Selbst
nach fünfeinhalb Jahren und 24 Vorstellungen teilt Peter KONWITSCHNNYs
Hamburger „Lohengrin“ noch das Publikum in zwei Teile: den einen, der
sich an seiner manchmal übertriebenen, ja holzhammerhaften Symbolik oder
einfach nur an der Verlegung der Handlung in ein Klassenzimmer aufreibt.
Der andere genießt die herrliche, stringente und unglaublich schlüssige
Personenführung. Ein Mittelding gibt es nicht! Ich kann beide Seiten verstehen,
wenngleich ich mich zu der letzten Gruppe zähle. Der wohl umstrittenste
Regisseur unserer Zeit, der es sich auch bei der Wiederaufnahme nicht
nehmen ließ, diese mit seiner Anwesenheit zu beehren (was ich an ihm sehr
schätze), schuf eine ungemein detaillierte Inszenierung, in der man auch
nach dem vierten Mal noch neue Einzelheiten entdeckt.
Konwitschny
sieht in allen Figuren im Prinzip nur Kinder, Lohengrin ist der einzige
Erwachsene. Selbst König Heinrich unterscheidet sich von seinen Schülern
nur in der Tatsache, daß er eine kleine Krone auf dem Kopf und einen Rohrstock
in der Hand trägt. Die Krieger fuchteln mit Holzschwertern in der Luft
herum, mit einem solchen darf Lohengrin Telramund im Gotteskampf besiegen,
bei der Tötung dessen, verwendet er ein echtes. Auch die Personenkonstellationen
sind dem Regieteam bestens gelungen. Ortrud und Telramund sind von vornherein
Außenseiter (sprich, sie sitzen in der letzten Reihe, jeder an seinem
Tisch und jeder ohne Nachbarn), im zweiten Aufzug kann sich der Graf zuerst
von seinen ihnen im vorigen Bild angelegten Fesseln befreien, während
seine Gattin das gar nicht erst versucht.
Der
Schwanenritter wird schon durch sein Aussehen entmystifiziert, er ist
kein hehrer Held, sondern ein normaler Mann, der in der Brautgemachszene
seiner Angetrauten in erster Linie „an die Wäsche“ will, während Elsa
recht verschüchtert eher das keusche jungfräuliche Schulmädchen ist, sich
bedrängt fühlt und daraufhin die verheerende Frage an ihn richtet.
Die
Schuluniformen entwarf Helmut BRADE, der auch für das Bühnenbild verantwortlich
zeichnet.
Ein
Highlight ist für mich immer wieder die Verwandlungsmusik im dritten Aufzug.
Die Trompeter, die die „Solo-Passagen“ haben, sind auf die Ränge im Haus
verteilt, später stoßen die vier Königstrompeter und Rührtrommler auf
die Bühne – ein Hörerlebnis der ganz besonderen Art!!! Jedem, der diese
Inszenierung vorweg als Schund o.ä. verurteil, ohne sie gesehen zu haben,
kann ich nur empfehlen, sie sich anzuschauen, es meckert sich einfach
glaubwürdiger und weniger pauschal...
Leider
konnte die musikalische Seite nicht im Entferntesten an vorangegangene
Abende heranreichen. Harald STAMMs Heinrich geriet stellenweise aus dem
Rhythmus, es gab aber auch Passagen, in denen er voll überzeugen konnte,
da sah man auch über seine altersbedingten Verschleißerscheinungen hinweg,
ein überzeugender Darsteller ist er allemal!
John
TRELEAVEN hinterließ als Lohengrin einen äußerst zwiespältigen Eindruck.
In den lyrischen, den intimen Teilen gelangen ihm einige schöne Momente,
wenn es jedoch dramatischer wurde, verfiel er in die fürchterliche Unart,
zu deklamieren, so daß es eher klang, als würde er in verschiedenen Lagen
sprechen. Dadurch machte er große Teile seiner ansonsten gar nicht mal
so uninteressanten Gralserzählung (ohne zweiten Teil) kaputt. Kurios ist
die Tatsache, daß er eine sehr baritonale Tiefe hat, die Höhe aber manchmal
eher nach Falsett klingt. Die Intonation war auch nicht immer sehr rein.
Glücklicherweise bemühte er sich um Differenzierung.
Seine
Elsa war bei Emily MAGEE in zu jungfräulichen Händen. Sie sang alles nett,
aber das war’s dann auch schon. Außerdem fehlt ihr ein wenig die charakteristische
Stimmfarbe. Sehr nervig war ihr naiv-kindliches Spiel.
Bei
Hartmut WELKERs Telramund hatte ich v.a. bei „Oh König, trugbetörte Fürsten“
das Gefühl, daß er leicht angeschlagen war, da mußte er mit ziemlichem
Druck singen, um einen Ton herauszubringen, vielleicht lag es aber auch
daran, dass er das auf dem ca. vier Meter hohen Schrank singen musste.
Insgesamt war seine Stimme etwas zu guttural, er verlagerte den Stimmsitz
nach hinten, um künstlich Volumen zu erzeugen. Nichtsdestotrotz gelang
ihm ein tolles Rollenportrait.
Ein
solches Renate BEHLE zu attestieren, wäre reinste Blasphemie. Ihr Rollendebüt
war der absolute Schwachpunkt in der Aufführung. Sie machte so gar nichts
aus der Partie und sang vieles auf Sparflamme dergestalt, daß man den
Eindruck bekam, daß es ihr peinlich war, laut zu singen. Behle verfügt
zwar im Grunde über eine recht schöne Stimme, wenn es aber in die Vollhöhe
geht, kann man das nur noch mit Kreischen bezeichnen. Ihr „Entweihte Götter“
war die reinste Zumutung, was ein kleiner Teil des Publikums nicht so
sah und prompt nach diesem applaudierte... Auch ihr darstellerisches Talent
läßt arg zu wünschen übrig.
Kommen
wir nun zum musikalischen Höhepunkt der Aufführung: dem Heerrufer (ja,
Sie lesen richtig!). Jan BUCHWALD fiel mir in zahlreichen Nebenrollen
eher mit steifem Singen und ebensolchem Spiel nicht auf, in dieser Rolle
ging er jedoch förmlich auf, er hatte sichtlich Spaß am Spielen und Singen,
und beim Schlußapplaus erhielt er auch am meisten Beifall (!). Vielleicht
ist ja jetzt der Knoten geplatzt???
Die
vier Edlen (Ho-yoon CHUNG, Dirk SCHMITZ, Alexander TSYMBALYUK, Wilhelm
SCHWINGHAMMER) und Edeldamen (Ulrike GOTTSCHICK, Lucija MARINKOVIC, Sabine
RENNER, Katharina DIERKS) ergänzten das Ensemble solide.
Enttäuscht
war ich vom Dirigat von GMD Ingo METZMACHER. Zwar breitet sich die Gralssphäre
des Vorspiels wundervoll quasi aus vollkommener Stille heraus aus, dann
jedoch wirken seine Mannen unmotiviert, dazu kamen zahlreiche Patzer,
insbesondere bei erwähnter Verwandlungsmusik verrutschten den Blechbläsern
so einige Töne. Der CHOR (Florian CSIZMADIA) hatte viel Spaß an der Produktion,
was sich aber nicht auf den Gesang übertrug, die Einsätze waren ungenau
und die Bässe klangen zu kehlig. WFS
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