„DER BÜRGERMEISTER VON SARDAAM“ - 18. Mai 2003

Das kleine, aber ambitionierte Allee-Theater bringt immer wieder interessante Ausgrabungen zustande. Diesmal widmete man sich dem Thema von Peter dem Großen in Holland, aber nicht in der Version von Lortzing; das wäre ja langweilig gewesen. Immerhin wurde der Stoff zwischen 1780 und 1975 sechzehn Mal vertont; Donizetti leistete sich gleich zwei Opern mit diesem Thema. Die zweite Vertonung von 1827 „Il borgomastro di Sardaam“ wurde von Malte KROIDL in bewährter Weise für die Belange des Allee-Theaters eingerichtet. Wie üblich wurde auf deutsch gespielt (Fassung von Barbara HASS), die Rezitative sind durch Sprechtexte ersetzt, so daß auch Opernanfänger maximalen Spaß haben.

Die Musik hat durchaus noch Anklänge an Rossini, aber man hört deutlich Stücke, die an „Lucia“ oder „Don Pasquale“ erinnern, und einen Teil des Finales kann man ohne große Mühe im „Liebestrank“ wiederfinden. Das Ganze hat Schmiß und macht Spaß. Da Donizetti fünf große, dankbare Rollen geschrieben hat sowie noch drei kleinere, wundert es schon, daß das Stück durch Lortzings „Zar und Zimmermann“ komplett von den Spielplänen verdrängt wurde. Eine Begegnung lohnt dringend und kann noch bis in den Juni 2003 hinein nachgeholt werden.

Die Inszenierung von Michael LEINERT hat Tempo, scheut auch die eine oder andere Slapstick-Einlage nicht, was aber bei dem überaus spielfreudigen Ensemble in keiner Sekunde klamaukig wird. Ein absoluter Leckerbissen sind die Spielereien mit Opernkonventionen, so die Schlußszene, in der die Primadonna mit ihrem Rondo offenbar kein Ende finden kann, während das restliche Ensemble auf die Uhr schaut, sie zum Aufhören zu bewegen sucht und das Orchester auf der Schlußkadenz im Hintergrund allerlei Unsinn treibt. Die Rahmenhandlung mit Zar Nikolai und Kaiser Wilhelm II. in Holland im Exil bei der Betrachtung besserer Zeiten mußte nicht sein, war aber durchaus amüsant.

Das Bühnenbild von Walter PERDACHER mit einem Kanonenboot, welches sich leicht in eine Werft oder das Haus des Bürgermeisters verwandeln ließ, war überaus praktikabel (ich staune jedesmal wieder, was man mit der Mini-Bühne alles machen kann). Barbara HASS hatte die Sänger in kleidsame Kostüme gesteckt.

Bei den Sängern gebührt die Krone Marius ADAM als Vambett, dem titelgebenden Bürgermeister. Die Baß-Bariton Stimme perfekt geführt, ohne die Linie einmal zu verlassen, gelingt es ihm, trotz der deutschen Sprache Parlando auf hohem Niveau zu bieten. Hinzu kommt auch noch eine extrem präsente Darstellung des aufgeblasenen Bürgermeisters, der einem im Finale des ersten Akts sowie im Terzett mit beiden Peters wirklich leid tun kann, ob der um ihn herum vorgehenden verwirrenden Umstände.

Oscar QUEZADA als Zar hat einen höchst angenehmen Bariton, der vom Volumen her allerdings für das kleine Theater fast zu groß ist. Gerade jedoch in den leiseren Momenten entfaltet die Stimme besondere Qualität. Zusammen mit dem anderen, tenoralen, Peter (Adrian CAVE) bietet er ein Höchstmaß an gemeinsamer Spielfreude. Donizetti hat für den Deserteur Peter Läufe geschrieben, die an die Zumutungen Rossinis an seine Tenöre erinnern. Cave besteht hier glänzend, auch wenn die eine oder andere Höhe nicht ohne Anstrengung erreicht wurde.

Die beiden Damen fielen hier etwas ab. Anne KNOCHE (Marietta) zeigte in ihrer Arie im ersten Akt diverse Schärfen, die sich später allerdings gelegt hatten. Ähnlich erging es Eva VOGEL, die neben der Rolle der Carlotta auch noch zu Beginn einen Zimmermannsgehilfen sang. Bei ihren waren es allerdings weniger Schärfen, als Intonationsschwierigkeiten in der höheren Lage. Der Spielfreude der beiden Damen tat dies jedoch keinen Abbruch.

In den kleineren Rollen ergänzten Nicolai-L. KLAWA (Lefort) und Francisco MORALES (Ali Moahmed) stimmlich nicht immer ganz sicher, darstellerisch jedoch dem Szenendiebstahl durchaus verdächtigt. Kaiser Wilhelm wurde von Hans H. RÜCKERT verkörpert.

Tjaard KIRSCH leitete nicht nur das kleine, fast fehlerlose ALLEE-THEATER-ENSEMBLE animiert und höchst kompetent auch für das Belcanto-Fach, er durfte auch noch eine stumme Rolle als Bräutigam von Carlotta verkörpern (O-Ton: „Wir heiraten, sobald er das Finale zuende dirigiert hat.“)

Das ganze ist einfach ein hinreißender Spaß, den man nicht versäumen sollte, was auch das restliche Publikum zu finden schien. MK