Im
alten Ägypten galt es als schlimmste Strafe überhaupt, den Namen einer
Person auszulöschen. Genau dieses ist es, was der Regisseur des neuen
Hamburger „Trovatore“ verdient. Für so viel verbreitete Langeweile gepaart
mit einem hohen Maß an Unmusikalität ist jede Namensnennung zu viel verlangt.
Zudem ist bereits in der achten Vorstellung der Produktion wenig von der
stilisierten Personenregie übrig gewesen. Man hätte auch die 1997 zuletzt
gegebene Nichtinszenierung aus den siebziger Jahren spielen können.
An
meiner Schule gab es einen Lehrer, der bei Klausuren die Anweisung gab:
„Laßt genug Rand, damit das Wort ‚Unsinn’ dorthin paßt. Einige sollten
mehr Platz lassen für ‚grober Unsinn’.“ Offenbar hat sich Bühnenbildner
Alfred PETER dies zu Herzen genommen, denn er hat einen dieser weißen,
viereckigen Einheitsbühnenräume geschaffen, auf die drei Stunden zu starren,
fürchterlich ermüdet und auf denen viel Platz ist, „Unsinn“ zu schreiben.
Übrigens sei der Bühnenbildner gefragt, warum der Bühnenraum unbedingt
so gefaßt sein muß, daß man in den oberen Rängen ca. ein Viertel bzw.
ein Drittel der Bühne nur so weit einsehen kann, um das Schuhwerk der
Sänger zu betrachten.
Die
Kostüme von Kathi MAURER fügen sich nahtlos in Nichtregie und ödes Bühnenbild
in ihrer Unpraktikabilität. Es läßt sich nicht vermeiden, daß ständig
einer der Herren auf den Schleppen der Damen steht, da sich ansonsten
die sinnlosen Gänge einfach nicht ausführen lassen.
Zu
diesen Nichtleistungen kam auch noch das Dirigat von Michael HOFSTETTER,
dem offenbar jeglicher Zugang zu Verdis Musik fehlt. Ich habe lange keinen
Dirigenten mehr so schleppen gehört. Langsame Tempi können spannend sein,
hier waren sie es keine Sekunde. Es ging sogar so weit, daß die Sänger
selbst auf die Tube drückten, um den Fluß der Musik irgendwie aufrecht
zu erhalten.
Gesanglich
blieb Mikhail DAVIDOFF, der mit seiner wenig dramatischen, technisch überforderten
und ohne jedes spezifische Timbre ausgestatteten Stimme, jeder Zoll kein
Manrico war, der einzige Wermutstropfen. Zudem hielt er sich als einziger
noch sklavisch an die Regie, was die Lächerlichkeit dieser noch besonders
herausstellte.
Zejko
LUCIC als Luna kann eine große Stimme sein eigen nennen. Was ihm noch
fehlt, ist die Fähigkeit, mit diesen Mitteln auch umzugehen, wobei festgestellt
werden muß, daß er diesmal, insbesondere im Duett mit Leonora, schon mehr
Nuancen einfließen ließ. Auch das Zusammenspiel mit Ferrando (Orlin ANASTASSOW)
wirkte schon besser. Letzterer hat die Rolle nunmehr perfekt in der Kehle,
singt mit individuellem Timbre und guter Phrasierung und läßt sich auch
nicht durch sein albernes Kostüm irritieren.
Trotz
dieser Leistungen war es der Abend der Damen, die beide, wenn auch längerfristig,
eingesprungen waren. Für Elisabetta Fiorillo stand Ildiko SZÖNYI als Azucena
auf der Bühne. Die Stimme ist in der oberen Lage von überraschend heller
Klangfarbe, was jedoch nichts daran ändert, daß auch die tieferen Partien
der Rolle mühelos erreicht werden. Die Sängerin würde es auch ohne Racheengelkostümierung
schaffen, einen solchen darzustellen und sie bewahrt sowohl stimmlich
als auch darstellerisch Würde selbst in den Momenten, wo Manrico regiekonform
versucht, Libretto und Musik der Lächerlichkeit preiszugeben.
Für
Norma Fantini kehrte Olga ROMANKO, hochklassige Leonora schon der alten
Inszenierung, nach Hamburg zurück und ließ die Frage offen, weswegen sie
eigentlich ansonsten kaum mehr an diesen Haus singt. Eine so ebenmäßige,
warm timbrierte Stimme, die jederzeit weiß, was sie singt, die gestaltet,
die weder bei Koloraturen, noch dramatischen Ausbrüchen an ihre Grenzen
stößt, sollte doch eigentlich gerade im Verdi-Fach einen festen Platz
einnehmen. Wir wollen mehr von ihr hören!
Maite
BEAUMONT (Ines) und Dirk SCHMITZ (Ruiz) sangen kleine Rollen auf hohem
Niveau, während die vom Regisseur hinzuerfundene, von Bernd BRÜNING verkörperte
Figur *** (heißt laut Programmheft wirklich so) hoffentlich bald Sparmaßnahmen
zum Opfer fällt.
Das
PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER spielten fast fehlerfrei und hätten sicherlich
mit einem Dirigenten, dem Verdi näher ist als Hofstetter, eine noch bessere
Leistung erbracht. Der CHOR konnte nicht ganz mit der Leistung der ersten
Vorstellungen mithalten, war aber immer noch sehr anhörbar (wenn auch
das Schlagen der Ambosse, wie schon früher, nicht ganz den Vorgaben in
den Noten entsprach). MK
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