne herum. Nach ihrer Arie im vierten Akt rührte sich keine Hand.
Zeljko
LUCIC (Luna) verfügt über eine schöne Stimme und eine prachtvolle Höhe,
womit dann aber auch schon alles gesagt wäre.
Lediglich
Yvonne NAEF als Azucena vermochte echt zu fesseln. Sie stellte wirklich
eine leidende, aber auch feurige Zigeunerin auf die Bühne, die die schwierigen
Registerübergänge makellos bewältigte. Leichte Probleme im „Stride la
vampa“ seien ihr verziehen. Dennoch ist mir ihre Stimme eine Spur zu hart
für Verdi.
Orlin
ANASTASSOWs Ferrando ließ etwas aufhorchen. Da steckt bestimmt noch mehr
drin (das berühmte Premierensyndrom?). Dirk SCHMITZ als Ruiz, Antigone
PAPOULKAS (Ines) und Christian BODENBURG als Zigeuner ergänzten solide.
Das
Dirigat von Michael HOFSTETTER, der eher der alten Musik verbunden ist,
versprühte wenig Italianità. Wann hört man das „Di quella pira“ so unkämpferisch?
Bei dem heiklen Ensemble des zweiten Aktes hatte er größte Mühe, alle
wieder einzufangen. Sonst aber hielt er alle stets zusammen, allerdings
ohne sonderliche Inspiration. Nach einem fulminanten Beginn verfiel der
Chor (Florian CSIZMADIA) manchmal in die alte schlampige Gewohnheit, zu
singen, wann man meint, daß es richtig sein könnte.
Am
Ende gab es einhellige Buhrufe für das Regieteam, was dieses sichtlich
genoß, einige nicht ganz unberechtigte Mißfallensbekundungen gegen Davidoff,
sonst viel Applaus für den Rest. Ich persönlich habe mich selten in einer
Aufführung so gelangweilt und wäre es nicht mein erster „Trovatore“ gewesen,
ich wäre in der Pause gegangen.
Wolfgang Schmoller
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