Das
kleine, aber ambitionierte Allee-Theater bringt immer wieder interessante
Ausgrabungen zustande. Diesmal widmete man sich dem Thema von Peter dem
Großen in Holland, aber nicht in der Version von Lortzing; das wäre ja
langweilig gewesen. Immerhin wurde der Stoff zwischen 1780 und 1975 sechzehn
Mal vertont; Donizetti leistete sich gleich zwei Opern mit diesem Thema.
Die zweite Vertonung von 1827 „Il borgomastro di Sardaam“ wurde von Malte
KROIDL in bewährter Weise für die Belange des Allee-Theaters eingerichtet.
Wie üblich wurde auf deutsch gespielt (Fassung von Barbara HASS), die
Rezitative sind durch Sprechtexte ersetzt, so daß auch Opernanfänger maximalen
Spaß haben.
Die
Musik hat durchaus noch Anklänge an Rossini, aber man hört deutlich Stücke,
die an „Lucia“ oder „Don Pasquale“ erinnern, und einen Teil des Finales
kann man ohne große Mühe im „Liebestrank“ wiederfinden. Das Ganze hat
Schmiß und macht Spaß. Da Donizetti fünf große, dankbare Rollen geschrieben
hat sowie noch drei kleinere, wundert es schon, daß das Stück durch Lortzings
„Zar und Zimmermann“ komplett von den Spielplänen verdrängt wurde. Eine
Begegnung lohnt dringend und kann noch bis in den Juni 2003 hinein nachgeholt
werden.
Die
Inszenierung von Michael LEINERT hat Tempo, scheut auch die eine oder
andere Slapstick-Einlage nicht, was aber bei dem überaus spielfreudigen
Ensemble in keiner Sekunde klamaukig wird. Ein absoluter Leckerbissen
sind die Spielereien mit Opernkonventionen, so die Schlußszene, in der
die Primadonna mit ihrem Rondo offenbar kein Ende finden kann, während
das restliche Ensemble auf die Uhr schaut, sie zum Aufhören zu bewegen
sucht und das Orchester auf der Schlußkadenz im Hintergrund allerlei Unsinn
treibt. Die Rahmenhandlung mit Zar Nikolai und Kaiser Wilhelm II. in Holland
im Exil bei der Betrachtung besserer Zeiten mußte nicht sein, war aber
durchaus amüsant.
Das
Bühnenbild von Walter PERDACHER mit einem Kanonenboot, welches sich leicht
in eine Werft oder das Haus des Bürgermeisters verwandeln ließ, war überaus
praktikabel (ich staune jedesmal wieder, was man mit der Mini-Bühne alles
machen kann). Barbara HASS hatte die Sänger in kleidsame Kostüme gesteckt.
Bei
den Sängern gebührt die Krone Marius ADAM als Vambett, dem titelgebenden
Bürgermeister. Die Baß-Bariton Stimme perfekt geführt, ohne die Linie
einmal zu verlassen, gelingt es ihm, trotz der deutschen Sprache Parlando
auf hohem Niveau zu bieten. Hinzu kommt auch noch eine extrem präsente
Darstellung des aufgeblasenen Bürgermeisters, der einem im Finale des
ersten Akts sowie im Terzett mit beiden Peters wirklich leid tun kann,
ob der um ihn herum vorgehenden verwirrenden Umstände.
Oscar
QUEZADA als Zar hat einen höchst angenehmen Bariton, der vom Volumen her
allerdings für das kleine Theater fast zu groß ist. Gerade jedoch in den
leiseren Momenten entfaltet die Stimme besondere Qualität. Zusammen mit
dem anderen, tenoralen, Peter (Adrian CAVE) bietet er ein Höchstmaß an
gemeinsamer Spielfreude. Donizetti hat für den Deserteur Peter Läufe geschrieben,
die an die Zumutungen Rossinis an seine Tenöre erinnern. Cave besteht
hier glänzend, auch wenn die eine oder andere Höhe nicht ohne Anstrengung
erreicht wurde.
Die
beiden Damen fielen hier etwas ab. Anne KNOCHE (Marietta) zeigte in ihrer
Arie im ersten Akt diverse Schärfen, die sich später allerdings gelegt
hatten. Ähnlich erging es Eva VOGEL, die neben der Rolle der Carlotta
auch noch zu Beginn einen Zimmermannsgehilfen sang. Bei ihren waren es
allerdings weniger Schärfen, als Intonationsschwierigkeiten in der höheren
Lage. Der Spielfreude der beiden Damen tat dies jedoch keinen Abbruch.
In
den kleineren Rollen ergänzten Nicolai-L. KLAWA (Lefort) und Francisco
MORALES (Ali Moahmed) stimmlich nicht immer ganz sicher, darstellerisch
jedoch dem Szenendiebstahl durchaus verdächtigt. Kaiser Wilhelm wurde
von Hans H. RÜCKERT verkörpert.
Tjaard
KIRSCH leitete nicht nur das kleine, fast fehlerlose ALLEE-THEATER-ENSEMBLE
animiert und höchst kompetent auch für das Belcanto-Fach, er durfte auch
noch eine stumme Rolle als Bräutigam von Carlotta verkörpern (O-Ton: „Wir
heiraten, sobald er das Finale zuende dirigiert hat.“)
Das
ganze ist einfach ein hinreißender Spaß, den man nicht versäumen sollte,
was auch das restliche Publikum zu finden schien. MK
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