Trotzdem
eine der wohl größten Sängerpersönlichkeiten unserer Tage auf der Interpretenliste
des 5. Philharmonischen Konzerts stand, war die Musikhalle nicht ausverkauft.
Ob das unschöne Hamburger Tauwetter schuld daran war, oder doch die extrem
spärliche und sehr unauffällige Werbung, darüber kann ich nur spekulieren.
Sollte ersteres der Fall gewesen sein, kann ich diejenigen, die sich davon
haben abschrecken lassen, nur bedauern, denn es wurde auf sehr hohem Niveau
musiziert.
Mit
György Ligetis „Lontano für großes Orchester“ gab es ein selten gespieltes
Werk zu hören. Die Musik erinnert nicht selten an die sphärisch tremolierenden
Streicher des „Lohengrin“-Vorspiels. Sie hat keine wirkliche Melodie,
schwankt zwischen Kon- und Dissonanzen und beugt sich keiner Schule, sondern
nutzt Ligetis selbst entworfene Mikropolyphonie, die die Ausführenden
teils vor die große Herausforderung von 57 (!) parallel laufenden Stimmen
stellt. Diese schwere Aufgabe löste das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER
HAMBURG unter dem gerade auf dem Gebiet der modernen Musik sehr erfahrenen
und versierten GMD Ingo METZMACHER gekonnt. Er beläßt das Stück in seinem
fließenden Duktus, ohne Ecken und Kanten. Sehr eindringlich war die Stille
nach dem Werk, das mit einer Generalpause endet.
Thomas
QUASTHOFF wurde seinem Ruf als einer der besten Liedinterpreten vollkommen
gerecht. Er sang die sechs Lieder aus Mahlers Zyklus „Des Knaben Wunderhorn“
(„Revelge“, „Wo die schönen Trompeten blasen“, „Des Antonius von Padua
Fischpredigt“, „Der Schildwache Nachtlied“, „Der Tamboursg’sell“ und „Urlicht“)
mit einer unglaublichen Intensität und zartesten pianissimi. Insbesondere
gilt es, sein eindringliches „Urlicht“ hervorzuheben, bei dem einem wirklich
der Atem stockte. Er trifft den traurigen Ton dieser (Anti-)Kriegslieder
sehr genau. Einziges Manko bei ihm sind die Höhen im Forte. Dort wird
seine bassige Stimme, mit der ich mich trotz ihres immensen Ausdrucks
nicht so recht anfreunden kann, eng und brüchig.
Ingo
Metzmacher erwies sich als ebenbürtiger Partner, ließ Quasthoff genügend
Spielraum, ohne dabei in den Hintergrund zu treten. Die Publikumsreaktionen
waren nicht gerade überschwenglich, aber doch lang und herzlich.
Der
zweite Teil des Konzertes stand ganz im Zeichen von Bartóks Konzert für
Orchester. Bedingt durch zwei famose Aufführungen von seiner Oper „Herzog
Blaubarts Burg“, waren meine Erwartungen sehr hoch gesteckt, und sie wurden
definitiv nicht enttäuscht! Der Dirigent entlockte dem sehr gut disponierten
Klangkörper ein Höchstmaß an Spannung, die zu keinem Zeitpunkt je abzureißen
drohte. Es wurde gewissermaßen jeder Takt ausgekostet, ja, ich bin geneigt
von einer regelrechten Verschmelzung mit dem Werk zu sprechen.
Ach
ja, und dann waren da noch einige Menschen, denen wohl nicht bekannt war,
daß man zwischen Liedern einer Liedgruppe nicht klatscht. Muß man das
wirklich noch in ein Programmheft schreiben??? Ich dachte, das gehört
zur Allgemeinbildung eines jeden Konzertbesuchers... Wolfgang Schmoller
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