„Bitte
bewahren Sie [...] dem Ernst des Geschehens angemessene Ruhe im Zuschauerraum“.
Man hätte den Satz, der auf dem Flyer zu lesen war, den man in der ersten
Pause des zwei Jahre alten Hamburger „Don Carlos“ (erstmals gibt es die
komplette Version ohne Striche zu sehen) erhielt, nicht fett genug schreiben
können. Im nachfolgenden Autodafé, das von zwei Pausen eingerahmt war,
war der Lärm im Auditorium unerträglich. Da wurde sich in normaler Sprechlautstärke
unterhalten, als würde man zu Hause vor dem Fernseher sitzen. Aus dem
Rang schrie ein Italiener „Viva Verdi“ und beschimpfte den Dirigenten
vor Beginn des 4. Aktes, selbigen vergewaltigt zu haben – meinte er nicht
vielleicht eher Peter KONWITSCHNY???
Dieser
nämlich zeichnet für das Geschehen verantwortlich. Bekanntlicherweise
hat er einen Faible dafür, die Konventionen zu sprengen. Ließ er im „Freischütz“
während der Pause eine Uhr ticken, inszeniert er diese nun als Spektakel,
das Autodafé wird zum Pausenfüller. Das wäre ja alles zu verkraften, wenn
man wie erwähnt ein Publikum hat, das auch mal RUHE geben kann, wenn die
Musik spielt - und wenn der Rest der Regie stimmig gewesen wäre. Aber
davon kann kaum die Rede sein.
Nach
seiner Sicht ist Carlos, der Infant von Spanien, eine Art pubertär-infantiles
Kleinkind, was auf die Dauer doch arg nervt und der Rolle nach meinem
Dafürhalten nicht gerecht wird. Ansonsten herrscht Langeweile in dem überwiegend
schmutzig-weißen Bühnenraum von Johannes LEIACKER, der auch die Kostüme
passend zur Zeit entwarf. Ein weiteres Ärgernis ist das Intermezzo „Ebolis
Traum“, das vom Ballett begleitet wird und musikalisch nicht so recht
zum Werk passen will. Es spielt in einem biederen Raum, wo Eboli, die
nun Gemahlin von Carlos ist, auf ihre Gäste (Philippe und Elisabeth) wartet.
Das ganze wird zur möchtegern-lustigen Slapstickfarce, die jedoch weiten
Teilen des Publikums gefiel. Naja, jedem das Seine... Meines Erachtens
ist das Konwitschnys bisher schlechteste Arbeit an diesem Haus.
Michail
SCHELOMIANSKI sang wie bereits vor einem Jahr den König Philippe II. Gegenüber
der Premierenbesetzung Robert Hale liegt ihm die Partie besser in der
Stimme. Sein Vortrag blieb jedoch weitgehend solide, ihm fehlte die Intensität,
um die Rolle auszufüllen.
Jean-Pierre
FURLAN sang die Titelfigur. Er verfügt über eine Stimme, die in der Forte-Höhe
wirklich sehr toll klingt, jedoch wird sie im piano schnell brüchig. Auch
er konnte nicht wirklich überzeugen, lieferte aber ebenfalls eine akzeptable
Leistung ab.
Danielle
HALBWACHS übernahm wie in der Premiere die Elisabeth de Valois. Ihre Stimme
ist vielleicht ein ganz klein wenig zu hart, dennoch sang sie sehr gut,
obwohl sie mir persönlich nicht stark genug war. Sie hätte ein wenig mehr
aus sich herausgehen sollen. Das war absolut kein Problem für Nadja MICHAEL,
die eine sehr sehr, (fast schon zu) böse Eboli präsentierte, jedoch gerne
mal die Kontrolle über ihre große Stimme verlor, die ich eher dem Wagner-Fach
zurechnen würde und bei Verdi m.E. fehlplatziert ist.
Sehr
gut hingegen gefiel mir der Rest der Besetzung. George PETEAN ist ein
sehr guter Posa, der mit imposanten Spitzentönen sowie mit einem ausgefeilten
Rollenportrait aufwarten kann. Er spielte zudem sehr engagiert. Ich hätte
mir allerdings seinen Tod etwas differenzierter gewünscht. Die Entwicklung,
die dieser Sänger nimmt ist äußerst erfreulich, und ich hätte ihm eine
solche Leistung nach einem höchst mittelmäßigem Belcore vor anderthalb
Jahren bei seinem Hamburg-Debüt (damals noch als Gast) nicht zugetraut.
Simon
YANG ist ein intensiv singender Großinquisitor, der weniger böse denn
nüchtern ist, aber gerade dadurch gewinnt die Rolle auch ein gewisses
Profil. Ein hervorragender Mönch ist der Hamburger Debütant Balint SZABO,
der der kurzen Partie seinen kraftvollen, edel timbrierten Prachtbaß leiht.
Ich würde ihn sehr gerne mal als Philippe hören!
Maite
BEAUMONT sang mit leuchtendem Mezzo einen quirligen und engagierten Thibault,
Julia SUKMANOVA absolvierte ihren Part (himmlische Stimme) sehr gut, ebenso
wie Michael SMALLWOOD als Lerme/Herold.
Es
scheint mir, als könne GMD Ingo METZMACHER mit dem Werk nicht viel anfangen.
Seine Spezialität sind eher die modernen Werke und Wagner, bei denen er
es immer wieder schafft, die Ecken und Kanten zu entfernen, was hier jedoch
eher hinderlich war. So geriet z.B. der orchestrale Part des Schleierliedes
alles andere als temperamentvoll. Immerhin hielt er die Fäden souverän
in der Hand, und das ORCHESTER spielte fehlerfrei. Der CHOR unter Florian
CSIZMADIA lieferte eine sehr gute Leistung ab. WFS
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